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Einblicke in die Welt der chronischen Krankheiten und deren naturheilkundliche Therapiemöglichkeiten

Fachtagung der St. Johanser Naturmittelvertrieb GmbH in Waldsassen

Weit im Nordosten Bayerns, direkt an der tschechischen Grenze, liegt die Klosterstadt Waldsassen mit einer prächtigen, aus Mitteln des bayerischen Denkmalschutzes aufwendig restaurierten Stiftsbasilika. Hierher, in das Tagungszentrum der Zisterzienserinnen-Abtei, hatte Franz Kohl, geschäftsführender Gesellschafter der St. Johanser Naturmittel GmbH in Gauting und seine Mitarbeiterinnen zu einer bemerkenswerten Fachtagung über „Chronische Krankheiten naturheilkundlich behandeln“ eingeladen. Der Ort war wohl gewählt, um Heilpraktiker/innen und erfahrungsheilkundlich interessierten Ärzten in dieser Region sowie in Sachsen und Thüringen die Produktpalette und deren Therapiemöglichkeiten bekannt zu machen. Dafür hatte St. Johanser vier namhafte Referenten gewinnen können. Wie immer bei den von Franz Kohl organisierten Veranstaltungen erwies er auch diesmal seinem Lehrer Josef Angerer gebührende Referenz, dieses Mal auch mit dem Münchner Heilpraktiker Josef Karl, der über „Die zentrale Heterochromie der Iris nach Josef Angerer mit Dias und Rezepturvorschlägen“ sprach und damit Einblicke in dessen wenig bekannte phythotherapeutische Konzepte vermittelte.

Josef Karls augendiagnostisches Vortragsthema sollte – so betonte er – „jene nicht abschrecken, die keine Irisdiagnose praktizieren“, denn er habe sein Referat so aufgebaut, „dass Sie etwas mitnehmen können“. Josef Angerer habe von Heterochromie gesprochen, wenn das Auge eine andere Farbe hat, und dies wiederum erlaube „Einblicke in die enzymatischen und fermentativen Abläufe“ Auch wenn man das Auge nur unter diesem Aspekt betrachten würde, wäre dies allein schon „ein Gewinn“, wobei man allerdings ein ausgeprägtes Gedächtnis für die Verschiedenartigkeit der Farben und Farbnuancen haben müsse. Eine zentrale totale Heterochromie nach Josef Angerer mit gelblicher, beiger oder ockerfarbener Färbung deute auf Krankheitsdisposition der Galle, der Gallenwege und der Milz hin, orangefarben auf Pankreas, Brauntöne auf die Leber sowie rot- oder dunkelbraun auf Dickdarm, wobei Karl seine Patienten bei einer ausgeprägten Braunfärbung regelmäßig zur Darmspiegelung in eine Klinik schickt, um die Gefahr einer Darmkrebs-Erkrankung abklären zu lassen. Für die einzelnen Typen der – angeborenen, nicht im Laufe des Lebens erworbenen, allerdings durch falsche Lebensweise möglicherweise verstärkten – Heterochromie präsentierte Karl Irisbilder und erläuterte die jeweiligen Krankheitsgeschichten sowie die auf Angerer zurückgehenden Therapieempfehlungen. (Die Grundideen Angerers zur Hetero- chromie finden sich in dessen „Handbuch der Augendiagnostik“, das seit 2007 im Iris Medizinverlag München neu herausgegeben wurde, ISBN 978-3-00-020810-2. Die Erstauflage dieses gesuchten Standardwerks wird inzwischen im antiquarischen Buchhandel für 120 Euro angeboten).

Als nächsten Referenten stellte Franz Kohl den Medizinalrat Dr. Rainer Wander vor, der seit 1965 in Elsterberg im Vogtland als Facharzt für Allgemeinmedizin mit den Schwerpunkten Naturheilverfahren, Neuraltherapie, Chiropraktik und Homöopathie praktiziert, Mitbegründer und heutiger Präsident der Gesellschaft für Akupunktur und Neuraltherapie (DGfAN) ist und – was ihn für die St.-Johanser-Fachtagung besonders prädestiniert – zusammen mit dem Heilpraktiker Horst Portofoé an der Entwicklung der homöopathischen North-Komplexmittel beteiligt war. Im Laufe seines ausführlichen Vortrags wurde die Konzeption der gut aufeinander abgestimmten North-Präparate auch besonders deutlich. Als Neuraltherapeut sprach Dr. Wander über „Chronische Infekte“. Dabei sei Procain eines seiner wichtigsten Injektionspräparate, und so musste er sein Referat mit dem Hinweis beginnen, dass wegen der Verschreibungspflicht den Heilpraktikern die Anwendung dieses Mittels nicht zugänglich sei. Allerdings habe seine Gesellschaft die Möglichkeit geschaffen, dass auch Heilpraktiker an den Fortbildungsveranstaltungen seiner Gesellschaft teilnehmen können.

