Phytotherapie

Olea europaea

Eine kleine Kulturgeschichte des Olivenbaums und seine Anwendung in der naturheilkundlichen Praxis

Margret Rupprecht

Der französische Feinschmecker Brillat-Savarin schrieb vor zweihundert Jahren: „Fünf Köpfe bringen einen guten Salat zustande: Ein Geizhals, der den Essig träufelt, ein Verschwender, der das Öl gibt, ein Weiser, der die Kräuter sammelt, ein Narr, der sie durcheinander rüttelt – und ein Künstler, der den Salat serviert!“ Ein Naturheilkundler, der Olea europaea in seiner Praxis einsetzt, kann zumindest zwei dieser Köpfe gleichzeitig sein: ein Verschwender im Empfehlen von Olivenöl und ein Weiser, wenn er um das beachtliche therapeutische Potential des Ölbaumes weiß.


Wilhelm Pelikan schreibt in seiner Heilpflanzenkunde, dass man sich dem Ölbaum nur mit Ehrfurcht nähern kann, denn er ist eines unserer ältesten Kulturgewächse, Nahrungsspender, Heilpflanze, Teil bei kultischen Handlungen wie der Königs- und Priesterweihe oder dem Spenden des Sterbesakraments, der „Letzten Ölung“, die man traditionell mit einem mit Balsam versetzten Olivenöl vornahm. Die Völker des Mittel - meerraumes empfanden den Ölbaum als Gottesgeschenk und die Griechen pflegten der Göttin Athene für die Ölbäume alljährlich zu danken. Die griechische Mythologie erzählt dazu folgende Geschichte: Als Athene sich mit Poseidon um den Besitz Athens stritt, schleuderte sie eine Lanze auf den Burgfelsen. Daraus erwuchs ein Olivenbaum. Die Götter sprachen daraufhin der Weisheitsgöttin Athene den Besitz der Stadt zu, da ihre Gabe, ein Olivenbaum, nützlicher sei als das Pferd, das Poseidon als Geschenk gebracht hatte. Es galt bei alten Griechen als ein unausdenkbarer Frevel, an diese heiligen Bäume die Axt zu legen. Als die Spartaner im fünften Jahrhundert v. Chr. Athen verwüsteten, verschonten sie die Olivenhaine, denn sie fürchteten die Rache der Götter, hätten sie den heiligen Bäumen ein Leid angetan.

Ähnlich den Feldfrüchten galt der Olivenbaum in der Alten Welt als Symbol der Sesshaftigkeit, aber auch des Endes vom sog. Goldenen Zeitalter, als die Menschen noch ernten konnten, ohne zuvor gepflanzt zu haben. Das „durch Deiner Hände Arbeit sollst Du Dein Brot verdienen“ setzte Kenntnis und Pflege von Nahrungspflanzen voraus und verlangte von den Menschen die Achtung von Besitz, Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit. In diesem Prozess wurden Olivenbäume zu einem Symbol für bürgerliche Ordnung und Frieden, weshalb die Römer auf vielen Münzen einen Olivenzweig abbildeten. Mit einem Lorbeerkranz ehrten sie den Sieger im blutigen Kampf, ein Olivenkranz war dagegen seit der frühen Antike der Siegespreis im friedlichen, sportlichen Wettkampf, so auch bei den Olympischen Spielen. Als die Perser davon erfuhren, sollen sie ausgerufen haben: „Mit welch einem Volk haben wir es zu tun, das nicht um Geld, sondern um Ruhm kämpft!“

Ölbäume sind unglaublich robust. Sie wachsen in fester und harter Erde, am besten leicht kalkhaltig und nicht zu sehr humos. Sie vertragen und brauchen viel Sonne. Am besten bekommt ihnen eine mittlere Jahrestemperatur zwischen 15 und 22 Grad Celsius; bei unter null Grad erleiden sie sofort Frostschäden, bei zehn Grad Minustemperatur sterben sie ab. Ölbäume werden Jahrhunderte bis Jahrtausende alt. Und auch wenn ihr Stamm im Alter zerfällt, treiben aus seinen Teilstücken neue grüne Zweige. Man vermutet, dass im Garten Gethsemane immer noch einige von den Olivenbäumen stehen, unter denen Christus der Überlieferung nach vor seiner Kreuzigung gewandelt sein soll.

