SPEZIAL

Heilkräuter des Frühlings in der Kinderheilkunde

Astrid Süßmuth

Im Januar herrscht in unseren Breiten mehr oder minder klirrende Kälte. Nur wenige Winterblüher wie die Christrose können sich mit den unwirtlichen Bedingungen auseinandersetzen. Dafür bietet sich diese Jahreszeit für eine theoretische Beschäftigung mit Heilpflanzen an, wie etwa ihre therapeutische Einordnung im Jahreslauf. Den Anfang machen dabei die Heilkräuter des Frühlings. Phänologisch beginnt in unseren Breiten der Vorfrühling Ende Februar mit dem Einsetzen der Haselblüte und steigert sich über die Obstbaumblüte zum Vollfrühling Ende April. Mit dem Einsetzen von Holunderblüte im Mai ist der Frühling vorüber, der Frühsommer hat eingesetzt.


Der Frühling markiert den Beginn eines neuen Wachstumszyklus, mit aller Energie entfaltet sich die Natur unter den wärmenden Strahlen der Frühlingssonne – so wie es auch ein kleines Kind machen sollte. Körperlich natürlich, aber ebenso geistig wie seelisch. Wie der kleine Mensch erwacht auch die Natur im Frühjahr zu neuem Leben. Sie reckt und streckt sich, wobei ihr Wachstum auch nicht ohne Rückschläge vonstatten geht. Späte Wintereinbrüche auf der einen, fiebrige Erkrankungen auf der anderen Seite. Die analoge Zuordnung der vier Menschheitsalter zu den vier Jahreszeiten reicht bis zu den Anfängen der klassischen Abendländischen Medizin zurück. Basierend auf der Humoralpathologie nach Hippokrates und Galen, die jeder Jahreszeit ein Menschheitsalter und einen körperlichen Zustand zuordnet, entspricht der Frühling im Jahreszyklus der Kindheit im Lebenszyklus des Menschen.

Eine jahreszeitlich ausgerichtete Therapie unterstützt den natürlichen Lebensrhythmus, der gerade bei Kindern noch weitgehend unbeschadet von Eingriffen zivilisatorischer Errungenschaften wirken kann. So wie die Heilpflanzen des Frühlings meist genau die pflanzlichen Lieblinge der Zielgruppe sind („Was ist denn deine Lieblingsblume?“ – „Das Gänseblümchen!“), entsprechen auch die Pflanzen selbst dem typischen Kindchenschema. Von eher kleiner, gedrungener Gestalt scheinen uns Frühlingsblumen aus großen Augen anzublicken. Die Blüten sind zumeist kreisrund, im Vergleich fast zu groß für die kleine Pflanze und entsprechen damit dem bekannten Schema. Auf den Betrachter wirken sie so niedlich und sympathisch. Entsprechend wirkt die Farbpalette der Frühlingsblüher wie aus einem Kinderzimmerprospekt entlehnt. Die Auswahl reicht von klarem Weiß über pastelliges Rosa-Lila-Hellblau bis hin zu zarten Gelbtönen. Pflanzen mit unscheinbaren oder gar keinen Blüten werden von Kindern zumeist nicht sonderlich gemocht, tatsächlich spielen sie auch in der Therapie von Erkrankungen im Kindesalter eine untergeordnete Rolle. Wie immer gibt es allerdings eine Ausnahme: Die viel mehr „piksigen“ denn blütenschönen Brennnesseln werden von Kindern erstaunlicherweise häufig ausgesprochen gerne gemocht, sie sind auch ein wertvolles Heilkraut in der Kinderheilkunde. Sobald die Pflanzen mit Frühjahrsbeginn aus ihrem Winterschlaf erwachen, läuft ihre Chlorophyllbildung auf Hochtouren – der Wachstumsbooster steht auf Turbo. Das Blattgrün Chlorophyll ist eine der wirksamsten lebensspendenden Substanzen überhaupt, es entspricht funktionell wie strukturell unserem körpereigenen roten Blutfarbstoff Hämoglobin. Chemisch ist das rote Hämoglobin jedoch ein Eisen-, das grüne Chlorophyll ein Magnesium-Komplex (Breitmaier/Jung, 2005). Hildegard von Bingen sah in der von ihr „Viriditas“ genannten Grünkraft die Grundlage von Gesundheit und Heilung. Diese liefern besonders die Frühjahrspflanzen. Im Frühjahr sind die Kräuter besonders reich an Mineralien, Vitaminen und Spurenelementen.

Die Heilpflanzen des Frühlings sind größtenteils ungiftig – mit einigen wenigen Ausnahmen, die aber wiederum wie beispielsweise der Seidelbast (Daphne mezereum) wichtige Heilmittel in der homöopathischen Therapie von Erkrankungen im Kindesalter sind. ...

Anschrift der Verfasserin
Astrid Süßmuth
Heilpraktikerin
Ulmenstraße 22
82131 Gauting

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Naturheilpraxis 2/2014