Wander begann seinen mit praktischen Ratschlägen aus mehr als vierzigjähriger Berufstätigkeit gespickten Vortrag mit dem Hinweis, dass Menschen eine Vielzahl von psychischen, toxischen und unphysiologisch körperlichen Belastungen sowie ungesunder Ernährung und genetischer Disposition bis zu einer bestimmen schwankenden Grenze kompensieren können und sich somit gesund fühlen. Überschreiten diese Belastungen diese Grenze, setze das Stadium der Dekompensation ein, und die Menschen werden krank. Entsprechend der Sechs-Phasen-Tabelle nach Reckeweg nehmen Krankheiten jeweils einen besonderen Verlauf, zu Beginn zwei humorale Phasen, gefolgt von zwei Matrix-Phasen, durch die der sogenannte biologische Schnitt verläuft, und schließlich zwei zelluläre Phasen, welche die Verschlechterung der Krankheiten hin zur Chronifizierung markieren. In den humoralen Phasen ist die Ausscheidung, etwa von Toxinen, über Niere/Blase, Galle/Leber, Darm oder über die Haut auf physiologischem Wege möglich. Wenn dies nicht gelingt, so kommt es während der Matrix-Phasen zu Entzündungen (Inflammationen). Und – so Wander weiter – „gerade in dieser Inflammationsphase greifen die meisten homöopathischen Medikamente ein.“ Wenn die Ausscheidung über Entzündungsprozesse wiederum nicht hinreichend gelingt, dann „hat der Körper nur die Chance, diese nicht ausscheidbaren Gifte im Grundgewebe bzw. der Zwischenzellsubstanz zu deponieren.“ Dabei sei wiederum das Lymphsystem „besonders aktiv“.

Bei weiterer Giftansammlung reiche die Zwischenzelldeponie nicht aus, der biologische Schnitt werde überwunden und die Toxine gelangen in die Zellen. Das markiert den Übergang von einem extrazellulären Stadium zu einem intrazellulären. Die Zellen wiederum verfügen über Fähigkeiten, der Vergiftung des Zellstoffwechsels entgegenzuwirken. Sie lagern die Toxine in sogenannte Zellorganellen („Orgänchen“) ein, den Mitochondrien. Diese vermögen mit Hilfe von Sauerstoff Energie bereitzustellen. In allen Zellen gebe es – so Wander – einen kerngesteuerten Synthesestoffwechsel und einen mitochondriengesteuerten Energiestoffwechsel, mit dem die Zellen ihren Synthesestoffwechsel energetisch abdecken. Durch die Einlagerung der Toxine in die Mitochondrien werden die Zellen in der erforderlichen Bereitstellung der Energie gehemmt, und dies führe dazu, dass die Zellen „einem schnelleren Verfall unterliegen“. Somit komme es zur Zelldegeneration. „Und was wird an Stelle der Zelle hingesetzt: Bindegewebe.“ Über diese Degeneration kann es schließlich zur Krebsentstehung kommen. Und weiter: „Also müssen wir versuchen, den Energiestoffwechsel aufrecht zu erhalten, indem wir die Grundsubstanz, das Grundregulationsgewebe regenerieren.“ Die Latenzzeit bis zur Krebsentstehung bezifferte Wander auf „bis zu 30 Jahren“, nach anderen Mechanismen könne dies wesentlich rascher ablaufen.

Die Aufgabe des Behandlers sei es somit, die Entzündungsphase mit Procain und anderen Mitteln in eine andere Richtung zu steuern, also umzukehren. Dabei könne man mit einer Kombination von Neuraltherapie und Homöopathie potenzierte Therapieerfolge erzielen. Dies geschehe dadurch, dass man die Ausscheidung fördere und somit die Ablagerung – sowohl intra- als auch extrazellulär – verhindere. Im Konzept von Reckewegs Homotoxikologie wird diese Umkehr regressive Vikariation genannt.

