Akupunktur/TCM

AD(H)S aus Sicht der Chinesischen Medizin

Unruhe, Nervosität und Konzentration im Kindesalter

Isabella Rösinger

Wie oft sprechen wir über die Zappelkinder, verseucht von Fernseher und Playstation, schlechter Ernährung und mit schlechten schulischen Leistungen. Sie seien schlecht erzogen und am besten therapiert man sowieso die Eltern gleich mit. Die Anzahl dieser Kinder steigt ständig, sagen viele, besonders Erzieher, Lehrer und Kinderärzte. Wir nennen das Problem westlich AD(H)S.


Ritalin, Antidepressiva und Verhaltenstraining führen oft nicht zum gewünschten Erfolg, auch das Fernsehverbot und die Therapie der Eltern machen oft kaum einen Unterschied.

Viele andere Kinder sehen fern, essen Pommes und sind schlecht erzogen, aber nicht unruhig und konzentrationsschwach. Was ist es, was diese speziellen Kinder so dazu prädestiniert unruhig und/oder unkonzentriert zu sein?

Nicht alle diese Kinder sind gleich, und nicht alle leiden unter dem gleichen Problem. Es gibt eine Bandbreite von mentaler Unruhe oder Zappeligkeit, Konzentrationsstörung und Aufsässigkeit, Zorn, Wut und Zerstörungsdrang. Viele Kinder leiden unter Angst.

Unsere Zeit ist lauter, schneller und abwechslungsreicher denn je. Wir sagen unsere Zeit ist yangiger als noch die Zeiten unserer Kindheit oder die unserer Eltern und Großeltern. Ist es in der Tat verwunderlich, dass auch unsere Kinder yangiger werden? Sie werden schneller, größer, manchmal auch dicker. Wundert uns das wirklich?

Während wir in unserer Babyzeit noch ins Bett gelegt wurden und uns in den Schlaf schrien, bis wir es lernten von alleine einzuschlafen oder stundenlang an die Decke starrten, werden unsere Kinder heute von Anfang an in den Schlaf geschaukelt, sitzen aufrecht im Maxi Cosi oder im Gehfrei oder bekommen bunte Spielsachen vor die Nase gehängt, damit sie beschäftigt sind und sich nicht langweilen. Sie werden permanent gefördert, bespielt oder anderweitig unterhalten. Der langweilige Getreidebrei hat ausgedient, heute gibt es eine Vielzahl an Produkten verschiedener Geschmacksrichtungen, mit denen das unreife Verdauungssystem konfrontiert wird. ADS gibt es in jeder gesellschaftlichen Schicht unserer westlichen Zivilisation.

Nicht alle Kinder reagieren auf die Anforderungen des Alltags gleich, jedes Kind hat eine andere Konstitution, macht andere Erfahrungen und verarbeitet diese auch unterschiedlich.

Die Besonderheiten der kindlichen Entwicklung aus der Perspektive der Chinesischen Medizin zeigen eine Fülle von Möglichkeiten auf, was in der Entwicklung aus der Balance laufen kann. Betrachten wir Aufmerksamkeit, Konzentration und Hyperaktivität sowie impulsives Verhalten, gepaart mit Benimmstörungen und Fehlverhalten, so werden von westlicher, medizinischer Seite drei Typen unterschieden: die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung, die Hyperaktivität gepaart mit impulsivem Verhalten sowie ein Mischtyp aus beiden.

Aus Sicht der Chinesischen Medizin können verschiedene Organsysteme betroffen sein. So werden Syndrome der Milz, Leber und des Herzens unterschieden, aber auch solche der Niere und Lunge.

Da die Chinesische Medizin Körper, Seele und Geist nicht voneinander trennt, wird hier jedem Funktionskreis ein mentaler, wie ein emotionaler Aspekt zugeordnet. Betrachten wir die 5 Geistes-(Shen-)Funktionen sowie ihre Emotionen, wird schnell deutlich, wie unterschiedlich die verschiedenen Ausprägungen der Störungen sind. Denn der Komplex der 5 Shen-Aspekte bildet die unverwechselbare Persönlichkeit in ihrem Bezug zu Himmel und Erde sowie den Mitmenschen.

