Metalle

Das achte Metall

Zincum metallicum in der naturheilkundlichen Praxis

Margret Rupprecht

Für die menschliche Nase gibt es manch spöttische Bezeichnung, vor allem, wenn sie auffällig geformt ist. Man nennt sie gerne Rüssel, Riecher, Kolben, Gesichtserker oder manchmal auch ... Zinken. Dieses wenig schmeichelhafte Synonym steht in enger etymologischer Verwandtschaft mit dem chemischen Element Zn, genannt Zink. Beide haben sich aus dem mittelhochdeutschen Zinke entwickelt, was so viel wie Zahn, Zacke bedeutet. Erzgießer hatten nämlich beobachtet, dass sich Zink in den Öfen während des Erstarrens in Zackenform absetzt. Die Signatur des Metalls stand Pate für seinen Namen.


Spät wiederentdeckt

Seit der Antike ist Zink ein Legierungsbestandteil von Messing. Als eigenständiges Metall wiederentdeckt wurde es um das Jahr 1526 von Paracelsus. Er fügte es als neues, achtes Metall den klassischen sieben anderen Metallen der Alchemie – Silber, Quecksilber, Kupfer, Gold, Eisen, Zinn und Blei – hinzu. Paracelsus, der Zink als Erster systematisch in der Heilkunde einsetzte und seine Wirkung beobachtete, erkannte bald die entspannende und entkrampfende Kraft dieses Metalls und ordnete es deshalb ähnlich wie Kupfer der Venus zu. Er stellte außerdem eine Verwandtschaft zum Quecksilber fest, da Zink eine ähnliche Flüchtigkeit, d.h. Verdampfbarkeit, aufweist.

Zink kommt in der Natur öfter vor als Kupfer oder Blei. Es steht, was seine Häufigkeit betrifft, mit einem Anteil von 0,0076 % an der Erdkruste an 24. Stelle. In der Natur findet sich Zink allerdings nur selten in gediegener Form; meist ist es in Erzen gebunden, vor allen Dingen in Zinksulfiderzen. Das reine Metall muss durch Destillation gewonnen werden. Es ist bläulich, weich, spröde und hat ein blättrig-kristallines Gefüge. In Aussehen und Dichte ähnelt es dem Zinn.

Zur Zeit des Paracelsus war Zinkoxid ein häufig gebrauchter Apothekenartikel. Man nannte es auch Tutia oder weißen Hüttenrauch. Auch Zinkcarbonat (Cadmia, ZnCO3) und Zinksulfat (Vitriolum album, ZnSO4 x 7H2O) wurden arzneilich verwendet. Die wichtigsten Indikationen für den therapeutischen Einsatz von Zinkverbindungen waren bereits damals Nerven-, Haut- und Augenkrankheiten.

Zincum metallicum in der Homöopathie

Hahnemann hat Zincum metallicum geprüft und unter den Mitteln seiner „chronischen Krankheiten“ genannt. In der Arzneimittelprüfung „vergiftet Zink das Gehirn und die Nerven“ (Clarke), seine Wirkung lässt sich am besten mit dem Wort „Erschöpfung“ wiedergeben. Darunter ist zu verstehen, dass Gewebe schneller verbraucht werden, als sie sich regenerieren können. Es entstehen Abfallprodukte, die den Organismus vergiften. Zu den Indikationen von potenziertem Zink gehören erschöpfte Nerven, erschöpfte Muskeln und geistige Erschöpfung. Wenn mit einer Zinksalbe Hautausschläge unterdrückt wurden und dadurch die Krankheit wieder nach innen geschlagen ist, kann homöopathisches Zincum metallicum diesen Prozess umkehren. Es heilt die Folgen der Unterdrückung und stärkt die reaktive Kraft der Abwehr.

Wenn Menschen zu schwach sind, um Exantheme zu entwickeln, die Menses zu bekommen, beim Asthma den Schleim auszuwerfen, zu urinieren, geistige Zusammenhänge zu verstehen oder sich zu erinnern, sollte man an homöopathisches Zink denken. Der Zincum-Patient fühlt sich schwach, ist niedergeschlagen und traurig; er neigt zu Melancholie und Verzagtheit.

Zu den weiteren Indikationen von potenziertem Zincum metallicum gehören unter anderem Schmerzen, Brennen und Entzündungen der Augen und Lider, Ohrgeräusche und -entzündungen, Schnupfen, Trigeminusneuralgie und Schmerzen der Gesichtsknochen, Bruxismus und seine Folgebeschwerden, Globussyndrom, Appetitmangel ebenso wie Heißhungerattacken, saures und scharfes Aufstoßen, Druckgefühle in der Lebergegend und Obstipation, um nur einige zu nennen. Allein in der Arzneimittellehre von Clarke umfasst die Beschreibung der Prüfsymptome von Zincum metallicum ganze 38 Seiten!

Zincum metallicum in der anthroposophischen Medizin

Über die Homöopathie zog Zincum metallicum – als „praeparatum“, d.h. speziell verarbeitet – auch in die anthroposophische Medizin ein. Hier war man von den besonderen Lichterscheinungen des Metalls fasziniert: Viele Zinkmineralien neigen zum Fluoreszieren. Sie leuchten hell- bis dunkelorange, violett oder gelbgrün. So kann Zinksulfid, das dem Tageslicht ausgesetzt wurde, im Dunkeln stundenlang gelb-grünlich weiterleuchten. Dieses „Leuchten ohne Wärme“ entspricht im anthroposophischen Verständnis rein salinischen Licht-Qualitäten ohne sulfurische Dynamik

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Literatur:
Lothar Burgerstein: Handbuch Nährstoffe. Haug Verlag in MVS, Stuttgart 2007
Der neue Clarke. Eine Enzyklopädie für den homöopathischen Praktiker. Band 4. Dr. Grohmann Verlag für homöopathische Literatur, Bielefeld 2001
Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24. Auflage, Verlag De Gruyter, Berlin 2002
Sven-David Müller: Das Spurenelement Zink – Stellenwert der Zinksubstitution in der Prophylaxe und Therapie von Erkrankungen. Grin Verlag für Akademische Texte, München 2010
Olaf Rippe, Margret Madejsky, Max Amann, Patricia Ochsner, Christian Rätsch: Paracelsusmedizin – Altes Wissen in der Heilkunst von heute. AT Verlag, Aarau 2001
Henning Schramm: Heilmittel der anthroposophischen Medizin. Grundlagen – Arzneimittelporträts – Anwendung. Elsevier bei Urban & Fischer, München 2009
Peter-Hansen Volksmann: Ökosystem Mensch – Gesundheit ist möglich. VBN-Verlag, Lübeck 2009

Anschrift der Verfasserin:
Margret Rupprecht
Heilpraktikerin und Medizinjournalistin
Hohensalzaer Str. 6a
81929 München

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Naturheilpraxis 2/2014