Klassische Homöopathie

Mitfühlende Praxis

Burn-out-Risiko oder soziale Kraft? Teil 1

Henning Marx

Viele Patienten schätzen oder erwarten den Ausdruck von Mitgefühl durch den Therapeuten. Letztere wiederum sehen hier die Gefahr, dadurch zu stark in die Anliegen der Patienten involviert zu werden oder den rationalen Blick auf das Geschehen zu verlieren. Dieser Annahme liegt in der Regel ein ungenügendes Verständnis aktiven Mitgefühls zugrunde. Der zweiteilige Artikel soll daher aufzeigen, erstens was aktives Mitgefühl ist, zweitens ob eine Beachtung in der Praxis sinnvoll ist und drittens wie die eigene Kompetenz hierfür verbessert bzw. geschaffen werden kann.


Schlüsselwörter : Aktives Mitgefühl, aktives Zuhören, emotionale Intelligenz, meditative Praktiken, Tonglen-Praxis, Achtsamkeitstraining, „short-term compassion training“, psychologische Flexibilität, ACES-Technik

1 Einführung1

Mitgefühl bekommt erst dann eine soziale Bedeutung, wenn es einem Leidenden gegenüber ausgedrückt wird, d.h. für diesen spürbar ist. In diesen Fällen ist es mit einer Handlung verbunden, sodass von aktivem Mitgefühl oder von mitfühlender Praxis gesprochen werden kann. Letzterem Begriff kommt in diesem Artikel eine doppelte Bedeutung zu. Er bringt auch zum Ausdruck, dass aktives Mitgefühl hier speziell im Kontext einer therapeutischen Tätigkeit betrachtet werden soll.

Eine Diskussion über den Wert aktiven Mitgefühls wurde im Gesundheitswesen bereits frühzeitig geführt, weil Mitgefühl als moralischer Imperativ im Rahmen der Patientenbetreuung gilt. Das steht im Einklang mit allen großen Weltreligionen, die Mitgefühl als Ausdruck menschlichen Seins betonen. Auch in der philosophischen Tradition seit Aristoteles ist Mitgefühl überwiegend positiv konnotiert. Eine Ausnahme bilden hier die Stoiker, denen zufolge Mitgefühl mit Rationalität nicht vereinbar sei, zu Sentimentalität führe und ein vorhandenes Leiden eher verstärke. Ihnen galt Mitgefühl daher als schwacher, weiblicher Wesenszug. Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen Frauen und Männern beim Erleben von Mitgefühl nicht eindeutig. Auch kulturelle Unterschiede könnten hierfür verantwortlich sein [5, 17, 25].

Für die Fähigkeit des Erlebens von Mitgefühl wird eine genetische Disposition angenommen.

Diese Annahme korreliert mit der Beobachtung, dass Mitgefühl mit der Aktivität sogenannter Spiegelneurone einhergeht. Dieser Begriff beschreibt dabei keinen spezifischen Typ von Neuronen, sondern wird für die Gesamtheit derjenigen neuronalen Strukturen verwendet, deren aktives Zusammenspiel es einem Beobachter ermöglicht, Absichten anderer Menschen bereits frühzeitig zu antizipieren. Auf dieser neurologischen Basis wird Mitgefühl von Kindern im Wege des Wahrnehmungslernens entwickelt und benötigt darüber hinaus dem Kind selbst entgegengebrachtes Mitgefühl, damit dieses sich seinerseits mitfühlend verhalten kann. Während sich nur bei Männern ein Zusammenhang zwischen dem von den Eltern erfahrenen und dem selbst empfundenen Mitgefühl statistisch gezeigt hat, besteht für beide Geschlechter eine Korrelation zwischen dem von Lehrern erhaltenen und dem selbst empfundenen Mitgefühl, sodass insbesondere Erzieher einen bedeutenden Einfluss auf

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2 Begriffsbestimmung „aktives Mitgefühl“

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Anmerkungen
1 Aus Platzgründen kann hier keine wissenschaftlich korrekte, satzgenaue Zitation erfolgen. Daher wird lediglich für jeden Absatz der Verweis zur diesem zugrunde liegenden Literatur [Nummer im Literaturverzeichnis] angegeben. Es ist dabei zu beachten, dass aufgrund dieser verkürzten Verweise nicht mehr ersichtlich ist, welche Aussagen inhaltlich oder ähnlich übernommen worden sind bzw. sich aus Schlussfolgerungen des Autors ergeben. Bei Bedarf kann bei diesem eine vollständige Zitation angefragt werden.
2 Neben einer schweren Erkrankung kann es sich um unterschiedlichste Gründe handeln wie Folgen von Naturkatastrophen, von Menschen verursachte Unglücke oder Unfälle, finanzielle Schwierigkeiten oder Partnerprobleme etc. Diese Ursachen müssen sich nicht auf den Leidenden beziehen, sondern können auch Menschen in seinem näheren Umfeld betreffen [17].
3 Unter Coping-Strategien werden Ressourcen verstanden, die es ermöglichen, mit negativem Stress erfolgreich umzugehen (to cope: zurechtkommen, es schaffen). Neben der Handlungsbereitschaft und -wahrscheinlichkeit determinieren diese auch den Grad der Resilienz gegenüber Stress.

Literatur
Das umfangreiche Literaturverzeichnis finden Sie auf webarchiv.naturheilpraxis.de unter Webcode 150506.



Anschrift des Verfassers
Henning Marx
Heilpraktiker
Schloßstraße 20/I
76593 Gernsbach



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Naturheilpraxis 5/2015