Martina Schneider
In China werden etwa 80 Prozent der Patienten Rezepturen mit Kräutern verordnet. Therapeuten der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) geben hierbei keine Einzelmittel heraus, sondern machen sich auf die Suche nach jener Kombination von Heilpflanzen, die für den jeweiligen Patienten die ideale ist. Was dies für einige typische Frühjahrserkrankungen bedeuten kann, davon möge das Folgende einen ersten Eindruck geben.
Nach dem Verständnis von TCM-Therapeuten schädigt Wind die Oberfläche insbesondere der Nase. Um diesen Schaden abzuwenden, werden Blüten des Magnolienbaums (Magnoliae flos/Xin Yi) verordnet, um das Fließen einer ständig laufenden Nase zu stoppen und damit häufig einhergehende Kopfschmerzen zu beheben. Xin Yi ist in der Temperatur warm und im Geschmack scharf-aromatisch und wirkt analgetisch, antibiotisch und antihypertensiv. Zugeordnet sind die Blüten dem Funktionskreis Lunge/Magen. Als Abkochung, Pulver oder ätherisches Öl wirkt Xin Yi auf körperlicher Ebene: Es öffnet verstopfte Nasen, beseitigt Probleme in den Nasennebenhöhlen, hilft, wieder einen Sinn für Geruch zu finden, und lindert Kopfschmerzen, indem es das Nasensekret abfließen lässt.
Magnoliae flos ist gut zu kombinieren mit der Japanischen Katzenminze (Schizonepetae herba), die ebenfalls scharf-aromatisch schmeckt und den Patienten schnell schwitzen lässt. So können Erreger über die Schleimhäute und die Haut ausgeleitet werden. Oft ein zusätzlicher Effekt: Juckreiz wird gelindert.
Diese Behandlung unterstützen TCM-Therapeuten mit weiteren Verordnungen, vor allem mit Tragantwurzel, Burzeldorn- und Spitzklettenfrüchten.
Tragantwurzel (Astragali radix/Huang Qi) ist in der Temperatur leicht warm und im Geschmack süß. Zugeordnet sind hier die Funktionskreise Lunge und Milz, sodass die Feinfühligkeit der Lungen mit der Offenheit der Milz verbunden wird. Dies führt dazu, dass der Patient eine Mitte in Zeit und Raum, eine Balance zwischen außen und innen erreichen kann und damit eine Zentriertheit.
Huang Qi wirkt immunstimulierend, blutbildend, hepatoprotektiv, antibiotisch, sedierend und analgetisch. Auf körperlicher Ebene unterstützt die Tragantwurzel das Immunsystem, fördert Eiterabfluss, heilt Wunden. Sie hilft gegen Durchfall und bei müden Beinen und Armen. In der Schwangerschaft sollte Astragali radix allerdings besser nur mit Vorsicht genossen werden.
Burzeldornfrüchte (Tribuli fructus/Ji Li) sind in der Temperatur neutral, im Geschmack bitter-scharf und wirken vor allem kardiovaskulär und diuretisch. Diesmal wird der Funktionskreis Lunge von dem der Leber unterstützt, um zur Gelassenheit und mit ihr zu Wachstum zu gelangen. Auf körperliche Ebene wirkt Ji Li gegen Kopfschmerzen und Sehstörungen, nimmt Augen Rötung, Schmerzen und Schwellung, stoppt Tränenfluss, lindert Juckreiz, nimmt Thoraxschmerzen, lässt Ekzeme abheilen. Während der Schwangerschaft sollten die Früchte nicht verordnet werden, da sie unter anderem Milchstau verursachen können. Vorsicht ist auch geboten, wenn der Patient anämisch ist.
Spitzklettenfrüchte (Xanthii fructus/Cang Er Zi) sind ebenfalls warm und bitter-scharf, zugeordnet ebenfalls den Funktionskreisen Lunge und Leber. Sie lindern bei Allergikern den Husten, lösen Schleim, öffnen die Nase, helfen gegen Kopfschmerzen, Sinusitis und Verlust des Geruchssinnes. Vorsicht: Cang Er Zi ist giftig.
Bei Asthma haben sich vor allem zwei Kräuter bewährt: die Aprikose und das Meerträubelkraut.
Samen der Aprikose (Prunus armeniaca/Xing Ren) mit dem Hauptwirkstoff Amygdalin werden verordnet, um den Schleim, der sich in den Bronchien festgesetzt hat, abzuleiten, um Atemprobleme und Infektionen zu verhindern oder zu beheben. Zudem vermögen die Samen Husten zu stillen. Cave: Da Aprikosensamen giftig sind, müssen sie vor Einnahme abgekocht werden. Generell gilt, dass Xing Ren zur Selbstmedikation nicht taugt.
Literatur
Li Wu, Jürgen Klitzner: Heiltees für Körper, Geist und Seele: 304 wirksame Rezepturen aus den traditionellen Heilkulturen Chinas und Europas, Mankau Verlag, Murnau 2014
Hans-Ulrich Hecker, Elmar Thomas Peuker u. a.: TCM Handbuch Traditionelle Chinesische Medizin: Akupunktur – Akupressur – Kräuter-Therapie – 5-Elemente-Ernährung – Moxibustion – Qigong – Tuina, Anaconda Verlag, Köln 2012
Yanping Wu: Ernährungstherapie mit chinesischen Kräutern & CD-ROM: Die chinesische Diätetik kombiniert mit Phytotherapie, Urban & Fischer Verlag/Elsevier, Hamburg 2005
Anschrift der Verfasserin
Martina Schneider
Heilpraktikerin
Seminarhaus Schlüsselblume
Am Sahrbach 3
53505 Kreuzberg/Ahr
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Naturheilpraxis 10/2014