Akupunktur/TCM

Zum Tod von Herbert Vater

Alexander Simon

„Wir sind gleichsam Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen, um mehr und Entfernteres als diese sehen zu können – freilich nicht dank eigener scharfer Sehkraft oder Körpergröße, sondern weil die Größe der Riesen uns zu Hilfe kommt und uns emporhebt.“
Bernhard von Chartres

Herbert Vater ist tot – diese Nachricht erreichte uns im Oktober per E-Mail von den Philippinen und hinterließ uns gleichsam überrascht und traurig. Herbert hat die AGTCM in den 1990er Jahren als 1. Vorsitzender entscheidend geprägt und viele wichtige Impulse für die weitere Entwicklung der AGTCM gesetzt. Er war ein Vorreiter in Sachen Chinesischer Medizin in Deutschland und galt ebenso als hervorragender und charismatischer TCM-Therapeut. Ich selbst habe ihn in diesem Jahr in Rothenburg kennengelernt, und in den wenigen Monaten, die ihm noch blieben, entspann sich eine feine und freundliche Beziehung zwischen uns. Er hatte freundschaftliche und unterstützende Worte für mich und versorgte mich über die verschiedenen Kanäle des Internets regelmäßig mit kleinen Kommentaren. In der AGTCM wurden viele Geschichten über Herbert erzählt, und für mich entstand das Bild eines unangepassten, wilden und visionären Pioniers, der vom Schicksal nicht immer gut bedacht worden war und, mit dem Leben hadernd, seinen Frieden im fernen Asien suchte.

Herberts großer Einsatz für die AGTCM und für die Entwicklung der Chinesischen Medizin in Deutschland bleibt unvergessen, ohne ihn wäre die AGTCM sicher nicht das, was sie heute ist.

Wir wünschen dir Frieden im Herzen und die Weite des Himmels, lieber Herbert!
Andrea Hellwig,
1. Vorsitzende der AGTCM


Herbert hat es uns als 1. Vorsitzender nicht immer leicht gemacht. Er war, und so beschrieb er sich auch selbst, ein Kind seiner Zeit, der 68er-Generation eben. Streitlustig, aufbrausend, auch mal herrisch, aber eben auch ein Lebemann und einer, der sich mit Haut und Haaren der Traditionellen Chinesischen Medizin verschrieben hatte.
Wenn man ihn traf, so war das immer beeindruckend. Irgendwie sah er immer so aus, wie ich mir Menschen im alten China vorstellte, und hatte eine frappierende Ähnlichkeit mit vielen Darstellungen von Lao Zhi, in dessen geistiger Tradition er sich auch immer sah. Obwohl er schon krank zum letzten TCM-Kongress in Rothenburg angereist war, war es schön, ihn zu treffen und mit ihm zu reden.
Herberts Vorstandszeit war noch stark von der ersten Riege der AGTCM und August Brodde geprägt, der die AGTCM eher wie ein Kapitän steuerte und hier auch ganz klar seinen Anspruch herleitete. Nach Helen Blohm steht Herbert für die weitere Konsolidierung und Etablierung der TCM in Deutschland und für den ersten Generationswandel in der AGTCM. Nicht umsonst war es Herberts Anliegen – mit dem er dann gescheitert ist –, die AGTCM in einen Berufsverband umzuwandeln.

Trotz dieses für ihn sehr schmerzlichen Scheiterns am Mitgliedervotum im Jahre 1999 und der von ihm gezogenen Konsequenz, nicht mehr als 1. Vorsitzender zu kandidieren, hat er die AGTCM und auch uns als Vorstand immer unterstützt und gestärkt. Wenn Not am Mann war, konnte man sich auf ihn verlassen.
Nachdem er in den letzten Jahren gesundheitlich angegriffen war, zog er auf die Philippinen. Wegen des warmen Wetters und wegen der Freundlichkeit der Menschen dort. Wir sind froh, dass Herbert unserer Einladung zum Jubiläum des 60-jährigen Bestehens der AGTCM zum TCM-Kongress Rothenburg 2014 gefolgt ist, wo wir nochmal mit ihm feiern konnten. Hier kam es bei der Mitgliederversammlung zu einer großen Geste Herberts, mit der es gelang, gemeinsam mit Andreas Noll Kränkungen aus alten Zeiten zu überwinden. So entstand Heilung: bei Herbert, bei mir und in der AGTCM. Es war ein schöner und anrührender Moment, und ich bin Herbert und Andreas sehr dankbar dafür.
Mit Herbert Vater verlieren wir einen Macher, großen Unterstützer und Freund der TCM und der AGTCM. Ich persönlich werde ihn sehr vermissen, und wir als AGTCMler sollten uns tief vor ihm verbeugen.

Moin moin Herbert!
Nils von Below


Ein letztes „Moin, Herbert“! Unzählige, meterlange Faxe fingen so in den 1990er Jahren an, ebenso viele mit dem „Moin, Andreas!“. Wir haben gemeinsam die Aufbruchsstimmung initiiert, die sich gegen den Widerstand der „alten Herren“ Brodde und Giessen anbahnte. Zusammen mit dem bald tödlich verunglückten Charly Heimann (Dr. K.O.) waren wir in Chengdu das Trio infernale. Es folgten unruhige, windige Zeiten, in deren Lauf Du nach strapaziösen Mediationen vor allem die Leitung der AGTCM auf eine breitere Basis stelltest, mit einem achtköpfigen Vorstand anstelle der bis dato üblichen, überforderten Dreiergruppe. Berufspolitisch waren wir beide nicht einer Meinung, wir stritten heftig bis zu Deinem Rücktritt 1999. 14 Jahre hatten wir dann nur sporadischen Kontakt datenmäßiger Art. Jeder war mit sich beschäftigt, und so vergingen die Jahre. Die AGTCM war sehr lange Zeit Dein Zuhause, und wir haben Dir viel zu verdanken! Die Rückschau zum Jubiläum des 60-jährigen Bestehens war eine lange hintenangestellte Gelegenheit zum Nachdenken ... und als ich Dich dann im Frühjahr in Rothenburg getroffen habe und wir dieses denkwürdige Foto mit Nils auf der Mitgliederversammlung gemacht haben, waren die damaligen Streitigkeiten und Nörgeleien endgültig getilgt. Herbert, wo auch immer Du bist – auf einer Wolke mit Harfe oder in irgendeiner buddhistischen Vorstufe zum Nirwana – Du warst enorm wichtig für uns!

Andreas Noll




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Naturheilpraxis 1/2015