Augendiagnose

Pigmente – eine tragende Säule der Augendiagnose

Farbe, Form, Struktur und Lokalisation der Pigmente als Hinweis auf ihre Bedeutung

Hermann Biechele

Die Pathochromie der Iris ist wohl eine der stärksten Säulen der Iridoskopie, ohne deren eingehende Kenntnis viele funktionelle Störungen und organische Veränderungen ungeklärt oder rätselhaft bleiben, da sie den Schlüssel bietet zum Verständnis einer ganzen Reihe schwerer funktionell oder organisch bedingter Stoffwechselstörungen und gravierender hereditärer Anlagen, und zwar schon in Stadien, in denen die bekannten und bewährten klinischen Methoden und serologischen Hinweise noch nicht ausreichen. – (Rudolf Schnabel)


1. Vorbemerkungen

Grundsätzlich unterscheidet die augendiagnostische Pigmentlehre zwei verschiedene Pigmentvarianten

Eigenpigment
Es handelt sich um das Pigment, das für die braune Augenfarbe verantwortlich ist. Gebildet wird es von parallel angeordneten, gleichmäßig in der Irisoberfläche verteilten Pigmentzellen. Diese Melanozyten bilden das genetisch programmierte Eigenpigment Melanin und so entsteht eine Art „Pigmentteppich“ in der vordersten Irisschicht. Deshalb sind die darunter liegenden Irisfasern je nach Dichte des Pigments mehr oder weniger verborgen und können bei tiefbraunen Augen überhaupt nicht mehr eingesehen werden – genau wie bei Parkett, das von einem darüber gelegten Teppichboden verdeckt wird.

Der Pigmentgehalt des Irisstromas bestimmt also im Wesentlichen die Farbe des Auges. Eine Iris ohne Pigmente erscheint blau. Je mehr Eigenpigment sich in der Iris befindet, desto brauner, dunkler wird die Augenfarbe. An Art und Umfang dieser Pigmentbildung sind mehrere Gene beteilig. Die Augenfarbe hängt von der Kombination der Gene ab, die von den beiden Elternteilen an das Kind weitergegeben werden. Die für die Entstehung der Augenfarbe verantwortlichen Mechanismen sind jedoch noch nicht vollständig aufgeklärt.

In der Augendiagnose wurde die Augenfarbe praktisch von Anfang an zur Konstitutionsbestimmung herangezogen: blaues Auge = Lymphatische Konstitution, braunes Auge = Hämatogene Konstitution und als Zwischenform die mehr oder weniger dichte, aber ebenfalls homogene Färbung des hellbraunen/“grünen“ Mischauges = Mischkonstitution.

Fremdpigmente
Es gibt neben dem braunen Eigenpigment aber auch verschiedenartige Pigmentflecke (s. Bild 1), die zur Unterscheidung als Fremdpigmente bezeichnet werden. Sie kommen einzeln vor oder in Gruppen, scheinbar zufällig, über die gesamte Iris verteilt und man sieht sie vor allem im blauen, gelegentlich auch im braunen Auge. Immer aber liegen sie ganz oben auf, wie die Streusel auf einem Kuchen.

Wie diese Pigmente entstehen, ist nicht eindeutig geklärt. Eine genetische Komponente kann angenommen werden, da man immer wieder eine familiäre Häufung erkennen kann. Sie können aber wohl auch individuell erworben werden. Neben den bereits beschriebenen Melanozyten gibt es eine weitere Art von Pigmentzellen (Koganei-Klumpenzellen), die in der gesamten Iris vorkommen. Man findet sie seltener in jugendlichen Iriden und wesentlich häufiger in den Iriden Erwachsener. Sie werden als Makrophagen angesehen, die Melanine phagozytiert haben, welche auf dem Blutweg oder über das Kammerwasser zur Iris gelangten und könnten also bei der Bildung der sekundären Fremdpigmente beteiligt sein. Das ist aber vermutlich nicht der einzige und vielleicht nicht einmal der wichtigste Mechanismus für die Pigmentbildung.1

