FACHFORUM

Pestwurz

Petasites hybridus L. – Eine krampflösende Heilpflanze

Margret Rupprecht

Ihre auffallenden Laubblätter gaben ihr den Namen: Petasites leitet sich ab vom altgriechischen petasos, dem breitkrempigen Regenhut. Der botanische Name Petasites geht auf Dioskurides zurück, während der deutsche Name Pestwurz entweder eine volksetymologische Umdeutung des lateinischen ist oder sich von der Wirkung der Pflanze gegen pestartige Krankheiten ableitet


Die Pestwurz, gelegentlich auch als Großblättriger oder Falscher Huflattich bezeichnet, ist in Europa, Nord- und Westasien heimisch. In der griechisch-römischen Antike und im Mittelalter war Petasites eine beliebte und häufig eingesetzte Heilpflanze. Ein im Hallstätter Salzberg gefundenes Bündel von Pestwurzblättern weist sogar auf eine prähistorische Anwendung hin.
Die griechischen Ärzte setzten Petasites zunächst äußerlich bei Geschwüren ein. Dioskurides schreibt dazu: „Das Blatt wirkt fein gestoßen als Umschlag gegen bösartige und krebsige Geschwüre.“ Im Laufe der Jahrhunderte machte man mehr und mehr die Beobachtung, dass Petasites über ausgezeichnete diaphoretische Wirkungen verfügt, also stark schweißtreibend wirkt. Den dadurch erreichbaren entgiftenden Effekt machte man sich vor allem in der Behandlung der Pest zunutze, gegen die Petasites als eines der besten Mittel galt. Paracelsus, Leonhart Fuchs und andere Kräuterkundige des Mittelalters bezeugen die guten Wirkungen von Petasites im Einsatz gegen die gefährlichste Seuche der damaligen Zeit. Matthiolus schreibt von ihr, sie sei „wider die Pestilentz behülfflich, denn sie jagt das Gift mit Gewalt durch den Schweiß“. Lonicerus bezeichnet die Pestwurz als gutes Diaphoretikum, Diuretikum, Antiasthmatikum und Emmenagogum.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts entdeckten die damaligen Ärzte weitere Indikationen der Pflanze, z. B. ihre dem Huflattich ähnelnden Wirkungen. In den „Historischen Studien aus dem pharmakologischen Institut der Universität Dorpat“ aus dem Jahre 1889 liest man, eine ganze Zahl von Pflanzen, die dem Huflattich bzw. der Pestwurz botanisch nahestehen, würden unabhängig voneinander in den verschiedensten Ländern der Welt als Volksmittel bei Husten angewendet. Diese Indikation finde sich von Europa bis nach Westindien und China. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war man auf der Suche nach einem spezifisch wirkenden Stoff, der bei Bronchialkatarrhen wirksam sein muss. Erst die Forschungen der vergangenen Jahrzehnte lösten das Rätsel um die guten Wirkungen der Pestwurz bei Bronchitis, gerade auch bei den mit Krampfhusten einhergehenden Atemwegskatarrhen, und entdeckten zusätzliche Indikationen, die heute weit mehr als die Bronchitis im Zentrum der therapeutischen Anwendung stehen.

Intensive Wasserbeziehung

Typisch für die Pestwurz ist eine dreifache, sehr ausgeprägte Gliederung in Blütenstand, großflächige Blattbildung und mächtigen Wurzelstock, von dem horizontale Wurzelausläufer ausgehen. Schon früh im Jahr, im April und Mai, treibt die Pflanze bis zu 40 cm hohe Blütenschäfte direkt aus dem Rhizom in die Höhe, ohne den Weg über den Stängel- und Blattprozess zu gehen. Auf diesen Schäften finden sich rötlich-weiße Blütenköpfchen zu einer lockeren Traube vereinigt. Wenn sich die Frucht entwickelt hat, können sie eine Höhe von bis zu 70 cm erreichen. Erst nach der Blüte entwickeln sich die großen, breitherzförmigen Blätter, die einen Durchmesser von bis zu 60 cm erreichen können und die alten Griechen an jenen breitkrempigen Regenhut, den Petasos, erinnerten.
Die Anthroposophische Medizin weist darauf hin, dass die Lunge bei der Pneumonie dem Flüssigkeitsprinzip unterliegt. „Es besteht eine Spannung zwischen sulfurischem Blütenprozess und dem salhaften Wurzelprozess, die sich in der für Petasites typischen Krankheitssituation der ohnehin zum Physischen hinneigenden Lunge äußert: Auf der einen Seite kommt es zur Temperaturerhöhung und zum Fieber im Zusammenhang mit einer tiefsitzenden Bronchitis oder Pneumonie; andererseits greift der Astralleib nerven-sinnes-artig zu tief bis in die physische Organisation ein, was zu hartnäckigen Spasmen in den Luftwegen, aber auch im Magen- und Gallebereich führt.“ (Vogel). Verschleimung und Sekretion im Bereich der Bronchien sind Ausdruck ei ...

Literatur:
Roger Kalbermatten, Hildegard Kalbermatten: Pflanzliche Urtinkturen. Wesen und Anwendung. AT Verlag, Baden und München 2005
Heinz-Hartmut Vogel: Wege der Heilmittelfindung. Natur – Mensch – Medizin Verlags GmbH, Bad Boll 2000
Ursel Bühring: Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde. Grundlagen – Anwendung – Therapie. Sonntag Verlag, Stuttgart 2005
Theodor Dingermann, Dieter Loew: Phyto-Pharmakologie. Experimentelle und klinische Pharmakologie pflanzlicher Arzneimittel. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2003
Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch. Walter de Gruyter, Berlin 1998
Gerhard Madaus: Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, Band 9. Mediamed Verlag, Ravensburg 1989
Rudolf Fritz Weiß: Lehrbuch der Phytotherapie. Hippokrates Verlag, Stuttgart 1990
Hildebert Wagner, Markus Wiesenauer: Phytotherapie. Phytopharmaka und pflanzliche Homoeopathica. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2003
Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen und Phytopharmaka. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002

Anschrift des Verfassers:
Margret Rupprecht
Heilpraktikerin und Medizinjournalistin
Hohensalzaer Straße 6a
81929 München

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Naturheilpraxis 10/2014