FACHFORUM

Psycho-vegetative Phänomene im Aderlass-Blut

Eva Bartsch

Friedrich Hoffmann schreibt 1695 in der „Fundamenta medicinae“: „Ungezügelte Gefühle stören die Mischung aus dem Blut und den Hauptsäften des Körpers, führen zu einer unausgeglichenen Gemütsverfassung, Hindernissen und Missverhältnissen und können so Krankheiten hervorrufen. Kein Umstand verkürzt das Leben bzw. verstärkt das Leiden mehr als verzerrte Gefühle.“


Die Aderlass-Blut-Diagnose illustriert diese frühe Aussage zur Psychosomatik und ist zugleich ein Lehrstück über die Funktionsweise des menschlichen Organismus. Emotionale Belastungen und starke Affekte hinterlassen deutliche Spuren im Blut und weisen gleichzeitig auf die physiologischen Konsequenzen hin. Damit enthält das Blut-Bild aus dem Aderlass aber auch entscheidende Hinweise für eine erfolgreiche Therapie sowohl auf der somatischen als auch auf der psychischen Ebene und unterstützt darüber hinaus in seiner Anschaulichkeit die Bereitschaft der Patienten, sich dem Prozess der Behandlung anzuvertrauen.

Wenn wir von ungezügelten Gefühlen sprechen, meinen wir keine Grundstimmungen, die unsere Persönlichkeit ausmachen, sondern Affekte, die uns überwältigen. Im Aderlass-Blut-Bild finden wir neben den Hinweisen auf das dominierende Temperament auch Spuren jener Angreifbarkeit und Verletzlichkeit, die aus dem Gleichgewicht bringen kann.

Das affektiv verzerrte Gefühl begegnet uns im Phänomen der Weißgalle. Die Schwarzgalle des Melancholikers oder das Phlegma des Phlegmatikers bilden sich dagegen langfristig aus. Zeigt sich Weißgalle im Blut, ist ein Wutanfall vorausgegangen. Das zugrunde liegende Temperament, das diesen Affekt im Sinne einer „ohnmächtigen Wut“ begünstigt, ist tendenziell ein sanguinisches mit der Neigung zu Trockenheit.

Was im Blut-Bild als „Trockenheit“ erscheint, lässt sich auf einen Mangel an Verdauungssäften zurückführen. Will man es präzise vom melancholischen Temperament unterscheiden, so ergibt sich im Unterschied zur Entgiftungsschwäche des Melancholikers eine Verarbeitungsschwäche. Dies erklärt auch die kurzfristige, affektive Überforderung, die sich in einem Wutausbruch entlädt, während der Melancholiker auf die langsam ansteigende Stoffwechselbelastung mit langsam zunehmendem Leiden reagiert.

Die Bezeichnung dieses Phänomens als „cholerisch“ weist auf das Aggressionsorgan Galle hin. Und tatsächlich ergibt sich aus der Anamnese – wenn nicht das vollständige Fehlen des Speicherorgans – eine Gallenproblematik. Mit der bloßen Unterstützung des Galleflusses ist es allerdings nicht getan. Die Erfahrung in der Praxis lehrt, dass die Ursachen für dieses Phänomen viel tiefer liegen.

Dieses im Frühjahr gewonnene Aderlass-Blut zeigt eine beeindruckende Dynamik. Es scheint sich wie eine gewaltige Welle aufzutürmen, die einerseits von großer Kraft zeugt, andererseits eine zur Entladung drängende Überspannung in sich trägt.

Betrachtet man das Blut in seinen verschiedenen Farbausprägungen, so lässt sich sowohl ein ausgeprägtes Schwarzgalle- als auch ein Weißgalle-Phänomen erkennen. Physiologisch treffen hier Ausleitungs- und Verarbeitungsschwäche aufeinander. Dies ist im Übergang vom verlangsamten Winterstoffwechsel zur Aktivität des Frühjahrs nicht ungewöhn- ...

Anschrift der Verfasserin
Dr. phil. Eva Bartsch
Praxis für Naturheilverfahren
Nelkenweg 26
45731 Waltrop
Tel. (02309) 561054
www.naturheilverfahren-und-hypnose.de

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Naturheilpraxis 6/2014