FACHFORUM

Aconitum

Kleine Arzneimittelkunde

Klaus Binding

Der Sohn der Hochwiesen, der Sturmhut, Aconitum napellus, mit seiner kräftigen Gestalt mit Stahlhelm, der Gewappnete, der in energisch geformten Blättern mächtig ausstrahlende Kräfte verrät, die im Sturme Besitz nehmen vom Organismus und ihn zwingen und überwältigen, ist ein Bild der überlegenen Giftwirkung und eine berühmte Arznei für akute Krankheitsüberrumplung geworden. So beschreibt Emil Schlegel (1852–1934) in seinem Buch „Religion der Arznei“ den Blauen Sturmhut.


Botanisches

Aconitum napellus ist ein Vertreter der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae) und häufig oberhalb der 1000-Meter-Grenze zu finden. Im Allgemeinen erreicht er eine Höhe von 0,5 bis 1,5 Metern. Die hellbraune Wurzelrübe ist der giftigste Teil der Pflanze, deren Blütezeit von Juli bis September dauert. Die Verbreitung des Sturmhuts umfasst die Alpen, Karpaten und vereinzelt andere gebirgige Teile Europas bis in den Norden nach Schweden.

Historisches

Seit dem Altertum hatten die Kräuterkundigen großen Respekt vor dieser Pflanze. 117 n.Chr. wurden von Kaiser Trajan in Rom die ersten Gesetze gegen Giftmischerei erlassen, wonach das Pflanzen des Eisenhuts in Gärten verboten war. Um 640 n.Chr. schreibt Paulos von Aegina aus Alexandria, dass Aconitum faulende und tötende Kraft habe und innerlich nicht angewandt werde. Äußerlich diente es dem „Abfaulen von Fleischteilen“.

Im Mittelalter wurden von den Herrschenden gebilligte Versuche an Verurteilten durchgeführt, um Gegengifte für den Eisenhut zu erforschen. P. Matthiolus beschreibt in seinem „Kreutterbuch“ von 1626, wie an einem zum Tode Verurteilten ein Versuch mit Aconitum durchgeführt wurde: Im Beisein der Kaiserlichen Majestät, des Fürsten und einer Reihe namhafter Doktoren wurden dem Mann, der sein Leben „mit Diebstahl verwirkt hatte“, Teile von Wurzel, Blätter und Blüten mit Zucker vermischt eingegeben. Er erhielt die Zusage, dass er vom Tode begnadigt werde, falls er den Versuch überleben würde. Der arme Mann starb nach mehreren Stunden, nachdem er zitternd von Kälteschauern und sich übergebend und einnässend zu Boden gefallen war. Das zu Beginn der ersten Symptome verabreichte Gegengift, auf dessen Wirkung die Zuschauer so gespannt waren, konnte den tödlichen Verlauf nicht abwenden. Matthiolus schließt seinen Bericht mit den Worten: „Napellus sey ein gewaltig tödlich Gifft, das sich fast mit keiner Arzney vertreiben läßt.“

Diese unmenschlichen Experimente an lebenden Menschen wurden in erster Linie veranstaltet, um für bedrohte Regierungsoberhäupter Gegenmittel im Falle eines Giftattentats zu erproben. Man hatte damals noch kein anderes Verhältnis zu dieser Pflanze als das der Angst und des Grauens.

Pharmakologisches

Für die heftige Wirkung des Sturmhuts ist das Alkaloid Aconitin verantwortlich, das mit einer Dosis von 4 bis 6 Milligramm für den Menschen tödlich ist und somit als das giftigste aller Alkaloide gesehen werden muss. Der toxikologische Wirkmechanismus des Aconitins basiert auf einer Veränderung der Durchlässigkeit der Zellwände für Natrium-Ionen. Die Repolarisation wird gestört und die Entstehung von Aktionspotentialen verhindert.

Praktisches

Die starke Giftigkeit des Sturmhuts erklärt, warum ihn die Schulmediziner allenfalls äußerlich bei Muskelschmerzen und Neuralgien anwandten. Der differenzierte therapeutische Anwendungsrahmen des Aconitums wurde erst durch die Arzneimittelprüfung am gesunden Menschen und durch die Potenzierung erschlossen. Im Jahre 1762 erschien unter dem Titel „Libelhus, quo demonstratur Strammonium, Hyoscyamos, Aconitum“ der erste Bericht über eine Arzneiprüfung. Er stammt von Anton Störck, Professor und Hofmedicus am österreichischen Hof, der schon vor Hahnemann Prüfungen am Gesunden machte und auch schon teilweise nach dem Similegesetz verordnete.

Eine systematische Prüfung machte dann Hahnemann mit seinen Schülern. Hahnemann führt in seiner Arzneimittellehre 541 Symptome auf, von denen 431 von ihm und seinen Mitprüfern aufgezeichnet wurden. Er spricht vom Sturmhut als „höchst schätzbare“ Pflanze, deren Wirkung bei entsprechendem Krank- ...

Literatur
Christian Simonis: Heilpflanzen und Mysterienpflanzen. Novalis Verlag 1983
Julius Mezger: Gesichtete Arzneimittellehre. Haug Verlag, 8. Auflage
Georgos Vithoulkas: Materia medica viva. Urban & Fischer 2009
Boericke: Homöopathische Mittel und ihre Wirkungen. Verlag Grundlagen und Praxis 1992

Anschrift des Verfassers
Klaus Binding
Heilpraktiker
Brenneckenbrück 5a
38518 Gifhorn
E-Mail: klaus-binding@web.de

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Naturheilpraxis 8/2014