Akupunktur/TCM

Yangsheng

Qigong als ein Weg der Lebenspflege

Ursula Rimbach

Kein Gesundheitswesen der Welt kann darauf verzichten, dass die Menschen selbst Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen“ – diese Anmerkung des Hirnforschers Prof. Dr. Gerald Hüther zum Hauptstadtkongress 2011 drückt aus, worum es im Yangsheng geht.


In China gibt es seit ungefähr 2.500 Jahren den Begriff Yangsheng, das bedeutet so viel wie „Lebenspflege“, „Pflege des Lebens“.1 Schauen wir uns zunächst einmal an, wann wir den Ausdruck „Pflege“ bzw. „Pflegen“ gebrauchen. Wir sagen zum Beispiel: Der hat seinen Garten aber nicht gepflegt, wenn darin viel Unkraut wächst, wenn man die Beete nicht mehr erkennen kann. Oder: Der Lack von dem Auto ist nicht gepflegt. Man pflegt auch einen neuen Holzfußboden oder ein Möbelstück aus einem guten Holz. Küchengeräte, Gartengeräte, überhaupt Werkzeuge müssen gepflegt werden, damit sie funktionsfähig bleiben. Sonst verschmieren und rosten sie, die Schneide wird stumpf, das Blatt hat sich verbogen oder das Zahnrad dreht sich nicht mehr. Ich habe es vor allem in Klöstern erlebt, wie sorgfältig mit Werkzeug umgegangen wird.

Ein Sänger, dessen „Instrument“ seine Stimme ist, muss seine Stimme pflegen, damit er überhaupt auftreten kann. Wenn er sie vernachlässigt, keine Übungen macht, die Stimme nicht „ölt“, kann er nicht damit arbeiten. Wir wissen auch, dass wir Beziehungen pflegen müssen, weil sie sonst versanden, sich einfach auflösen oder negative Erfahrungen bestehen bleiben. Zur Beziehungspflege gehört Anteilnahme, gehören kleine Aufmerksamkeiten, gehört einigermaßen regelmäßiger Kontakt; man muss sich ab und zu sehen oder sprechen, man muss mit der Art des andern Menschen umgehen, kann nicht nur den eigenen Willen durchsetzen, man muss dem andern aber auch mal die Meinung sagen. Wir pflegen auch ein krankes Kind. Früher saß die Mutter am Bettchen, machte kalte Wickel an den Waden, kühlte die fieberheiße Stirn, kochte dem Kind sein Lieblingsgericht und gab ihm Kräutertee zu trinken oder heißen Zitronensaft.

Wenn wir die Beispiele an uns vorbeiziehen lassen, dann wissen wir, dass wir manchmal am Anfang gute Vorsätze haben und viel Energie darauf verwenden, etwas gut zu behandeln, aber im Lauf der Zeit bröckelt diese Haltung so langsam ab. Hat das Auto erst einmal ein paar Kratzer, ist es uns nicht mehr so wichtig, es gut zu erhalten. Den Holzfußboden pflegen wir nach einer Weile seltener und lassen ihn stumpf werden. Und manche Beziehungen lassen wir einfach ruhen und kümmern uns nicht mehr darum. Wir lassen es einfach laufen, egal, wohin.

Selbst die Pflege des kranken Kindes ist heute unüblich geworden, weil es Medikamente gibt, die anscheinend viel schneller und besser wirken. Dass sie unerfreuliche Nebenwirkungen haben und das Immunsystem des Kindes schwächen sowie seine geistige und seelische Entwicklung hindern, wird dabei leider übersehen.

Wir sagen dann: „Der Lack ist ab.“

Was einmal schön und vielversprechend war, wo wir unsere Liebe und Hingabe hineingegeben haben, das ist jetzt unansehnlich, langweilig, uninteressant, zu alltäglich, mühsam, eine lästige Pflicht geworden. Das ursprüngliche Versprechen wird nicht gehal-

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Literatur:
1 Vgl. Stephan Stein „Zwischen Heil und Heilung – Zur frühen Tradition des Yangsheng in China“, Uelzen 1999.
2 Aus: http://www.glamour.de/beauty/beauty-tipps/wie-entferne-ich-glitzernagellack-der-lack-ist-ab.
3 Vgl. „Zeichen der Stille“, Fabienne Verdier, Edition Spuren 2006, S. 291.
4 Thomas Merton, Sinfonie für einen Seelen- vogel, Herder spektrum 1996 Text S. 23.
5 Aus „Lass die Bilder klingen“, Gedicht von Jiao Guorui, übertragen von Manfred Dahmer, 2007 MLV, S. 172. 6 Dito, S. 174.

Anschrift der Verfasserin:
Ursula Rimbach
Hauptstraße 21/1
69245 Bammental
www.qi-alive.de

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Naturheilpraxis 2/2014