Magen-Darm-Trakt

Probiotika beim Reizdarmsyndrom

Welche Bakterienstämme helfen?

Lilian Schoefer

Gastrointestinale Beschwerden gehören zu den Hauptgründen für einen Besuch beim Allgemeinarzt oder Heilpraktiker. Bei der Behandlung steht an erster Stelle eine Umstellung der Lebensumstände, die die Symptome verursachen oder verschlimmern können – wie die Ernährung. Pharmakologische Therapien sind bei funktionellen Magen-Darm-Beschwerden nur begrenzt wirksam, gleichzeitig können sie Nebenwirkungen verursachen. Da Veränderungen der Darmflora bei der Pathogenese gastrointestinaler Erkrankungen eine Rolle spielen, wächst das Interesse an Behandlungen, die auf die Mikroflora abzielen. Eine natürliche Therapieoption bieten Probiotika.


Probiotika sind definiert als „lebende Mikroorganismen, die einen positiven Einfluss auf die Gesundheit des Menschen haben, wenn sie in angemessener Menge aufgenommen werden“. Eingesetzt werden Probiotika bereits seit Langem, doch nur wenige Therapeuten haben einschlägige Erfahrung in ihrer Anwendung. Obwohl viele Studienergebnisse veröffentlicht wurden, ist die klinische Anwendung von Probiotika bisher unzureichend charakterisiert und definiert. Zu entscheiden, ob und welche Produkte sich zur Behandlung eignen, ist deshalb eine Herausforderung. Ein internationales Komitee aus zwölf Ärzten und Wissenschaftlern hat die zum Thema veröffentlichten Studien durchforstet und einen „Leitfaden zur Behandlung von Unterbauchbeschwerden mithilfe von Probiotika in der klinischen Praxis“ erstellt (1). Initiator war die European Society for Primary Care Gastroenterology.

Praktischer Leitfaden zur Evidenz

Klinische Leitlinien fokussieren im Allgemeinen auf definierte Krankheitsbilder, aber Therapeuten sind bei funktionellen, gastrointestinalen Erkrankungen mit einem überlappenden Symptomkomplex konfrontiert. Ziel des internationalen Autorenkomitees war es deshalb, in einem Leitfaden die Evidenzlage einzelner Probiotika für bestimmte Symptome zu erläutern. In die S3-Leitlinie zur Behandlung des Reizdarmsyndroms sind Probiotika bereits aufgenommen.
Mithilfe des Leitfadens können Therapeuten Probiotika gezielt bei der Behandlung von Erwachsenen einsetzen. Kinder hat das Autorenkomitee bewusst aus dem Leitfaden ausgeschlossen, da sich die Zusammensetzung der Mikroflora im Darm von Kindern und Erwachsenen unterscheidet und sich daraus andere Therapieempfehlungen ergeben (1).
Von den 287 gefundenen Veröffentlichungen zur Wirkung von Probiotika bei Unterbauchbeschwerden entsprachen 37 randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien den strengen Einschlusskriterien der Autoren. Die Studien beleuchten vor allem die Wirkung der Probiotika bei Beschwerden des Reizdarmsyndroms. In den Studien wurden 32 verschiedene Probiotika untersucht, mit mikrobiologischen Aktivitäten von 1x106 bis 4,5x1011 koloniebildenden Einheiten. Die Präparate wurden ein- bis dreimal täglich eingenommen.

Evidenzlage und Konsens der Experten

Der Leitfaden beurteilt die Aussagen zur Wirkung von Probiotika nach zwei verschiedenen Kriterien: einmal nach der vorliegenden Studienlage und einmal nach dem Konsens der Experten zur in den Studien nachgewiesenen Wirkung. Um einen Konsens zu den Wirkaussagen entwickeln zu können, wurde ein modifizierter Delphi-Prozess eingesetzt. Der Delphi-Prozess ist ein gängiges Vorgehen zur Konsensfindung in Expertenrunden.
Während der Leitfaden den Konsens der Experten zur Wirkung in Prozent angibt, teilt er die Studienlage in vier verschiedene Evidenzklassen ein. Eine hohe Evidenz steht dabei für eine sehr gute Studienlage. Bei hoher oder mittlerer Evidenz für eine positive Wirkung sollen oder können die bewerteten Probiotika in der Therapie eingesetzt werden. Bei niedriger Evidenz kann der behandelnde Arzt oder Therapeut den Einsatz der bewerteten Probiotika immerhin noch in Erwägung ziehen. Ist die Evidenz sehr niedrig, ist der Einsatz der bewerteten Probiotika nach Ansicht der Autoren nicht gerechtfertigt.
Die zwei verschiedenen Kriterien können beim Lesen verwirren. Die Studienlage kann mittelmäßig sein – wie bei der Reduktion der Symptome bei durchfalldominiertem Reizdarmsyndrom –, der Konsens der Experten zur Wirkung der aufgeführten Probiotika jedoch bei 100 Prozent liegen (s. Tabelle). Im Allgemeinen geht aber eine sehr gute Studienlage mit einem hohen Konsens einher.

Fazit

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Literatur
(1) Hungin, A.P., et al.: European Society for Primary Care Gastroenterology. Systematic review: Probiotics in the management of lower gastrointestinal symptoms in clinical practice – An evidence-based international guide. Aliment Pharmacol Ther. 2013 Oct;38(8):864-86. doi: 10.1111/apt.12460. Epub 2013 Aug 27





Anschrift der Verfasserin:
Dr. Lilian Schoefer
Mikrobiologin
Bahnhofstr. 13
35745 Herborn
E-Mail: lilianschoefer@yahoo.de



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Naturheilpraxis 5/2015