Frauen und Männer

Stinkender Storchschnabel

„Kindsmacher“ der Volksmedizin

Margret Madejsky

Eine heute nur mehr in der Erfahrungsheilkunde geschätzte Heil- und Fruchtbarkeitspflanze folgt uns bis in die Städte hinein, wo sie mit Brennnesseln und Schöllkraut um die kleinsten Mauerritzen konkurriert: der Stinkende Storchschnabel, Geranium robertianum. Der Kulturfolger erreicht eine Wuchshöhe bis zu 40 Zentimetern, ist meist stark verzweigt und dicht behaart. Treffen wir ihn entlang von Waldwegen, dann kann die einjährige Pflanze mit den rötlichen Stängeln auch prachtvoller in Erscheinung treten.


Wenn im Sommer ein Laubdach den Wald verdunkelt, erfreut der Anblick seiner leuchtend rosaroten Blüten. Zusammen mit anderen blühenden Waldbewohnern wie der Echten Goldrute bildet er den Lichtpol im Dunkel des sommerlichen Waldes. Der Gattungsname der Storchschnabelgewächse (Geraniaceae) geht darauf zurück, dass der Griffel zur Zeit der Fruchtreife schnabelartig auswächst. Die Form erinnert aber auch an Nägel, weshalb in alten Büchern manchmal vom Nagelkraut die Rede ist. Zudem trifft der Beginn der Blüte mit der Rückkehr der Störche zusammen, sodass das Storchenbrot im Volksglauben als Glücksbringer galt (vgl. Seligmann). Die essbare Wurzel soll bereits den alten Römern als Wildgemüse gedient haben.

Riecht er oder stinkt er?

Namen wie Stinkblümli oder Wanzenkraut weisen auf den charakteristischen Geruch des Krautes hin. Während Marzell ihn nur als unangenehm beschreibt, vergleichen ihn andere Autoren mit Bocks- oder Wanzengeruch. Dr. Aigremont klärt über die sexuell stimulierende Wirkung auf: So spielten Pflanzen (…), die mit Bocks- oder Wanzengerüchen (Achsel- oder Schamgerüchen) behaftet sind, ihre große Rolle. Weißdorn und Geraniumblüte sind für den Mann, Berberitze und Kastanienblüte sind für die Frau heute noch vielfach starke Stimulantia.

Weitere Namen zeigen vor allem die Heilkräfte an: Biswurmkraut, Blutkraut, Giftkraut, Gichtkraut, Kopfwehkraut, Rotlaufkraut und Orvale (von ahd. Orual = Urfall = Milzbrand; vgl. Höfler). Wie manch anderer Vielheiler, so trägt auch der Storchschnabel wegen seiner Wundheilkräfte in Kräuterbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts den Beinamen Gottesgnadenkraut. Dieses soll seinerzeit dem heiligen Rupert (650–718), der einst Bischof von Worms und Salzburg war, hilfreich gewesen sein. Der Legende nach brachte der Heilige seine Hautgeschwüre

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Wundarznei für Stillende

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Gerbstoffe contra Viren

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Damit der Storch einem ins Bein beißt

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(Abbildungen vom Verfasser)

Literatur
Aschenbrenner, Eva: Rezepte für die Gesundheit. Kosmos Verlag, Stuttgart, und Verlag Aschenbrenner, Garmisch-Partenkirchen
Bingen, Hildegard von: Heilkraft der Natur – „Physika“. Herder Spektrum, Weltbild Verlag 1991
Dr. Aigremont: Volkserotik und Pflanzenwelt. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1907–1910; Reihe Ethnomedizin und Bewusstseinsforschung; Express Edition GmbH, Berlin 1987
Fischer-Rizzi, Susanne: Medizin der Erde. AT Verlag, CH-Aarau 2005
Hirsch, Siegrid; Grünberger, Felix: Die Kräuter in meinem Garten. Weltbild GmbH, Augsburg 2006
Hirsch, Siegrid: Kräuter-Rezeptbuch. Freya Verlag, A-4020 Linz 2007
Kalbermatten, R.: Wesen und Signatur der Heilpflanzen. AT Verlag, CH-Aarau 2002
Künzle, Johann: Chrut und Uchrut – Praktisches Heilkräuterbüchlein. F. Unterberger Verlagsbuchhandlung, A-Feldkirch, 1935
Madaus, Gerhard: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Mediamed Verlag, Ravensburg 1989
Madejsky, Margret: Lexikon der Frauenkräuter. AT Verlag, CH-Aarau 2008
Madejsky, Margret: Das alternative Kinderwunschbuch. Arkana Verlag, München 2015
Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen. Verlag von S. Hirzel, Leipzig 1972
Matthiolus, Petri Andrae: Kreutterbuch (1562). Nachdruck der Ausgabe von 1626, Grünwald 1963
Pelikan, Wilhelm: Heilpflanzenkunde. Dornach 1958
Perger, Ritter von: Deutsche Pflanzensagen. Verlag von August Schaber, Stuttgart 1864
Schönfelder, Ingrid und Peter: Das neue Handbuch der Heilpflanzen. Franckh-Kosmos-Verlags-GmbH & Wissenschaftliche Verlaggesellschaft mbH, Stuttgart 2004
Seligmann, Siegfried: Die magischen Heil- und Schutzmittel aus der belebten Natur. Das Pflanzenreich. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1996
Stammel, Heinz J.: Die Apotheke Manitous – Das Heilwissen der Indianer. Rororo Sachbuch – rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2000
Tabernaemontanus, Jakobus: Kräuterbuch 1731. Reprint – Verlag Konrad Kölbl, München 1993


Anschrift der Verfasserin
Margret Madejsky
Heilpraktikerin
Praxis für Traditionelle Abendländische Medizin
Barerstraße 48
80799 München
Tel. (089) 2725902
E-Mail: office@natura-naturans.de



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Naturheilpraxis 6/2015