Klassische Homöopathie

Homöopathie bei neuralgischer Schulteramyotrophie

Maria Schuller

Ein Fallbeispiel aus der Praxis der Autorin zeigt die homöopathische Behandlung einer Patientin, die an einer neuralgischen Schulteramyotrophie erkrankt war. Bei der Arzneimittelwahl werden miasmatische Überlegungen mit einbezogen. Vorab wird auf Klinik, Prognose und Therapiemöglichkeiten eingegangen.


Pathologie der neuralgischen Schulteramyotrophie

Die neuralgische Schulteramyotrophie wurde erstmals 1948 von Pasonage und Turner beschrieben und wird deshalb auch Pasonage-Turner-Syndrom genannt. Es handelt sich um eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der das Arm-Nervengeflecht (Plexus brachialis) betroffen ist. Die Ursachen sind unklar, eventuell handelt es sich um Autoimmunprozesse. Unterschieden werden eine sporadische und eine autosomal dominant vererbte Form, die hereditäre neuralgische Amyotrophie (HNA).

Die Symptomatik beginnt üblicherweise mit heftigen reißenden Schmerzen im Schulter- und Oberarmbereich über einige Tage bis Wochen, rasch gefolgt von ausgeprägten Lähmungen und Atrophien der Schulter- und Oberarmmuskulatur. Prädilektionsstellen sind der Musculus deltoideus, aber auch die Musculi supraspinatus, infraspinatus, serratus anterior und trapezius, teilweise auch der Bizeps oder das Zwerchfell. Meist erkrankt die rechte Seite. Die denervierte Muskulatur atrophiert schnell, in einigen Fällen kommt es zu geringen Sensibilitätsstörungen. Das Heben des Arms ist kaum mehr möglich.

Die Erholung verläuft recht unterschiedlich. Die Symptomatik bildet sich bei den meisten Patienten spontan relativ gut zurück, dennoch leiden zwei Drittel der Patienten noch nach drei Jahren unter Paresen und Schmerzen. Bei der sporadischen Form kommt es bei 25% zu Rezidiven, bei der hereditären Form bei bis zu 75%1.

Eine spezifische schulmedizinische Therapie existiert nicht. Schulmedizinisch wird anfänglich eine Schmerztherapie eingeleitet. Die Wirkung von Immunsuppressiva ist umstritten. Um eine Einsteifung der Schulter durch Kapselschrumpfung zu verhindern, ist die physikalische Therapie bedeutsam2.

Erstanamnese

Spontanbericht

Die 32 Jahre alte Frau S. kam im August 1996 zu mir in die Praxis und berichtete, dass sie an neuralgischer Schulteramyotrophie rechts und einem Karpaltunnelsyndrom links leide. 15 Monate zuvor sei sie mit stechenden Schmerzen im rechten Oberarm erwacht, wofür sie vom Arzt Schmerzmittel erhalten habe. Die Schmerzen hätten nach zehn Tagen nachgelassen und an deren Stelle sei Taubheit und Schwäche des rechten Oberarms aufgetreten, besonders beim Heben des Arms. Damals sei sie im sechsten Monat schwanger gewesen. Mit Krankengymnastik und Reizstrom habe die Kraft im Arm etwas verbessert werden können. Aber seit sechs Monaten (die Entbindung sei ohne Probleme verlaufen) sei es wieder ganz schlimm: starke stechende Schmerzen, die zwar durch Schmerzmittel nachließen, aber es sei eine völlige Kraftlosigkeit und Taubheit im rechten Oberarm und der rechten Schulter trotz intensiver krankengymnastischer Therapie geblieben. Diesmal zeigten die Paresen keinerlei Rückbildungstendenz. Der Arm sei derzeit nicht steif, doch sie könne ihn überhaupt nicht heben. Die Muskulatur sei stark zurückgegangen. Sie habe viele homöopathische Komplexmittel eingenommen, aber ohne Effekt.

Bereits vor drei Jahren sei sie mit einem steifen Nacken und dem Gefühl erwacht, als könne sie den Kopf nicht halten, was sich mit dem Tragen einer Halskrause gebessert habe.

Häufig schliefen die ersten drei Finger links ein, teilweise erwache sie nachts davon. Sie seien richtig gefühllos und taub, vor allem wenn sie die Hand nach oben überstrecke.

Befunde

Komplette Parese des M. deltoideus rechts sowie des M. supraspinatus und M. infraspinatus rechts durch Parese des Nervus axillaris und N. suprascapularis rechts.
Eine Ursache konnte nicht ermittelt werden, an der HWS nur geringe Abnutzungserscheinungen.
Karpaltunnelsyndrom links.

Familienanamnese

Mutter: Vakzinose3 (= Impfkrankheit), Keuchhusten, Windpocken, Scharlach, Nierenbeckenentzündung, Brustknoten, Gürtelrose, Ovarialzyste, Rektumkarzinom. ...

Anmerkung
* Die beiden mit dem Buchstaben „a“ gekennzeichneten Rubriken werden zusammengezogen und damit bei der Auswertung lediglich wie eine Rubrik gewertet.

Literatur
1 Sommer, Claudia: Differenzialdiagnose und Verlauf der Neuralgische Amyotrophie (22.9.2010) http://registration.akm.ch/dgn2010/index.php?XNABSTRACT_ID=109678&XNSPRACHE_ID=1&XNKONGRESS_ID=122&XNMASKEN_ID=900 (Abruf am 27.2.2014).
2 Wikipedia: Neuralgische Schulteramyotrophie. http://de.wikipedia.org/wiki/Neuralgische_Schulteramyotrophie (Abruf am 27.2.2014).
3 Schuller, Maria: Lehrbuch der miasmatischen Homöopathik. Grundlagen und Praxis 2013. S. 310 ff.
4 Ebd. S. 384 ff.
5 Hahnemann, Samuel: Die chronischen Krankheiten, ihre eigentümliche Natur und homöopathische Heilung. 5. Nachdruck 1991, Haug-Verlag.
6 Schroyens, F.: Synthesis Treasure, Edition D, Radar 10.5.003.

Dies ist ein Gastbeitrag in den „Blättern für klassische Homöopathie“. Maria Schuller ist als Akademieleiterin und Dozentin der Clemens von Bönninghausen-Akademie tätig und hat das „Lehrbuch der miasmatischen Homöopathik“ geschrieben.

Anschrift der Verfasserin
Maria Schuller
Heilpraktikerin, Klassische Homöopathin
Hauptstraße 1, 82229 Hechendorf
Tel. (08152) 79330
E-Mail: info@maria-schuller.de
www.maria-schuller.de

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Naturheilpraxis 6/2014