Phytotherapie

Gundelrebe (Glechoma hederacea)

Von der Signatur zur therapeutischen Anwendung

Margret Rupprecht

Was ist Heilung? Schlägt man diesen Begriff im Pschyrembel nach, findet man folgende Definition: „Vollständige (Restitutio ad integrum) oder nur teilweise (Defektheilung) Wiederherstellung der Gesundheit (bzw. des Ausgangszustandes) nach einer Erkrankung.“ Dabei fällt auf, dass Heilung als Endergebnis und nicht als prozesshaftes Geschehen verstanden wird. Heilung als Ziel statt Heilung als Weg. Es gibt jedoch auch eine ganz andere Betrachtungsweise.


Bei einem gesunden Menschen ist alles im Fluss und damit in einer gewissen Homöostase. Alle Organe erfüllen ihre Funktion und tun die Arbeit, für die sie geschaffen sind. Wird man krank, hört in einem bestimmten Körperbereich dieser harmonische Fluss auf: Es kommt zu Stauung, Stockung, Erstarrung. Man kann Krankheit als einen Defekt verstehen, den es zu reparieren gilt, oder als etwas ganz Natürliches.
Immerhin gibt es keinen Menschen, der nicht in seinem Leben mehrere Erkrankungen durchlebt. Also ist Krankheit „normal“. Das Schwingen des Individuums zwischen Zuständen von Krankheit und Gesundheit lässt sich vergleichen mit dem Schwingen des Jahreslaufs zwischen Winterstarre und Sommerblüte. Alles ist ein ewiges Auf und Ab und entwickelt sich auch deshalb optimal, weil es zwischen polaren Zuständen schwingen kann.

Heilung ist ein Prozess, in dem das Leben und damit das Strömen der Energie in einen erlösten Bereich zurückkehren – ähnlich wie in der Natur in jedem Jahr nach der Winterstarre die lösenden Kräfte des Frühlings auftreten und den Saft in den Pflanzen aufsteigen lassen, damit sie einer erneuten Blüte entgegengehen können. Rainer Maria Rilke hat dies so beschrieben:

Frühling ist wiedergekommen. Die Erde
ist wie ein Kind, das Gedichte weiß;
viele, o viele … Für die Beschwerde
langen Lernens bekommt sie den Preis.

Streng war ihr Lehrer. Wir mochten das Weiße
an dem Barte des alten Manns.
Nun, wie das Grüne, das Blaue heiße,
dürfen wir fragen: Sie kann´s, sie kann´s!

Erde, die frei hat, du glückliche, spiele
nun mit den Kindern. Wir wollen dich fangen,
fröhliche Erde. Dem Frohsten gelingt´s.

O, was der Lehrer sie lehrte, das Viele,
und was gedruckt steht in Wurzeln und langen
schwierigen Stämmen: Sie singt´s, sie singt´s!

Krankheit als Winterstarre, als das „Weiße an dem Barte des alten Mannes“ und als Lehrer – sie wird überwunden durch die lösenden Kräfte des kommenden Frühlings, der befähigt, ein Lied zu singen von dem, was nach der Überwindung der Starre freigesetzt wurde. Auch das ist Heilung.

Es gibt eine Heilpflanze, die im therapeutischen Einsatz über die Fähigkeit verfügt, seit langem erstarrte Prozesse mit Hilfe ihrer Lösekräfte wieder in Fluss zu bringen: Gundelrebe, Glechoma hederacea.

Loslassen als zentrales Moment der Pflanzengestalt

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Gundelrebe – Die Heilpflanze der Germanen

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Volksmedizin und Pharmakologie

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Literatur
Susanne Fischer-Rizzi: Medizin der Erde. Legenden, Mythen, Heilanwendung und Betrachtung unserer Heilpflanzen. Hugendubel Verlag, München 2000
Roger Kalbermatten: Wesen und Signatur der Heilpflanzen. Die Gestalt als Schlüssel zur Heilkraft der Pflanzen. AT Verlag, Aarau 2002
Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Band 6. Mediamed Verlag, Ravensburg 1989
Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 259. Aufl. Walter de Gruyter, Berlin 2002
Rainer Maria Rilke: Gedichte. (Die Sonette an Orpheus). Insel Verlag, Frankfurt am Main, 2002

(Abbildungen Peter Germann)

Anschrift der Verfasserin
Margret Rupprecht
Quinta Essentia
Heilpraktikerin und Medizinjournalistin
Hohensalzaer Straße 6a
81929 München

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Naturheilpraxis 1/2015