FACHFORUM

Homers Skylla als Urbild von Scilla maritima

Bernd Hertling

Der erste namentlich bekannte Dichter des Abendlandes, Homer, er lebte im 8. Jahrhundert v.Chr., hat ein ähnliches Schicksal wie der unlängst (24.4.2014) seinen 350. Geburtstag (wie auch immer) feiernde Shakespeare. Beiden traut eine Riege von Wissenschaftlern nicht zu, ihr gesamtes Œuvre persönlich verfasst haben zu können, und so wird auch in der Altertumswissenschaft die These vertreten, man dürfe nicht von Homer, sondern nur von „Homeriden“ sprechen. Am besten lässt sich dieser Streit meines Erachtens mit dem bekannten Bonmot „Ob Homer gelebt hat, weiß man nicht, dass er blind war, ist sicher“ auf den Punkt bringen.


„Die Alten jedenfalls hatten eine sehr konkrete Vorstellung vom Vater aller Dichtkunst, was sich in dem in Abb. 1 gezeigten vorklassischen Portrait niederschlägt. Besichtigen lässt es sich in der Glyptothek München und zeigt den Blindentypus aus der Zeit strengen Stils (circa 490 bis 470 v.Chr.), des Übergangs von der Archaik zur klassischen Periode.
Bei Homer taucht erstmals jenes griechische Wort Kárdia auf, wie wir es ja heute noch als Wortbestandteil in Kardiologie, Tachykardie, Bradykardie, Kardiogramm usw. verwenden. Man betrachtete damals das Herz als das Zentrum der Persönlichkeit, weshalb in diesem Zusammenhang von Kardiozentrismus gesprochen wird. Das uns aus der Anatomie eher vertraute lateinische Cor verfügt über dieselbe symbolische Deutungsvielheit und bezeichnet eben nicht nur das Organ Herz. Beide Sprachen gehen über das bekannte Gefühlszentrum noch hinaus, wo mit dem Begriff Herz auch Vernunft gemeint sein kann. Selbstredend nicht als Vernunft im Sinne der intellektualistischen, rationalen, schlimmstenfalls rationellen Erkenntnis, sondern im Sinne des Vernehmens, seien es die Anrufungen des Gewissens, der inneren Stimme oder aber auch göttlicher Introjekte. Was man hier vernimmt, wird zu Herzen genommen, verinnerlicht. Und was mit dem Herzen verstanden wird, ist das, was der Engländer by heart lernt, nicht aus-wendig sondern innerst-wendig, was Bernhard von Clairvaux meint, wenn er die These aufstellt Res in tantum intellegitur in quantum amatur (Ein Gegenstand wird in dem Maße verstanden, in dem er geliebt wird), und ein weiterer Franzose, Antoine de Saint-Exupéry, es in der Bibel der Empfindsamkeit der Siebzigerjahre, dem Kleinen Prinzen, auf den Punkt bringt, wo es heißt: „Du siehst nur mit dem Herzen gut.“

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Skylla – die unvollständige Transfiguration

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Steckbrief: Scilla maritima – Meerzwiebel

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(Abbildungen vom Verfasser)

Anmerkung
1 Straße von Messina

Literatur
Bäumler, Siegfried: Heilpflanzenpraxis heute, München, 2012.
Bannert, Herbert: Homer, Reinbeck, 1979.
Hertling, Bernd: Wie aus dem Zankapfel die Einbeere wurde. Augsburg 2006
Homer: Odyssee. Übersetzung von Heinrich Voß von 1781
Karl, Josef: Phytotherapie. München 1978
Publius Ovidus Naso: Metamorphosen.
In der Übersetzung Tassilos von Scheffer, Bremen o.J.

Anschrift des Verfassers
Bernd Hertling
Heilpraktiker
Nettelkofener Straße 1
85567 Grafing

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Naturheilpraxis 11/2014