FACHFORUM

Zeus hat Kopfweh!

Bernd Hertling

Ares, der unumschränkte Herr über den Krieg, wirkte irgendwie mitgenommen. Er kam gerade von einer Audienz beim Allerhöchsten, und was er dort vorgefunden hatte, ließ ihn nichts Gutes hoffen für die kommende Zeit. Der Chef war not amused, nein, ganz im Gegenteil. Übelste Laune verbreitend hatte er sich auf dem Gipfel des Olymps in dichteste und finsterste Wolkenschwaden eingenebelt.


Warum sollen jetzt die verfluchten Lapithen nicht in einen Krieg mit den Kentauren verwickelt werden?“, schimpfte der Eisengerüstete in Richtung seiner geifernden Hunde Phobos und Deimos. „Furcht“ und „Schrecken“, bessere Namen waren ihm nicht eingefallen für die beiden, aber in Anbetracht ihrer nicht unbeträchtlichen Fänge und blutunterlaufenen Augen, ihres ehernen Gebells und bergumstürzenden Geheules, gab es schlichtweg nichts Passenderes. „Nur wegen so einem bisschen Kopfweh so eine Laune“, schüttelte er die wildschwarzen Locken.

Gerade kam Hephaistos, eine wohlgeschliffene Doppelaxt über der Schulter, des Weges. Dieser konnte den Krieger eigentlich nicht wirklich leiden, aus gutem Grund, schließlich hatte der ihm vormals Hörner aufgesetzt und mit seinem Eheweib, Aphrodite, Herrin der Liebe und des Krieges (mitunter soll es hier ja durchaus Überschneidungen geben), die wohlgestalte Harmonia in die Welt gesetzt. Als ob es dazu unbedingt dieses in Hephaistos’ Augen hirnrissigen Polterers bedurft hätte. Aber nun galt es die Zähne zusammenzubeißen und sich ein vor falscher Höflichkeit triefendes Lächeln abzuringen.

„Hast du auch einen Termin bei ihm?“ Ares wies mit nach hinten gebogenem Daumen in Richtung Gipfel des Götterberges, wo im Gedünst optisch gedämpfte Blitze aufzuckten. Statt einer Antwort schüttelte Hephaistos nur verzagt den Kopf. „Umso besser“, Ares dämpfte die raue Stimme, was sich in etwa wie das orgelnde Grollen eines verschleimten Höhlenbären mit Polypen anhörte, „ich fürchte nämlich, Kollege Dionysos hat ihn gestern Abend ordentlich abgefüllt, um ihm einen größeren Anteil der Opfer vonseiten der Kentauren aus den Rippen zu leiern.“

„Der auch noch“, jammerte der Gott für Schmiede- und Handwerkskunst, „wenn der wieder bei ihm war, hab ich überhaupt keine Chance mehr auf irgendwelche Opferquoten!“ Von oben, vom Gipfel her, dröhnte der Donner und erneut zerrissen Blitze die Wolkenhülle und gaben kurz den Blick frei auf ein wohlbekanntes, wohlgestaltes, von dichtem Haupt- und Barthaar umwehtes Haupt. Zeus’ Gesicht allerdings wurde gegenwärtig von blutleeren Lippen unter blassen Wangen und blau umrandeten Augenhöhlen dominiert. Aller Schwäche zum Trotz reichte der Sehstrahl seines Feuerauges jedoch gerade noch so weit, den hinkenden Handwerksmeister zu erfassen.

„Einmischung in die inneren Angelegenheiten“

Auch mit Zeus stand Hephaistos nicht unbedingt in bestem Einvernehmen. Gerade er, der dem Vater oder eben Nicht-Vater am meisten verhasste, hatte allen Grund, den Blitzeschleuderer zu meiden, denn übel hatte der es ihm entgolten, dass er ihm im Augenblick der existenziellen Gefahr – die Titanen stürmten den Olymp, die jungen Götter zu vernichten – das unerschöpfliche Blitzbündel kreiert hatte. Denn kaum hatte der Stiefvater diese wilden Horden besiegt, geriet er aufgrund einer nicht mehr bekannten Lappalie in einen handfesten Ehekrach mit Hera, der geschwisterlichen Gemahlin. Handfest in des Wortes wahrster Bedeutung, dergestalt sich Hephaistos schützend vor die Mutter gestellt hatte, um sie dem Zugriff ihres wutentbrannten Gatten ...

Anschrift des Verfassers
Bernd Hertling
Heilpraktiker
Nettelkofener Straße 1
85567 Grafing

weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)


Zum Inhaltsverzeichnis

Naturheilpraxis 6/2014