FACHFORUM

Hyperthermie

Möglichkeiten der Selbstbehandlung in Eigenverantwortung

Peter Gsinn

Die Medizin kann auf den verschiedenen Ebenen sehr viel bewirken. Man muss sich aber immer klarmachen: Heilen kann sich der Körper nur selbst. Dabei spielt die körpereigene Abwehr, das Immunsystem, die entscheidende Rolle.


In unserer Gesellschaft hat sich durch die Auffassung und Vorgehensweise der heutigen Medizin die Meinung etabliert, dass Fieber eine Krankheit sei und bekämpft werden muss. In Wirklichkeit ist erhöhte Temperatur nur ein Zeichen, dass der Körper sich in einem „Abwehrkampf“ befindet. Unterbinden wir die erhöhte Temperatur bei jedem banalen Infekt, können wir die Grundlage für chronische, allergische und schwerwiegendere Erkrankungen legen.

Auch in der akuten Situation bringt die Fiebersenkung Nachteile mit sich: So weiß man inzwischen, dass Fiebersenker die Immunantwort bei Rhinovirus-Infektionen reduzieren und die nasalen Symptome verstärken können1. Bei einer Influenza A können Fiebersenker die Erkrankungsdauer verlängern2. Verbleiben die Grippeviren damit länger im Körper, während sich der Patient durch das unterdrückte Fieber fitter fühlt, könnte das die Ansteckungs- und damit auch die Todesrate bei einer Grippewelle hoch treiben, so das Ergebnis jüngster Berechnungen3.

Heute ist zu beobachten, dass Mütter, deren Kinder leichtes Fieber haben, sofort zum Arzt gehen. Normal sollte doch sein, dass die Temperatur zuerst z.B. mit Wadenwickeln gesenkt wird, und sofern dies nicht ausreicht, müssen entsprechende Medikamente eingesetzt werden. In jedem Fall muss aber die körpereigene Abwehr mit berücksichtigt werden.

Fragt man heute Patienten verschiedenster Altersgruppen, wann sie zum letzten Mal Fieber hatten, lautet in der Regel die Antwort, dass es schon sehr lange her sei und man sich daran kaum mehr erinnern könne. Oft ist zu hören, dass die Menschen bei starker Anstrengung oder auch in der Sauna gut schwitzen können, was allerdings mit einer Hyperthermie nichts zu tun hat. Bei größeren körperlichen Belastungen schwitzt der Körper. Durch die damit entstandene Verdunstungskälte hält der Organismus die eigene Temperatur stabil.

Unter Hyperthermie ist zu verstehen, dass die körpereigene Temperatur „künstlich“ aufgeheizt wird. Fieber entsteht ja normalerweise, wenn z.B. Krankheitserreger der verschiedensten Arten in den Körper eindringen Dabei werden Leukozyten stark vermehrt und ins Blut ausgeschüttet (Phagozytose), um einen Abwehrkampf aufzunehmen. Daher ist es wichtig, dass die Hyperthermie möglichst schnell eingesetzt wird, bereits dann, wenn die ersten Anzeichen einer Erkältung zu spüren sind und die Erreger sich noch nicht stark vermehrt haben. Reagiert man sehr schnell mit künstlichem Fieber, bevor die Krankheit sich entwickelt hat, sind die Beschwerden am nächsten Tag leichter oder ganz verschwunden, die Krankheit kommt gar nicht richtig zum Ausbruch.

Nur bei erhöhter Temperatur, also bei Fieber oder auch künstlichem Fieber, werden große Mengen an Leukozyten ausgeschüttet. Dabei ist der Organismus in der Lage, die Erreger anzugreifen und zu vernichten, um wieder in einen gesunden Zustand zurückzukehren.

Wird das normale Fieber, wie eingangs beschrieben, unterdrückt, dauert der Abwehrkampf länger, der Körper wird anfälliger für Krankheiten aller Art.

Die Hyperthermie soll in den Übergangszeiten des Jahres – im Herbst und im Frühjahr – eingesetzt werden, das gibt einen guten Schutz gegen die in dieser Zeit häufig auftretenden Infektionskrankheiten. Auch zwischendurch ist ein „thermisches Training“ sinnvoll, um das Immunsystem und die Abwehrfunktionen „auf Trab“ zu halten, was sogar eine gewisse Schutzfunktion auch gegen weitergehende Erkrankungen darstellt.

Damit bei der Hyperthermie für den Patienten keine Überforderung eintritt, muss das künstliche Fieber dem individuellen Zustand des Patienten angepasst werden.
Wichtig für den Erfolg beim Einsatz von künstlichem Fieber ist, dass der Ablauf richtig vorbereitet und durchgeführt wird. Der Organismus muss in den meisten Fällen das Schwitzen erst wieder lernen. Wir müssen schrittweise vorgehen, um zum Erfolg zu kommen.

Beim ersten Mal sollten die Anwendungszeiten kürzer und die Temperatur nicht ganz so hoch sein, wie es später angestrebt wird. In den wöchentlich ein- bis zweimaligen Anwendungen werden die Badezeiten allmählich gesteigert und die Körpertemperatur langsam in 0,5–1°C-Stufen angehoben. Bei den ersten Badegängen sollte man zur eigenen Sicherheit nicht alleine in der Wohnung sein. ...

Literatur:
1 Graham, N. M. H.et al: Adverse Effects of Aspirin, Acetaminophen, and Ibuprofen on Immune Function, Viral Shedding, and Clinical Status in Rhinovirus-Infected Volunteers. J Infect Dis. (1990) 162 (6): 1277-1282. doi: 10.1093/infdis/162.6.1277
2 Plaisance, K. I. et al.: Effect of Antipyretic Therapy on the Duration of Illness in Experimental Influenza A, Shigella sonnei, and Rickettsia rickettsii Infections. Pharmacotherapy, DOI: 10.1592/phco.20.19.1417.34865
3 Earn, D.J.D.; Andrews, P.W., Bolker, B.J.: Population-level effects of suppressing fever. Proc R Soc B 2014; online 21. Januar, doi:10.1098/rspb.2013.2570

Anschrift des Verfassers
Peter Gsinn
Heilpraktiker, Augenoptikermeister
Hauptstraße 26
2327 Tutzing

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Naturheilpraxis 4/2014