Herz-Kreislauf-System

Blutdrucksenkung durch UV-Strahlung

Jens Bielenberg

UV-Strahlung ist nicht nur für die Biosynthese von Vitamin D in der Haut wichtig. Eine neue Studie aus Edinburgh belegt, dass Sonnenschein auch den Blutdruck senken kann. Der Schlüssel für dieses Phänomen scheint die Generierung von Stickoxid in der Haut durch UV-Strahlung zu sein.


Ein Wissenschaftlerteam um Richard Weller setzte 24 Probanden für 20 Minuten einer UV-A-Bestrahlung mittels einer Lampe aus. Nachfolgend sank der Blutdruck für eine Stunde um etwa 4 mm Hg. War die UV-Strahlung blockiert, so dass nur Infrarotstrahlung die Haut erreichte, blieb der Blutdruckabfall aus. Für den Effekt wird die Generierung von Stickstoffmonoxid (NO) aus speziellen Speichern in der Haut verantwortlich gemacht. Sonnenstrahlung löst Nitrat (NO3-) aus Speichern in der Haut, das zu NO umgewandelt wird. Gemessen wurden die NO-Konzentrationen indirekt durch die Bestimmung von Nitrit (NO2-) im Blut, in welches NO binnen Sekunden umgewandelt wird. Der Vitamin-D-Spiegel blieb bei den Probanden unbeeinflusst (1).

Interessanterweise variieren systolischer und diastolischer Blutdruck weltweit. Es gibt viele Hinweise dafür, dass es einen linearen Anstieg von Bluthochdruck mit zunehmendem Abstand vom Äquator gibt. Ferner scheint der Blutdruck im Winter höher als im Sommer zu sein (2). Dies wurde zunächst mit einer abnehmenden Vitamin-D-Photosynthese mit abnehmender UV-Strahlung in Verbindung gebracht. Die Photorelaxation der glatten Gefäßmuskulatur war Wellenlängen-abhängig – ansteigend mit abnehmender Wellenlänge vom sichtbaren in den UV-Bereich.

Stickstoffmonoxid (NO)

Wirkung von NO

Anfang der 1980er-Jahre konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass NO zahlreiche pharmakologische Eigenschaften hat – unter anderem einen gefäßerweiternden Effekt. Es wurde nachgewiesen, dass NO identisch ist mit den „endothelium derived relaxing factor“ (EDRF). Aufgrund seines geringen Molekulargewichts, seiner gasförmigen Natur und seiner hydrophoben Eigenschaften kann NO durch Zellmembranen diffundieren.

NO in der Haut

NO ist Bestandteil von Schweiß und wird unter anderem auf der Oberfläche der Haut durch Bakterien aus Nitrat gebildet (3). In der Haut besitzt Stickstoffmonoxid zahlreiche physiologische Funktionen. Es ist in die Wundheilung involviert, kontrolliert die Proliferation und Differenzierung der Keratinozyten, reguliert die Aktivität der Haarfollikel und ist an Entzündungs- und Immunprozessen beteiligt. Ferner hat NO Anteil an der Entwicklung von Erythemen nach UV-Bestrahlung, bei der Ödembildung und bei der Melaninbiosynthese. NO schützt vor UV-induzierter Apoptose.

NO-Biosynthese und -Abbau

Im Organismus ist die Aminosäure Arginin Präkursor für NO. Die Enzym-abhängige NO-Produktion in der Haut erfolgt durch eine von drei NO-Synthasen. Zwei dieser Enzyme haben eine konstante Aktivität, eine ist induzierbar. Die Halbwertszeit von NO ist mit 0,05–1,18 Millisekunden sehr kurz, so dass physiologische Funktionen nur im direkten Umfeld der Produktion zu erwarten sind. Neuerdings konnte jedoch nachgewiesen werden, dass NO zusätzlich bioaktive Carrier in Blut und Gewebe bilden kann, indem NO mit Sulfhydryl-Gruppen (SH) Nitrosothiole (RSNOs) bildet, welche wiederum für S-Nitrosierungen von Proteinen verantwortlich sind. Ein Großteil des endogen produzierten NO wird zu Nitrit (NO2-) und dem stabileren Nitrat (NO3-) oxidiert. 60-75 Prozent der NO-Produkte in Speichel, Plasma, Haut und Schweiß sind Nitrate, gefolgt von Nitriten. UV-Strahlung kann die Photolyse von RSNO und Nitrit, das in der menschlichen Haut ...

Anmerkung
1Grafik aus: Rösen, P. (2002). Endotheliale Dysfunktion: ein Synonym für funktionelle Atherosklerose, Journal für Kardiologie, 9 (12), 556, Abb. 2.

Literatur
(1) Sonnenlicht: UV-Strahlung senkt den Blutdruck, Pharmazeutische Zeitung 2013, 20: 37.
(2) Intersalt an international study of electrolyte excretion and blood pressure. Result of a 24 hour urinary sodium and potassium excretion. Intersalt Cooperative research group BMJ 1988, 297: 319-328.
(3) Weller R, et al. Nitric oxide is generated in the skin surface by reduction of sweat nitrate. J Invest. Dermat. 1996, 107: 327-331.
(4) Paunel AN, Dejam A, Thelen S, Kirsch M, Horstjann M, Gharini P. et al. Enzyme-independent nitric oxide formation during UVA-challenge in human skin: characterization, molecular sources, and mechanisms. Free Radic Biol Med 2005, 38: 606-615.
(5) Opländer C et al. Whole body UVA-irradiation lowers systemic blood pressure by release on nitric oxide from intracutaneous photolabile nitric oxide derivates. Circ res 2009, 105(10): 1031-40.
(6) Weller R et al. Topically applied S-Nitrosothiol-containing hydrogels as experimental and pharmacological nitric oxide donor in human skin. Br J Dermatol 2004 Nov; 151(5): 977-83.
(7) Fleck A. Latitude and ischaemic heart disease. Lancet 1989, 1: 613.
(8) Rostand SG. Ultraviolet light may contribute to geographical and racial blood pressure differences. Hypertension 1997, 30: 150-156.

Anschrift des Verfassers
Jens Bielenberg
Apotheker
Bahnhofstr. 53
25364 Westerhorn

weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)


Zum Inhaltsverzeichnis

Naturheilpraxis 8/2014