Der ältere Patient

„Better-Aging“ statt Anti-Aging

Alt werden, ohne zu altern (?)

Arnold Mayer

Das Zauberwort Anti-Aging scheint allgegenwärtig zu sein. Dabei ist der Begriff unsinnig. Denn Anti-Aging lässt sich nur durch frühzeitiges Ableben erreichen, schließlich beginnt der Alterungsprozess mit der Geburt. Lebenszeit geht immer zulasten einer fortschreitenden Alterung. Ein langes Leben ohne Alterung ist nicht möglich, auch wenn seit Jahrhunderten Wundertränke hierfür gebraut werden. Die biologische Alterung kann allerdings optimiert werden. Es geht also um „Better-Aging“, nicht um „Anti-Aging“.


Alterung in der TEM

Für Galenos von Pergamon war das Altern „die einzige physiologische Krankheit des Menschen“. Mit dieser Einschätzung hat er den Kern der Problems erfasst: Das Altern gehört zum normalen Verlauf des Lebens, führt aber zunehmend zu Funktionsstörungen im Organismus. Diese pathologischen Abweichungen sind dabei weder zu verhindern noch kurativ zu beseitigen. Schließlich handelt es sich um physiologische, biologisch normale Prozesse. Was bleibt, ist den Verlauf dieser physiologischen „Krankheit“ zu begleiten. Es gilt, den Verlauf der Alterung zu bremsen und die Folgen abzumildern.

In der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM) wird der Alterungsprozess als permanent fortschreitender Prozess des Verlustes an Wärmebildungsfähigkeit (Energie) und Gewebefeuchte (Stoffwechselfeuchte1) verstanden.

Der Mensch wird mit zunehmendem Alter immer kälter und trockener (grauer Pfeil in Abb. 1). In jungen Jahren dagegen ist der Mensch geprägt von Wärme und Feuchte, von bewegender, verändernder Energie und formbarer, wandelbarer Substanz. Der warm-feuchte Zustand wird dem Element Luft respektive dem Humor2 Sanguis zugeordnet. Luft und Sanguis sind Metaphern für das tätige Leben, für selbsttätige Dynamik, für permanente Veränderung und Anpassung. Vom Idealzustand der Vitalität, der geprägt ist durch Wärme und Feuchte, strebt der alternde Mensch auf den Zustand von Kälte (= Fehlen von Wärme) und Trockenheit (= Fehlen von Feuchte) zu. Nach vollständiger Entfaltung der Gesundheitskräfte (Salubrität) im „Alter der Vollkraft“ folgt die „Phase des Welkens“ (Abb. 2). In dieser machen sich dann bereits zunehmend die Alterserscheinungen bemerkbar.

Das Altern beginnt für die TEM (und die Biologie) ganz uncharmant bereits ab 35. Bei den meisten Menschen beginnt hier die Entwicklung der Presbyopie (Altersweitsichtigkeit). Bewusst wahrgenommen wird sie dann oft ab 40, durch die Tatsache, dass zum Lesen die Arme immer länger werden müssen. Die Ursachen dafür sind die nachlassende Elastizität und Verformbarkeit der Augenlinse, sodass die Akkommodation immer schwieriger wird. Hinter diesem Phänomen verbirgt sich bereits eines der Grundprobleme der Alterung: die nachlassende elastische Grundfunktion. Der Motor der Alterung ist für die TEM primär die zunehmende Trockenheit, diese induziert zunächst eine Minderung der Faserelastizität. Deshalb machen sich im Alterungsprozess strukturelle Phänomene des Elastizitätsverlustes bemerkbar.

Als Sekundärfolge nimmt die Wärmebildungsfähigkeit ab, da die Feuchte die funktionelle Basis für den Stoffwechsel darstellt. Ohne ausreichende Feuchte lässt die Effizienz des Stoffwechsels nach, und die Energiebildungsfähigkeit sinkt. Nun zeigen sich funktionelle Defizite, die Funktionselastizität ist gemindert. Dem Organismus fällt es immer schwerer, auf veränderte Anforderungen mit einer passenden funktionellen Reaktion adaptiv zu antworten. Der alternde Mensch kommt nun mit Veränderungen in seinem Lebensumfeld, mit Wetterschwankungen, mit ungewohnten Speisen nicht mehr zurecht. Die zunehmende Dominanz der Melancholie führt zur strukturellen und funktionellen Erstarrung. Der Mensch wird im wahrsten Sinne des Wortes „steinalt“. Vielleicht hat die senile Rigidität in Struktur und Funktion tatsächlich zu dieser metaphorischen Wortbildung geführt.

Altern – Das beständige Welken

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Wann beginnt man mit dem Better-Aging?

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Problemfelder der Alterung und palliative Möglichkeiten

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Abbildungen siehe Nahturheilpraxis 2/2015

Literatur
Avicenna (Abu Ali al-Husayn ibn Abd Allah ibn Sina): Canon medicinae, o. Jahr/Verlag
Bakhtiar, Laleh: The Canon of Medicine – Avicenna, Great Books of the Islamic World, 1999
Beintker, Erich; Kahlenberg, Wilhelm: Die Werke des Galenos, Hippokrates-Verlag, 1939
Ibn Butlan: Schachtafelen der Gesuntheyt, Hans Schott, 1533
Heine, Hartmut: Lehrbuch der biologischen Medizin, Hippokrates Verlag, Stuttgart, 1991
Heiss, W. W.: Altersmedizin aktuell, Verlag C.H. Beck, Freiburg, 2012
Hufeland, Chr. W.: Makrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern, Berlin 1796
Mayer, Arnold: Traditionelle Europäische Medizin, Foitzick Verlag, Augsburg, 2013
Mey, Wolfgang: Die Heilkräfte in unserer Nahrung, Sonntag Verlag, 1989
Riverius, Lazarus: Universal Body of Physic, Montpellier – London, 1657
Schmidt, R.F.; Lang, F.; Heckmann, M.: Physiologie des Menschen, Springer Verlag, Heidelberg, 2010



Anschrift des Verfassers
Arnold Mayer
Heilpraktiker
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Naturheilpraxis 2/2015