Der Ausgangspunkt von Infekten liege „vorwiegend im Kopfbereich“, wie Wander betonte, „mit Folge auf den gesamten Körper“. Nach einer eingehenden Darstellung der Gründe dafür umriss Wander zunächst die Möglichkeiten der Anamnese, der Diagnostik und Therapie der Neuraltherapie nach einem abgestuften Verfahren. Zunächst beginnt der Behandler mit der Segmenttherapie. Erzielt man damit keinen Therapieerfolg, ist der nächste Schritt die erweiterte Segmenttherapie, und wenn auch diese nicht zum erwünschten Ergebnis führt, geht man zur Störfeldtherapie über, also einer Sanierung chronischer Entzündungen, etwa zur Zahnsanierung, zur Narbenunterpritzung und anderen Interventionen. Danach gab Wander einen entsprechenden Überblick über die Wirkmechanismen der Homöopathie, die der Regeneration der Zellen dient, um dann eingehend auf die Anwendung der North-Matrix-Komplexe einzugehen, von denen zur Zeit drei Präparate, nämlich Aletris, Hamamelis und Zincum, auf dem Markt sind. (Injektionspräparate der übrigen North-Komplexe kommen nach einem Hinweis von Franz Kohl in Kürze auf den Markt). Dabei plädierte Wander dafür, „dass alle homöopathischen Präparate, die gespritzt werden, mit Procain kombiniert werden sollten“. Der Aletris-Komplex sei – so Wander – „bei Bindegewebs- und Bänderschwäche sowie bei hormoneller Dysbalance“ indiziert, wobei er auch die einzelnen Komponenten des Komplexmittels erläuterte. Der Hamamelis-Komplex sei ein geeignetes Mittel zum Entquellen von gestautem und ödematösen Gewebes. Und letztlich diene Zincum-Komplex – als drittes der genannten Injektionsmittel – der Regeneration und Aktivierung verminderter Organ- und Funktionsleistungen.

Seine weit in Details gehenden Ausführungen schloss Wander mit einer eher generellen Frage: „Wie wirken Mikronährstoffe?“, die der Anregung von Stoffwechselprozessen in den Zellen dienen. Eines der geeigneten Präparate hierfür sei Matricell® mit den Bienenprodukten Gelée Royale, Blütenpollen, Propolis und Honig, dem unter anderem eine „Perfusionssteuerung zwischen Vegetativum und dem Gefäßsystem“ zukomme. Das wiederum deckte sich mit einer Feststellung von Josef Karl, wonach es „kein besseres Mittel bei der Voralterung als Matricell® gebe“.

Während Dr. Wander in seinem Vortrag einen weiten Bogen über ein nahezu unbegrenztes Anwendungsgebiet am Beispiel der chronischen Infektionskrankheiten gespannt hatte, konzentrierte sich der vom Universitätsspital aus Zürich angereiste Prof. Dr. Reinhard Saller – nicht weniger gründlich und gestützt auf reiche klinische Erfahrung am Zürcher Universitätsspital, in dessen Institut für Naturheilkunde explizit auch das Wildkräuteröl von St. Johanser einbezogen wird – auf eine einzige Heilpflanze und sprach über „Neue Forschungen zu Pfefferminze und anderen Minzen“. Im Gegensatz zu einem verbreitenden Trend in der Pharmaindustrie, die Synthetisierung von arzneilich interessanten Wirkstoffen der Natur auf dafür eigens angelegten Plantagen zu überlassen und diese dann als Reinstoffe zu isolieren, hob Saller die Bedeutung pflanzlicher Arzneimittel als Wirkstoffe mit Vielstoffcharakter hin. Die Vorteile liegen nach Saller in einem „relativ breiten Wirkungsspektrum mit mehreren bis vielen Wirkmechanismen“. Sie seien damit unter anderem „als eine Art Basistherapie“ geeignet, auch in „kombinierter Anwendung mit selektiven Arzneimitteln“ und darin wiederum liege „ein bislang zu wenig genutztes modernes Behandlungspotential“. Aus den Heilpflanzen – insonderheit hier der Pfefferminze (und insgesamt etwa 25 weiterer Minzarten) können die Wirkstoffe in Form von Drogenpulver, Tee, ätherischen Ölen, Tinkturen und Extrakten gewonnen werden, mit je ganz spezifischen Indikationen sowohl mit innerlichen als auch äußerlichen Anwendungen. Das Anwendungsspektrum in der traditionellen Heilkunde erstreckt sich von Schmerzen aller Art und besonders Kopfschmerzen bis hin zu Leber- und Gallenleiden, Erkältungen und erkältungsbedingtem Durchfall und Menstruationsstörungen. Bei funktionellen Magen-Darm-Gallenbeschwerden, Katarrhen der oberen Luftwege und Meteorismus brächten vor allem Minzöle (innerlich) Linderung der Beschwerden, sowie bei Myalgien und Neuralgien mit äußerlichen Einreibungen. Die in vielstofflicher Konzentration vorliegenden Wirkstoffe bilden dabei ein „netzwerkartiges Zusammenspiel“, wobei der akzidentielle Ausfall einzelner Wirkstoffe auch kompensiert werden könne.