Olivenbäume lieben eine Atmosphäre von Licht und Wärme, während sie alles Schattig- Feuchte und Dunkle von sich fernhalten. Ihre ursprüngliche Form ist strauchig; die Kulturformen können bis zu zwanzig Meter hoch werden; zur Erleichterung der Erntearbeit werden sie aber in der Regel auf einer Höhe von fünf bis acht Meter gehalten. Die immergrünen, ledrigen Blätter sind an der Unterseite behaart, die im April und Mai sich öffnenden zarten, weißgelblichen Blüten sind klein und angenehm duftend. Aus ihren Früchten, den Oliven, gewinnt man das Öl. Die erste Ernte kann frühestens nach drei bis fünf Jahren, manchmal auch erst nach zwanzig Jahren erfolgen. Die Steinfrüchte sind in der Regel einsamig, bis zu dreieinhalb Zentimeter lang, zunächst grün, später rötlich, bräunlich, violett, dunkelblau oder schwarz.

Von der Kulturform Olea europaea L. gibt es über dreihundert Rassen, von denen dreißig in größerem Umfang kultiviert werden. Tafeloliven sind fleischiger, besitzen aber weniger Öl, an dem die kleineren, festeren Früchte deutlich reicher sind. Heimat und bis heute Hauptanbaugebiet des Ölbaums ist der Mittelmeerraum. Kulturen gibt es aber mittlerweile auch in Afrika, Mexiko, dem indischen Subkontinent, Südamerika, Australien, auf Jamaika und den Bermudas.

Die Ölbildung

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Olea europaea in der Praxis

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Die äußerliche Anwendung

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Literatur:
Marianne Beuchert: Symbolik der Pflanzen. Insel Verlag, Frankfurt 2004
Ursel Bühring: Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde. Sonntag Verlag in Medizinverlage Stuttgart, 2005
Burgersteins Handbuch Nährstoffe. Haug Verlag in Medizinverlage Stuttgart, 2007
Friedemann Garvelmann: Pflanzenheilkunde in der Humoralpathologie. Richard Pflaum Verlag, München 2000
Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe, hrsg. von Karl Richter.
Mannfried Pahlow: Das große Buch der Heilpflanzen. Gräfe und Unzer Verlag, München 1993
Wilhelm Pelikan: Heilpflanzenkunde II. Verlag am Goetheanum, Dornach 1982
G. Schmidt: Der Ölbildungsprozeß – Die natürliche Grundlage der Öldispersionsbad-Therapie. Vortrag auf der Hydrotherapie-Tagung im Kursanatorium Lauterbach in Freudenstadt, 12.–14.3.1976. Hrsg.: Jungebad KG, Bad Boll
W. Schuster: Ölpflanzen in Europa. Frankfurt am Main: DLG, 1992
Eberhard Teuscher: Gewürzdrogen – Ein Handbuch der Gewürze, Gewürzkräuter, Gewürzmischungen und ihrer ätherischen Öle. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2003
Rudolf Fritz Weiß, Volker Fintelmann: Lehrbuch Phytotherapie. Hippokrates Verlag, Stuttgart 2009
Hildebert Wagner, Markus Wiesenauer: Phytotherapie – Phytopharmaka und pflanzliche Homöopathika. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2003
Selene Yeager: Die Heilkraft unserer Lebensmittel. Weltbild Verlag, Augsburg 2005

Anschrift der Verfasserin:
Margret Rupprecht Heilpraktikerin und Medizinjournalistin
Hohensalzaer Straße 6a
81929 München

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Naturheilpraxis 1/2014