SPEZIAL

Mongolei – im Land der zornigen Winde

Resümee einer Studienreise

Peter Germann

Als in der Frühe früherer Zeiten, noch vor allen Zeiten, noch ehe der Altai sich verfestigte, noch ehe die Gebirgsrücken mit wolfsschwanzdichten Gräsern und die Täler mit fuchsschwanzlangen Sträuchern bewachsen waren, muss es wohl geschehen sein …Und als dann auf den Südhängen der Berge Bäume wuchsen, schwarz wie Quellwasser, und auf den Nordhängen der Gipfel Schnee liegen blieb und sich zu Eis verhärtete … in so einer Zeit war es … da begann also der erste Tag im Altai … (Mongolischer Epengesang)


Wer es im Urlaub wie zu Hause haben möchte, sollte eigentlich gar nicht verreisen. Dieses Sprichwort trifft für ein Land wie die Mongolei in allen Facetten zu. In diesem Sinne ist es „unbarmherzig“– es lässt keine Fluchtmöglichkeiten oder Ausflüchte zu. Das Land konfrontiert ungeschminkt mit dem reinen Leben, mit der stets mitschwingenden Geisterwelt, mit dem Dasein in seiner ganzen Vielfalt. Alles ist miteinander verwoben, und zwar nicht nur in der Theorie, sondern in der Lebensrealität. Wichtig und unwichtig liegen unverschleiert da, und schon in kürzester Zeit hat man sich darauf einzulassen – oder man scheitert. Eine Mitreisende sagte: Das Land stellt hohe Ansprüche an Mensch und Material. Letzteres galt auch für unsere V8-Landcruiser!

Leben und Tod sind nicht Endpunkte einer Strecke, sondern in einer ständigen Verwobenheit. Die aufgehende Sonne hat etwas vom Schöpfungsakt selbst und die beginnende Nacht in dreitausend Metern Höhe lässt den Verdacht aufkommen, dass kein Tag mehr folgen wird. In der Steppe liegen überall ausgebleichte Knochen. Unsere Fahrer schlachten hinter dem Jeep ein von den Nomaden gekauftes Schaf, wobei vor dem Auto musiziert wird. Man spürt ständig die hinter dem Sichtbaren und Unsichtbaren stehende Kraft, die waltet und sich offenbart. Eine Redensart der Tuwa-Nomaden besagt: Nachdem du keine Angst hattest, geboren zu werden, willst du nun Angst vor dem Tod haben?

Das Land macht die Leute, und in der Mongolei ist die Natur immer noch stark, sie lenkt und bestimmt vor allem anderen. Die Ethnologin Amélie Schenk schreibt: Es ist rau, hart und oft grausam, da die Natur immer überlegen und gewaltig und der Mensch klein ist, die Natur nie Mitleid hat, sondern wahr, ernst und streng ist und so immer recht behält … So verdecken kein Schein, kein falscher Glanz, kein Filter oder sonstige Hüllen das Leben, wie es ist.

Ein Phytaro-Projekt

Im Herbst 2012 reifte der Gedanke von Dozenten und Teilnehmern der Ethnomedizinausbildung der Phytaro Heilpflanzenschule Dortmund, sich mit archaischen, ursprünglichen und unverfälschten Konfrontationen archetypischer Behandlungsrichtungen an Ort und Stelle auseinanderzusetzen, dort, wo sie immer noch lebendig sind. Es sind Methoden, die schon zur Zeit von Jägern und Sammlern angewendet wurden, sich natürlich im Laufe der Zeit je nach ethnischer Ausrichtung mit den Erfahrungen der Jahrtausende komplettiert haben, aber von ihrer Wildheit und Ungezähmtheit immer noch viel beibehalten haben. Beinahe sofort war die Mongolei als Zielland im Gespräch. Lebendiger Schamanismus im tatsächlichen Sinne, endlose Weiten, im Hoch-Altai Berge über viertausend Meter, viele Klima- und Vegetationszonen mit einer schier unermesslichen Flora, Wüsten und riesige, meerartige Gebirgsseen machten dieses dünn besiedelte Land besonders attraktiv. Die tiefste Stelle des Landes liegt bei fünfhundert Metern und die Hauptstadt Ulaanbaatar, in der beinahe die Hälfte der Gesamtbevölkerung lebt, hat eine Jahresdurchschnittstemperatur von minus vier Grad. Lange Winter und kurze Sommer bestimmen das Land sowie endlose, windreiche Steppen und eine Vorgeschichte, welche fast alle eurasischen Kulturen mitprägten. Sehr schnell wurde aus dem reinen Phantasieren eine konkrete Reise, welche dann für uns von Kia Ora organisiert wurde. Meine Frau Gudrun übernahm die Verbindungen zwischen den Interessierten und den Planern hier und vor Ort. Natürlich war die Teilnehmerfluktuation groß. Die erste Begeisterung wich bei vielen, als klar wurde, dass das Projekt tatsächlich stattfinden würde. Am Ende blieben sechs Personen übrig, die fast den ganzen August 2013 in der Mongolei verbrachten.

Der Reiseverlauf

Die Mongolei hat die fünffache Größe Deutschlands mit zweieinhalb Millionen Einwohnern. Straßen zwischen den Städten gibt es nicht, alles läuft über Pisten oder einfach durch die Steppe. Es war immer wieder erstaunlich, wie die Fahrer

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Literatur
Michael Walter; Peter Woeste: Reise-Handbuch Mongolei, Dumont, Ostfildern 2013
J. Sergelenkhuu; B. Oyuntsetseg: Flowers of Hustai National Park, Ulaanbaatar 2008
Sharav Bold: History and Development of Traditional Mongolian Medicin, Ulaanbaatar 2009
O. Purev; G. Purvee: Mongolian Shamanism, Ulaanbaatar 2012
Amélie Schenk: Gesang des Himmels, O.W. Barth, Frankfurt 2006
Sven Hedin: Reisen mit Sven Hedin, Brockhaus, Wiesbaden 1967
Gotovin Akim Hatagin: The Dog of Heaven, Ulaanbaatar 2008
Sympathie Magazin: Mongolei verstehen, Nr. 46 Studienkreis für Tourismus und Entwicklung, Gotteswinter, München 2006
Mongolian Airlines: Inflight magazine 2/2013

Anschrift des Verfassers
Peter Germann
Gesundheitshaus Viriditas / Phytaro, Heilpflanzenschule Dortmund
Im Karrenberg 56
44329 Dortmund
www.phytaro.de

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Naturheilpraxis 5/2014