Verdauungstrakt

Der Zauber der Hildegard-Medizin

Martina Schneider

Wenn nämlich ein Mensch an allerlei Mühsal, Angst und Folgen von vielerlei Speisen und Getränken leidet, so dass sich durch ungeeignete Speisen und Getränke verkehrte Schlackenstoffe angesammelt haben, dann kommt die erschütterte und ermüdete Seele zum Erliegen.“ Dies einfach als Schicksal hinzunehmen kam Hildegard von Bingen nicht in den Sinn: Sie verordnete ihren Patienten spezielle Pflanzen in spezieller Zubereitung, um über die Verdauungsorgane auch die Seele zu entgiften und zu entlasten. Die bevorzugten Heilpflanzen der Äbtissin entfalteten immer wieder einen Zauber, dem man sich auch heute nicht entziehen möchte.


Bachminze / Krause Minze

„(…) dass die dumpfe Beschwernis vergehen wird, weil die Bachminze die fetten und kalorischen Eingeweide und ihre Verfettung etwas kühlt und so die Dämpfigkeit mindert.“

Nach einem opulenten Mahl ist Bach-(oder Wasser-)Minze vielleicht die bessere Wahl als ein alkoholischer Digestif: Mit dem Kauen von Blättern der Mentha aquatica lässt sich Völlegefühl vertreiben. Auch bei Blähungen und Magenkrämpfen hat sich der Genuss von Bachminze bewährt. Sie ist eine von mehr als 40 Minzarten aus der Familie der Lippenblütler, die europaweit verbreitet ist.
Sie enthält ätherische Öle, Bitterstoffe, Enzyme, Gerbstoffe, Limonen, Menthofuran, Menthol und Pinen, auf den Verdauungstrakt wirken die Inhaltsstoffe entkrampfend und entzündungshemmend, verdauungsfördernd und gefäßerweiternd.
Übrigens: Nicht nur für Hildegard von Bingen war die Bachminze ein Geschenk des Himmels: Die Heilpflanze war neben Eisenkraut und Mädesüß ein heiliges Kraut der Druiden.

„Wie das Salz, mäßig beigefügt, jede Speise mäßigt, weil es schlecht ist, wenn zu viel oder zu wenig der Speise beigefügt wird, so gibt die Krauseminze, wenn sie dem Fleisch, dem Fisch, den Speisen oder dem Mus beigefügt wird, einen guten Geschmack und eine gute Würze und so erwärmt sie auch gegessen den Magen und verschafft eine gute Verdauung.“

Denn ein kalter Magen, schreibt die Äbtissin, ist schlecht durchblutet und kann so die Verdauung erst gar nicht in Gang bringen. Hier kann Mentha spicata helfen. Die Krause (oder Grüne) Minze lässt sich gut kultivieren und ist europaweit inzwischen oft zu finden. Bis zu 60 Zentimeter hoch wird die Heilpflanze, deren Blätter als medizinische Droge verwendet werden, geeignet auch für Kinder und jene Erwachsenen, die einen empfindlichen Magen haben: Denn im Gegensatz zur bekannten Pfefferminze enthalten die Blätter der Krausen Minze kein Menthol.
Die hilfreiche Folge: Ein Heiltee aus Mentha spicata kann täglich gegen Verdauungsschwäche und auch bei Gastritis genossen werden, ohne seinerseits zu reizen.

Bertram

„Einem gesunden Menschen ist es gut,
Bertram zu essen – über das Essen gestreut oder bei der Zubereitung mitgekocht –,
weil er die Fäulnis in ihm vermindert (). Er lässt im Menschen nichts unverdaut, sondern bereitet gute Verdauung, wenn man ihn fleißig isst, weil er durch seine gute Kalorität jede Speise verdaut.“

Bertram ist im Mittelmeerraum heimisch, in Arabien und im Kaukasus, hierzulande wird er angebaut. Das Aussehen der Pflanze mit weiß-gelben Blüten erinnert an Kamille. Die Blätter allerdings kommen eher pelzig daher, und ihre Wurzel, aus welcher die Arzneidroge gewonnen wird, ist erst im zweiten Lebensjahr so groß, dass die Ernte im Herbst sich lohnt. Bertram wird meistens in Pulverform verordnet, hilfreich kann er jedoch auch als Tinktur, Tee oder Salbe sein.
Die römische Bertramwurzel (Radix Pyrethri romani) stammt ab von Anacyclus Pyrethrum, einer Pflanze, die im Mittelmeerraum und in Nordafrika heimisch ist. Die deutsche Bertramwurzel von Anacyclus officiarum (Radix Pyrethri germanici) gilt als Verfälschung.
Schmeckt die Wurzel auch nach nichts, brennt sie umso mehr auf der Zunge: Dafür verantwortlich ist ein Harz. Weitere Inhaltsstoffe: ätherische Öle, Inulin, Pellitorin (frühere Bezeichnung Pyrethrin), Tannin, Gummi, Gerbstoffe, Eisen, Kieselerde.

Wer die echte Wurzel kaut, spürt es schnell: Die Mundschleimhaut wird zusammenge-

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Anschrift des Verfasserin
Martina Schneider
Heilpraktikerin
Seminarhaus Schlüsselblume
Am Sahrbach 3
53505 Kreuzberg/Ahr

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Naturheilpraxis 3/2014