FACHFORUM

Datura stramonium

Die Macht der Dunkelheit

Klaus Binding

Eine besorgte Mutter kommt mit ihrem sechsjährigen Sohn in die Praxis. Der Junge ist seit Geburt in homöopathischer Behandlung und nicht geimpft. Der kleine Erik zeige seit einigen Wochen ein sonderbares Verhalten, berichtet die Mutter. Er schlage seinen zwei Jahre älteren Bruder scheinbar grundlos, ärgere seine kleine Schwester, zerstöre „mal eben“ Spielzeug oder schreie laut herum, wenn andere sich unterhalten wollen.


Die Mutter meint, Erik sei irgendwie ein wenig böse und hinterhältig geworden. Neuerdings redet er davon, dass es bestimmt lustig wäre, Mama zu töten. Er lacht auch dabei. Auch Gewalt gegen seine Geschwister findet er lustig. Wird er dafür zur Verantwortung gezogen, sagt er, dass er das tun müsse, weil der „Schwarze“ ihm das befehlen würde. Der „Schwarze“ würde das eigentlich machen, er selbst könne nichts dafür. Der „Schwarze“ spreche zu ihm, und einmal habe er ihn ganz kurz im Kinderzimmer auch gesehen.

Vor dem „Schwarzen“ hat er eine Riesenangst; er spielt nicht mehr allein in seinem Zimmer, und zum Schlafen muss die Nachtlampe an bleiben. Während die Mutter alles berichtet, sitzt Erik auf dem Fußboden und spielt mit Legosteinen. Vor sich hin grinsend folgt er scheinbar unbeteiligt dem Bericht der Mutter. Erik selbst sagt wenig zum Problem. Er zeigt auch sonst keine auffälligen Symptome. Er war in der Vergangenheit mit Sulfur und Calcium phosphoricum behandelt worden.

Ich schlage der Mutter ein „Verabschiedungsritual“ vor. Erik soll zu Hause in entspannter Atmosphäre den „Schwarzen“ auf ein Blatt Papier malen und ihm einen Namen geben. Dann soll dem „Schwarzen“ gesagt werden, dass er nicht mehr gebraucht werde, er dürfe gehen. Anschließend wird das Stück Papier verbrannt. Die Mutter (und auch der Vater) sind offen für das kleine Ritual; sie selbst hatte bereits beim allabendlichen Gebet mit Erik vergeblich versucht, ihn von seiner Wahnvorstellung zu befreien und die Ängste zu lösen.

Nach zwei Wochen ruft die Mutter an, um zu berichten, dass das Ritual durchgeführt worden sei, es auch eine kleine Besserung im Hinblick auf das aggressive Verhalten gegeben habe. Der „Schwarze“ sei tatsächlich verschwunden, aber der habe einen Bruder, der jetzt Erik befehle, Böses zu machen. Ich bestelle Mutter und Sohn in die Praxis und gebe Erik Stramonium C1000. Nach etwa zwei Monaten ist der Spuk vorüber, Erik wieder ein normaler Junge, der auch „schon mal Mist macht“, aber er ist wieder er selbst. Die Stimmen des „Schwarzen“ und dessen Bruder sind verstummt. Ein Nachtlämpchen zum Einschlafen möchte er aber trotzdem noch haben.

Pflanzen mit berauschender Wirkung faszinieren „magische Menschen“ und Heiler seit Jahrtausenden. Neben Bilsenkraut und Tollkirsche ist Stramonium ein klassisches Hexenkraut. Die Nachtschattengewächse (Solanaceae) tragen schon in ihrem Namen den Bezug zum Dunklen, zur Schattenseite des menschlichen Daseins. Die Seele des Stramonium-Patienten ist offen für dämonische Kräfte. Der Nachtschatten (Solanum) ist noch dunkler als die Nacht selbst, ist eine Steigerung der Nacht. Der Tagschatten gehört zum Licht, der Nachtschatten ist ein Attribut der Dunkelheit. Dämonen und das Böse werden von jeher mit Nacht und Dunkelheit assoziiert.

Dämonen sind reale Kräfte, keine individuellen Einbildungen. Es sind Kräfte, die von außerhalb der Persönlichkeit auf die menschliche Seele wirken. Die moderne Gehirnforschung versucht den Begriff Besessenheit über neue Erkenntnisse der Physiologie des Gehirns zu versachlichen. Seelische Erkrankungen werden bio-chemisch erklärt und damit der tieferen Ursachensuche beraubt. Die neuzeitliche Psychologie und Neurobiologie ist bemüht, seelische Störungen auf materiell-körperlicher Grundlage zu begründen, weil das naturwissenschaftliche Konzept den Begriff der Seele längst verloren hat.

Fallbeispiel

...

Arzneimittelbild

...

Quellen
Evangelium nach Emil Bock, Urachhaus Verlag
Georgos Vithoulkas: Essenzen homöopathischer Arzneimittel. Verlag Sylvia Faust, 1986
Süddeutsche.de 7.12.2011

Anschrift des Verfassers
Klaus Binding
Heilpraktiker
Brenneckenbrück 5a
38518 Gifhorn
E-Mail: klaus-binding@web.de

weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)


Zum Inhaltsverzeichnis

Naturheilpraxis 1/2015