FACHFORUM

Erschöpfung des Nervensystems

Naturheilkundliche Therapie mit Komplexhomöopathika

Claudia Sinclair

In diesem Beitrag gehe ich kurz auf allgemeine Zusammenhänge der nervlichen Erschöpfung ein und zeige visuelle und augendiagnostische Merkmale. Danach stelle ich allgemeine Therapieverfahren vor, gehe dann ausführlich auf Komplexmittel ein und beziehe mich besonders auf die darin enthaltenen tierischen Homöopathika. Diese Mittel finden in der täglichen Praxis ein weites Einsatzgebiet und helfen unseren Patienten in der eigenen Regulation und Reizantwort zu bleiben.


Das Leben in den hochindustrialisierten Ländern ist in Bezug auf die Gesundheit durch zunehmende Ambivalenzen gekennzeichnet. Einer besseren medizinischen Versorgung stehen wachsende gesundheitliche Belastungen gegenüber. In Bezug auf das Nervensystem sind das z.B. die schnelleren Zeitrhythmen in einer globalisierten Wirtschaft, wachsende berufliche Anforderungen sowie die zunehmende Flut an Informationen in einer digitalen (always online) Gesellschaft. Die subjektiv verfügbare Zeit des Einzelnen hat dabei vielfach abgenommen. Das beansprucht unser Nervensystem auf komplexe und kaum überschaubare Weise. Insbesondere die Augen und die Bildverarbeitung im Gehirn werden sich epigenetisch damit möglicherweise dauerhaft verändern. Das sich noch entwickelnde Gehirn von Kindern und Jugendlichen ist davon besonders betroffen. Eine häufig auftretende Folge dieser Entwicklungen ist die Nervosität. Wir unterscheiden:

A) Konstitutionelle Nervosität – Neuropathie. Sie beschreibt eine angeborene Übererregbarkeit mit Neigung zur vegetativen Dystonie und neuronaler Fehlsteuerung innerer Organe, die mit vasomotorischer Übererregbarkeit, Herz- und Gefäßneurosen, funktionellen Magen-Darm-, Blasen-, Genital-, Drüsen- und Stoffwechsel-, Schlaf- und psychischen Störungen sowie mit motorischer Unruhe und einer Neigung zu allergischen Reaktionen einhergeht.

B) Erworbene Nervosität – Neurasthenie. Sie beschreibt eine Erschöpfung infolge von seelischen oder körperlichen Überlastungen. Sie kann auch nach schweren Erkrankungen oder chronischen Vergiftungen auftreten. Die Symptome ähneln der konstitutionellen Nervosität und schwinden nach Schonung und Ruhe („Haste nie, dann hast du nie Neurasthenie“).

Im Folgenden gehe ich zunächst kurz auf die visuelle Diagnostik und auf die Augendiagnostik ein.

Visuelle Diagnostik

In der Naturheilkunde ist die Typenlehre ein wichtiges diagnostisches Kriterium. Carl Huter hat entsprechend den Keimblättern drei primäre Naturelle unterschieden. Er hat den zur Neuropathie und Neurasthenie neigenden Typ als Empfindungsnaturell beschrieben. Dabei geht der Hauptentwicklungsimpuls vom ektodermalen Keimblatt aus. Das induziert die weitere Entwicklung des Nervensystems und der Haut. Der Typus ist hochgewachsen, schmal und feingliedrig gebaut, mit blasser zarter Haut, breiter Oberstirn, großen, glänzenden Augen und offener Lidspalte, langen Wimpern und langen schmalen Extremitäten. Es verfügt über eine starke Lebhaftigkeit und Wahrnehmungsfähigkeit, die dem Psychischen, Innerweltlichen und Geistig-Literarischen zugewandt ist. Ideenreichtum und Einfühlungsvermögen können neue kreative Impulse hervorbringen. Die starke Wahrnehmungsfähigkeit und daraus entstehende Informationsflut kann zur Belastung werden. Bei Überforderung kann sich Schlaflosigkeit und dadurch bedingte Nervosität einstellen. Das können wir an halonierten und blassen Unterlidern, Einsinken der Augen in die Augenhöhle und Zittrigkeit der Augenlider, Zunge und Extremitäten sehen. Das Ausfallen der Augenbrauen1 und Wimpern ist ein manifest pathologischer Zustand, der einer Überprüfung des Endokrinums bedarf.