Getrocknete Pfefferminzblätter (Menthae piperitae folium) wirkten einer Übersicht Sallers zufolge spasmolytisch, karminativ – choleritisch, antiulcerogen – antiflammatorisch (akut und chronisch) – antioxidativ – radioprotektiv – apoptotisch (d.h. den Zelltod betreffend) – antinozizeptiv (d.h. gegen Schmerzwahrnehmung wirkend) – antibakteriell sowie – sedativ, diuretisch. Das Wirkungsspektrum von frischen Pfefferminzblättern umriss Saller mit spasmolytisch – antiviral, antibakteriell und antimikotisch – karminativ (gegen Blähungen) – choleretisch – analgetisch – antioxidativ – antiinflammatorisch – radioprotektiv – adstringierend – sekretolytisch (dünnflüssigen Schleim fördernd) – schleimhautabschwellend sowie – kognitionsverbessernd. Richtig verstanden (d. h. man sollte die Heilwirkung nicht überschätzen) entpuppt sich die Pfefferminze somit als ein nahezu universell einsetzbares Heilmittel, wobei die Aufzählung der von Saller angeführten Indikationen der Rahmen dieser Übersicht sprengen würde.

Den Abschluss der Fachtagung bildete ein Referat von Dr. Manfred Kögel, dem langjährigen Chefarzt a. D. des Klinikums Chemnitz für Anästhesie und Intensivtherapie. Er stellte die für manche provozierende Frage: „Ist das Herz eine Pumpe?“. Dabei spannte er einen weiten Bogen von William Harvey, dem Entdecker des Blutkreislaufs bis hin zur modernen Weltraummedizin und Transplantationschirurgie. Dabei zitierte er Harvey aus dem Jahre 1628: „Es ist auch nicht wahr, wie man gemeinhin glaubt, dass das Herz Kraft irgendeiner Eigenbewegung Blut in die Kammern zieht.“ Im Mittelpunkt von Kögels Betrachtungen stand die Kreislauftheorie des Berliner Mediziners Prof. Martin Mendelsohn, der in einem fast vergessenen Buch mit dem Titel „Das Herz- ein sekundäres Organ“ im Jahre 1928 festgestellt hatte: „Die Kräfte, die den Blutumlauf im lebenden Organismus bewirken, sind ganz anderer Art als dass die Kraft des Herzens ausreichend sei, das motorische Geschehen im Flüssigkeitsumlauf des Körpers selbständig zu bewirken. Das Herz ist nicht imstande, eine solche gewaltige Leistung zu vollbringen.“ Auf der Suche nach den Mechanismen, die den Kreislauf ein Leben lang in Gang halten, hatte Kögel die Vorgänge in der Grundregulation des Bindegewebes mit der extrazellulären Matrix ausgemacht und festgestellt: „Der Sinn des Kreislaufs erfüllt sich in der Peripherie“ oder – wie Dr. Wander präzisierte – in der Sekretionsleistung der Peripherie. Damit allerdings steht Kögel in krassem Widerspruch mit der – im wahrsten Sinne des Wortes „herrschenden“ – Lehre der Schulmedizin, die unerschütterlich die gesamte Leistung des Kreislaufs auf das Herz projiziert und entsprechend dem Lehrbuch „Klinische Pathophysiologie“ von W. Siegenthaler als Herausgeber postuliert, dass „das Herz als Umwälzpumpe des Blutkreislaufs wirkt“.

Das Verdienst von Kögels Untersuchungen liegt vor allem darin, dass er die Möglichkeit einer zur nahezu ausschließlich organbezogenen Herztherapie komplementär anzusetzenden funktionalen Behandlungsmöglichkeit aufzeigt, die frühzeitig in der von Wander konzipierten humoralen Phase ansetzen kann, mit einer gewissen Aussicht auf Umkehrung von Krankheitsprozessen. Und hier wiederum schloss sich der Kreis zu den neuraltherapeutischen und homöopathischen Therapiekonzepten, die Dr. Rainer Wander in seiner Übersicht gegeben hatte.

Dr. Christian Ullmann
Dießen am Ammersee


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Naturheilpraxis 12/2013