Akupunktur/TCM

Von der Patientin zur Akupunkturschülerin – oder: Auch der längste Marsch beginnt mit dem ersten Schritt

Annette Moll

Viele Jahre hat die Berliner Journalistin Annette Moll für den ARD-Hörfunk gearbeitet und bildet heute Nachwuchsjournalisten aus. Seit anderthalb Jahren absolviert sie zusätzlich die TCM-Ausbildung im Shou Zhong Ausbildungszentrum Ost. Die Neugier auf Menschen und ihre Geschichten, der Blick hinter die Fassaden hat Annette Moll immer fasziniert. Seit sie zum ersten Mal als Patientin im Shou Zhong Ambulatorium auf der Behandlungsliege lag und die Macht der Nadeln spürte, wusste sie, dass für sie der Zeitpunkt gekommen war für den Aufbruch zu einer neuen beruflichen Reise: in das faszinierende Universum der Chinesischen Medizin.


Seit früher Erwachsenenzeit war die Flasche Nasenspray meine ständige Begleiterin. Stets griff- und sprühbereit auf dem Nachttisch, aber auch im Arbeitsrucksack, gleich neben Aufnahmegerät und Handy. Wenn es ein chronisches Krankheitsthema in meinem Leben gab (glücklicherweise nichts Schlimmeres), so waren es die Nebenhöhlenentzündungen und deren treues Gefolge: die ständig verstopfte Nase. Und verstopft hieß: atemdicht. Himmlisches Qi, Atemluft, drang selten in meine Lunge ohne ein paar kräftige Sprühstöße. Das mit dem Qi wusste ich damals allerdings noch nicht, als ich als rasende Radioreporterin durch Brandenburg düste, auf Recherchereisen in den USA unterwegs war und schließlich glücklich in der Journalistenausbildung landete. Ich wusste nur, dass mir HNO-Ärzte nie wirklich helfen konnten mit ihren Antibiotika, Vitamin-C-Infusionen oder ergebnisloser Fahndung nach Polypen. Die OP meiner Nasenscheidewand schlug ich aus. Die Nase blieb zu.

Und irgendwann fühlte es sich so an, als seien auch andere Kanäle dicht. Ich fühlte mich nur noch halb erfüllt, halb wach. Journalismus seit gut 20 Jahren, immer wieder spannend, fordernd und voller Glücksmomente. Print, Radio, Film, Online, alles gemacht und geliebt bis heute – aber habe ich nicht noch andere Potenziale? Die Frage zog sich bis in meine Träume. Wo will ich noch hin, was berührt mich? Die Sehnsucht nach Wandel war da, die Suche begann allmählich. Zum Beispiel mit dem Griff nach der kostenlosen Zeitschrift im Naturkosthandel, dem Studium der dort annoncierten Weiterbildungsangebote: Ich hätte meine innere Clownin erwecken oder als Märchenerzählerin die Selbstständigkeit wagen können – definitiv nicht mein Fall! Aushänge in U-Bahnen, die mich fragten, ob ich Model werden oder ein Fernstudium „Programmieren in C/C++“ absolvieren wolle. Ausgeschlossen! Ich suchte nach etwas Heilsamem für mich und für andere.

Um den Jahreswechsel 2010 / 2011 war es, da hatte ich die Nase richtig voll. Nachts bekam ich keine Luft, tagsüber googelte ich mich durch das Heilpraxis-Angebot Berlins. Der Suchbegriff „Akupunktur“ tippte sich plötzlich wie von selbst in die Tastatur, eines der ersten Ergebnisse: „Shou Zhong – Berlin: Ausbildung für chinesische Medizin und…“ Ob ich eine Aus- oder Fortbildung in Traditioneller Chinesischer Medizin suche, die Frage auf der Startseite. Das wusste ich noch nicht. Aber das Stichwort „Patienteninfo“ hat mich interessiert. Behandlung in der Lehrpraxis, betreut von zwei Auszubildenden unter Supervision durch eine erfahrene Dozentin, heilsame Rundumbetreuung zum moderaten Preis – es klang himmlisch. Ein Telefonat, ein paar Wochen auf der Warteliste später, und ich war Akupunkturpatientin.

Seit über einem Jahr bin ich nun Schülerin und stolz darauf. Ich gehöre zu einer Klasse (wir sind die Wasserdrachen!) und verbringe viele Seminar-Wochenenden mit Organ-Physiologie und Pathologie, dem Lokalisieren und Erspüren von Leitbahnpunkten, mit Kleingruppenarbeit zu den Wandlungsphasen und dem gemeinsamen Ausprobieren von Behandlungsmethoden. Ob bei Reiskornmoxa, beim Feuerschröpfen oder Nadeln setzen: Unsere kleine Wasserdrachen-Gemeinschaft wächst immer mehr zusammen. Wir haben einander die Bäuche abgetastet, die Gallenblasenleitbahn massiert, wir machen Qi Gong und kochen an den Seminar-Sonntagen oft zusammen. Wir bringen geballte Erfahrung und Fähigkeiten aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen mit, Physiotherapie, Kunst, Chirurgie und Gastronomie, wie bereichernd! Und dann die Dozentinnen und Dozenten: Alle haben mich bislang tief beeindruckt mit ihrem großem Wissen, ihrer Umsicht und ganz individuellen Behandlungsstilen: Da wächst und schillert ein Mosaik, in dem Intellekt, Psyche, Erkenntnis auf geistiger wie intuitiv-fühlender Ebene und viel Leidenschaft für die TCM zusammen kommen. Ich bin sehr dankbar. Und das Nasenspray habe ich seit über einem Jahr nicht mehr gebraucht.

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Annette Moll

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Naturheilpraxis 11/2013