Die 5 Shen-Funktionen und ihre Emotionen

Das Herz

...

Die Leber

...

Die Lunge

...

Die Milz

...

Die Niere

...

Muster und Syndromzuordnungen

...

Zusammenfassung:

Bei Behandlungen mit Akupunktur ist nicht eine Veränderung innerhalb von Tagen zu erwarten, sondern eine sich langsam beruhigende Situation. Je nach Störung werden die Kinder ruhiger und gelassener, Aggressionen treten in den Hintergrund, andere werden hingegen wacher und nehmen mehr teil am Leben. Die Kinder lernen ihren Alltag besser zu bewältigen und nicht in jeden Konflikt hinein zu schlittern. Hitze und Unruhesymptome normalisieren sich recht schnell, können aber bei entsprechender Belastung und emotionalem Stress auch schnell wieder auftauchen. Nicht zu unterschätzen ist, dass die Kinder eine massive Störung haben und die Ursachen hier oft sehr tief liegen.

Mit einer langen Behandlungsdauer ist bei den zugrunde liegenden Mustern Nierenschwäche und Milzschwäche zu rechnen, diese sind oft lebensbegleitend. Hier ist es wichtig, mit den Kindern - respektive mit den Eltern - Strategien und Ideen zu entwickeln, um diese zugrunde liegenden Schwächen abzufangen, beziehungsweise aufzubauen. Hier kann Ernährung eine wichtige Grundlage sein, um überhaupt eine dauerhafte Stabilisierung herbeiführen zu können.

Gut sind gekochtes oder gedünstetes Gemüse jeder Art, Hülsenfrüchte, Getreide wie Hirse, Reis, Hafer, Gemüse- und Fleischsuppen, kleine Mengen heimisches Obst und Salate, wenig Fleisch, wenig Milchprodukte, wenig Zucker, keine süßen Getränke, keine Fertignahrung.

Ganz wichtig ist es, den Kindern zu vermitteln, dass wir zu ihnen stehen und auf ihrer Seite sind, ihnen dabei helfen wollen, ihr Leben zu meistern und sie dabei begleiten. Wir wollen ihnen vermitteln, dass wir sie nicht ärgern wollen, sondern die Unterstützung sind, zu der sie immer wieder zurückkehren und ihren Ärger, Frust und Schmerz loswerden können.

Oft ist in den Familien zu sehen, dass Eltern und Kinder sich quasi bekämpfen, jeder vom anderen genervt ist und weder Verständnis noch Unterstützung vorhanden sind. Eltern wie Kinder sind frustriert und traurig über den Zustand. Hier gilt es den Teufelskreis zu durchbrechen, um ein liebevolles, harmonisches Aufwachsen zu gewährleisten.

1 vgl. Larre/Rochat de la Vallee, 1996, S.106 ff und Yair Maimon, Die 7 Formen des Stress, in: Stresskrankheiten, Andreas Noll, Barbara Kirschbaum, 2006, S.44 ff

Literatur
Dr. med Rainer Bohlayer, Fachmagazin für Complementär-Medizin CO’MED, 4/2008, Lernstörungen und ADHS aus Sicht der TCM, S. 61
Heiner Frühauf, Jede Krankheit kommt vom Herzen: Die Schlüsselrolle der Emotionen in der klassischen chinesischen Medizin, www.classicalchinesemedicine.org
Giovanni Maciocia, The Psyche in Chinese Medicine, Elsevier 2009 u. The European Journal of Oriental Medicine, VOL. 1 NO. 1
Yair Maimon, Die 7 Formen des Stress, in: Stresskrankheiten, Andreas Noll, Barbara Kirschbaum, 2006, S.44 u. Larre/Rochat de la Vallee, 1996
Bob Flaws, Chinese Medical Psychiatry, Blue Poppy Press, 2003 u. Recent Chinese medical research on the treatment of ADHD, Townsend Letter for Doctors and Patients, 2011
Alex Tiberi, Phlegm and the mind – autism, ADD/ADHD and learning disorders, Rothenburg 2008

Anschrift der Verfasserin:
Isabella Rösinger
Lahnstraße 12
65195 Wiesbaden

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Naturheilpraxis 1/2014