Augendiagnose

In der Augendiagnose entspricht der lymphatisch-neurogene und der laviert tetanische Typ dem Empfindungsnaturell. Kommt eine Rötung des Pupillensaums (Asthenikerring) hinzu, dann verstärkt sich die neurasthenische Neigung. Weitere Zeichen an der Pupille, wie frontale Abflachungen oder Ausstülpungen des Pupillensaums (Neurolappen), weisen auf mögliche psychische Erkrankungen hin. Die Pupillengröße (Mydriasis, Miosis) erlaubt uns Aussagen über die vegetative Dynamik zu machen. Struktur und Pigmentzeichen im frontalen Sektor ...



Anmerkungen
1 Unter Hertoghe-Zeichen versteht man ein Fehlen bzw. eine Lichtung der seitlichen Partie der Augenbrauen, was gehäuft bei atopischer Dermatitis, chronischer Hypophysenvorderlappeninsuffizienz oder Hypothyreose auftreten kann.
2 Medizinische Verwendung findet die Kaffeekohle unter anderem bei Durchfallerkrankungen. Kaffeekohle entsteht, indem die Bohnen fast bis zur vollständigen Verkohlung weitergeröstet werden. Ihre entgiftende Wirkung ist auch als Kaffee-Einlauf bekannt.
3 Tierexperimentelle Studien mit Extrakten aus Passiflora incarnata ergaben Hinweise auf sedierende und anxiolytische Wirkungen. In-vitro-Untersuchungen konnten inzwischen die Wirksamkeit des Passionsblumenextrakts am GABA-Rezeptor bestätigen. Der Passionsblumentrockenextrakt hemmt die Wiederaufnahme des Neurotransmitters GABA (Gamma-Amino-Buttersäure) in die Synaptosomen. GABA-B-Modulatoren sind als Anxiolytika beschrieben worden. Außerdem wirken sie sich unterstützend bei der Suchtentwöhnung aus. Eine eindeutig für die pharmakologische Wirksamkeit verantwortliche Substanz wurde bislang nicht identifiziert. Auch eine krampflösende Wirkung von Pflanzenextrakten konnte bei Mäusen gezeigt werden. Eine positive Wirkung im Hinblick auf Vorbeugung gegen Arteriosklerose und cardioprotektive Effekte wird ebenfalls beschrieben und mit der antiradikalischen Eigenschaft der enthaltenen Flavonoide begründet.
4 Eine in San Diego vorgestellte Studie deutet darauf hin, dass Kinder, die täglich ausreichend Zink erhalten, eine deutliche Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit erfahren.

Literatur
Hafer: http://de.wikipedia.org/wiki/Saat-Hafer
Coffea arabica: http://de.wikipedia.org/wiki/Arabica-Kaffee
Zink: http://de.wikipedia.org/wiki/Zink
Castrian, Wilma: Lehrbuch der Psycho-Physiognomik. Haug Verlag 2002
ESCOP: scientific foundation for herbal medical products. Thieme Verlag 2003
Kattwiga: Therapeutisches Handbuch – Homöopathische Arzneimittel. 27. Auflage 2012
Lack, H.W., Grotz, K.: Kaffee ein globaler Erfolg. Botanisches Museum Berlin 2013
Lindemann, Günther: Augendiagnostik Lehrbuch. Pflaum Verlag 1992
Markgraf, Anton: Visuelle Diagnostik. Band 6, Energetik Verlag 1991
Rademacher, Johann Gottfried: Erfahrungsheillehre, Band 1, Scriba Verlag 1983
Stübler, Martin; Krug, Erich: Leesers Lehrbuch der Homöopathie. Band 3: Pflanzliche Arzneistoffe 1, Band 2: Mineralische Arzneistoffe, Haug Verlag 1988
Wiesenauer, Marcus; Elies, Michael: Praxis der Homöopathie. Hippokrates Verlag 2004

Anschrift der Verfasserin
Claudia Sinclair
Heilpraktikerin
Gesslerstraße 2
10829 Berlin

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Naturheilpraxis 7/2014