Bewegungsapparat

Parietale Automobilisation

Matthias Engel

Patienten mit Beschwerden des Bewegungsapparates bilden einen festen Bestandteil in der täglichen Praxis von Ärzten und Heilpraktikern. Zur Behandlung der selbigen wird eine Vielzahl von Methoden angepriesen. Dass keine der Therapien bei allen Patienten positive Resultate zu erzielen vermag, lässt auf die Multikausalität der sich am Bewegungsapparat symptomatisierenden Beschwerdebilder schließen. Neben der in der Praxis angewandten Behandlung scheinen im Zuge der Eigenverantwortung für das eigene Sein und Wohlbefinden des Patienten begleitende Maßnahmen in Form von Haus- bzw. Unterstützungsaufgaben eine Option zur positiven Forcierung des Therapieerfolges zu sein (vgl. Engel 2010). Eine dieser Maßnahmen, deren Einsatz für eine Vielzahl von Symptomatiken am größten Organsystem des Menschen prädestiniert ist, sind die parietalen Automobilisationen.


Begriffsklärung und Wirkung

Was ist unter dem Begriffspaar „parietale Automobilisation“ nun konkret zu verstehen? Parietal bedeutet in diesem Kontext, dass sowohl der Ausgangspunkt als auch das Zielorgan der Anwendungen der Stütz- und Bewegungsapparat ist. Selbstverständlich sind bedingt durch die Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers ebenso andere Organsysteme in den Regulationsprozess involviert, doch obliegt das Primat dem genannten Gewebsverbund. Mobilisationsmethoden, die einen anderen Zugang wählen, sind z.B. die viszerale Automobilisation (vgl. Brazzo 2004) oder die von Butler (1991) angeführte Mobilisation des Nervensystems. Der aus der Manuellen Medizin stammende Begriff der Mobilisation kann nach Eder/Tilscher (1998, S. 69) wie folgt definiert werden: „Unter Mobilisation versteht man das passive Bewegen motilitätsgestörter Gelenke in die eingeschränkte Bewegungsrichtung, unter Ausnützung sowohl des willkürlichen als auch des unwillkürlichen Bewegungsraumes, mit dem Ziel, den Normalzustand wiederherzustellen, oder sich diesem zu?mindest weitestgehend zu nähern.“ Diese artikulierende Gelenktechnik wird in der Physiotherapie ubiquitär eingesetzt (vgl. Greenman 2000, S. 68) und bedient sich mehr dem Behandlungsobjekt des bewegungsgeminderten, als dem des blockierten Gelenks (vgl. Bayer 2005, S. 8). Ihr hoher therapeutischer Wert resultiert aus dem physiologischen Effekt der verbesserten Hämodynamik basierend auf dem vasomotorischem System, einer tonisierenden Wirkung, der Reprogrammierung der Propriozeptoren des Gelenks sowie der Drainage von Stoffwechselendprodukten bei entzündlichen Prozessen (vgl. Greenman 2000, S. 68, Delaunois 2002, S. 114). Weitere Vorteile, welche die Durchführung der Mobilisation ergeben können sind u.a. die Steigerung der Eigenverantwortung des Patienten, die Schulung der Körperwahrnehmung sowie die gezielte Unterstützung der praxislokalisierten Therapie. Um dem Patienten die Möglichkeit der Selbstanwendung zu gewähren, ist der in der oben genannten Definition angeführte Aspekt der Passivität in eine aktive Komponente zu transformieren, ohne jedoch die anderen Parameter zu variieren. Demgemäß wird, um den Focus auf die aktive selbstauszuführende Komponente zu werfen, das Präfix „auto“ der Mobilisation vorangestellt.

Prozedere

Zur Integration der parietalen Automobilisation in das Therapieschema hat sich in der praktischen Umsetzung folgendes Prozedere bewährt. Nach erfolgreicher Diagnostik, Klärung der Indikationen sowie Abwägung der Umsetzbarkeit, der in Erwägung gezogenen Therapie, basierend auf der Individualität des Patienten, wird die adäquateste Therapie angewandt. Wurde die parietale Automobilisation als geeignete Maßnahme gewählt, werden während der Erstkonsultation die entsprechenden Übungen vorgezeigt, erklärt und korrigiert. Während der Ausführung einer Mobilisation, auch für die Automobilisation zutreffend, ist auf eine langsame Geschwindigkeit mit großer Amplitude zu achten (vgl. Eder/Tilscher 1998, S. 69). Zudem sollte die Mobilisation „repetitiv angewandt und durch die Körperantwort modifiziert“ werden (Greenman 1998, S. 111). Dies bedarf einer gezielten und individuell angepassten Anleitung sowie Kontrolle und gegebenenfalls angemessener Korrektur seitens des Therapeuten und einer Aufgeschlossenheit für derartige Methoden sowie eines gewissen Übungszeitraums seitens des Patienten. Entscheidend ist es, die Übungen langsam und kontrolliert durchzuführen und hierbei innerhalb der schmerzfreien Amplitude zu agieren. Die Anzahl der Durchgänge (Sätze), die Wiederholungszahl (Anzahl der durchgeführten Bewegungen pro Durchgang) sowie die Pausenzeiten sind individuell zu dosieren. Als grobe Orientierung sind 3 Durchgänge mit jeweils 15-20 Wiederholungen und einer Pause von ca. 30 Sekunden zu verstehen. Die Reihenfolge der Übung gilt nur als Richtlinie und kann ebenso variiert bzw. erweitert oder reduziert werden. Beim zweiten Behandlungs- ...

Literatur:
Bayer, K. (2005). Chirotherapie von Kopf bis Fuß. Haug. Stuttgart
Brazzo, M. (2004). Viszerale Automobilisation. Elsevier. München
Butler, D.S. (1991). Mobilisation of the Nervous System. Churchill Livingston
Delaunois, P. (2002). Mobilisation von Gelenken. In Leitfaden Osteopathie. Urban und Fischer, T. Liem & T.K. Dobler, S. 113-114, München, Jena
Eder. M. / Tilscher, H. (1998). Chirotherapie: vom Befund zur Behandlung. 4. überarb. u. erweit. Aufl., Hippokrates. Stuttgart
Engel, M. (2010). Hausaufgaben - essenziell für den Therapieerfolg. Naturheilpraxis mit Naturmedizin, 5/10, 580
Franke, K.O. (1994). Manuelle Therapie. Chiropraktik – Osteopathie in Theorie und Praxis. S & M-Verlag. Köln
Greenman, P.E. (2000). Lehrbuch der Osteopathischen Medizin. Aus dem amerikan. Übers. von Iris Klofat. 2. durchges. Auflg., Haug. Heidelberg
Koch, H. / Steinhauser, H. (2004). Die Dorn-Therapie. 2. Aufl., Foitzick. München

Anschrift des Verfassers:
Matthias Engel, M.A.
Sportwissenschaftler und Heilpraktiker
Naturheil- und Gesundheitszentrum
Asbacher Str. 17c
98574 Schmalkalden



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Naturheilpraxis 12/2013