Schon von Beginn der Augendiagnose an wurde ein Zusammenhang gesehen zwischen der Pigmentbildung und dem Chemismus von Blut und Säften: Pigmente als Ausdruck von „Störungen der Entgiftung, der Nutrition und der Homöostase des Blutes“ (Hemm, a.a.O. K-6). Unter diesem Aspekt sind Fremdpigmente also grundsätzlich Ausdruck einer irgendwie gearteten Störung im Stoffwechsel und damit ein Hinweis auf eine Toxinausschüttung, deren Folge eine laufend zunehmende Mesenchymbelastung ist: in der augendiagnostischen Nomenklatur als toxische Imprägnation bezeichnet. Die multiple Pigmentierung ist im Rahmen der augen- diagnostischen Konstitutionslehre das Kennzeichen der „dyskratischen Diathese“ (Deck), der „dyskratischen Konstitution“ (Herget), der „psorischen Konstitution“ (Broy). So wird auch verständlich, warum die Augendiagnose in jeglicher Pigmentbildung ein Zeichen für Chronizität und in letzter Konsequenz auch eine Tendenz zur Malignität erkennt. Es sind diese Fremdpigmente, die in der augendiagnostischen Pigmentlehre im Vordergrund des Interesses stehen und um die es im Folgenden ausschließlich gehen soll.

2. Bausteine der Pigmentlehre

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3. Beispiele

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4. Ausblick

Die Pigmentlehre gehört zu den schwierigen Kapiteln der Augendiagnose und wird vielleicht auch deshalb in unseren Praxen etwas vernachlässigt. Das ist schade, weil man damit auf erfolgversprechende diagnostische und therapeutische Optionen verzichtet. Natürlich gibt es eine Reihe von Unsicherheiten und noch nicht beantworteten Fragen – trotz der großen Namen, die im Zusammenhang mit der Pigmentforschung wichtige Beiträge geleistet haben: Rudolf Schnabel vor allem, Emanuel Felke, Eva Flink, Alfred Maubach, Josef Angerer, Ernst Hugo Kabisch, Dr. Helmut Herget, Günter Lindemann und in unserer Zeit Josef Karl und Piet van den Toorn. Aber im Großen und Ganzen ist das Pigmentthema nicht so unübersichtlich, wie es auf den ersten Blick scheint.

Bei der Beurteilung von Pigmenten kann das vorgestellte Schema mit seinen Bausteinen “Farbe“, „Form“, „Struktur“ und „Lokalisation“ eine Hilfe sein – und die Scheu nehmen, sich mit diesem komplexen Thema zu beschäftigen?!

Was noch fehlt, ist ein umfassender Katalog, der die vielen Pigmentformen nicht nur beschreibt, sondern auch exakt und qualitativ hochwertig bebildert. So fällt eine genaue Identifikation leichter. Auch hier gilt der Satz von Josef Karl: „Wir sehen nur, was wir kennen!“ Und wer wollte das nicht: möglichst viel sehen, sicher diagnostizieren und erfolgreich therapieren.

Literaturliste
Angerer, Josef. Handbuch der Augendiagnostik. München 1984 (5).
Biechele, Hermann. Die Anatomie der Iris und ihre Bedeutung für die Befunderhebung aus dem Auge. In: Naturheilpraxis. Fachzeitschrift für Naturheilkunde, Erfahrungsheilkunde und biologische Heilverfahren 06/2007.
Broy, Joachim. Die Konstitution. Humorale Diagnostik und Therapie. Klaus Foitzick Verlag München 21992.
Deck, Josef. Grundlagen der Irisdiagnostik. Lehrbuch mit Bildatlas und Therapiehinweisen. Selbstverlag Ettlingen, 1965.
Hauser, Willy; Karl, Josef; Stolz, Rudolf. Iridologie 1. Informationen aus Struktur und Farbe. Felke Institut Heimsheim 1998.
Hemm, Werner. Augendiagnose für die Praxis. Erkennen – umsetzen – behandeln. Gesundheits-Dialog Verlag, Oberhaching 1998.
Herget, H. F. Lehrbuch der Konstitutionsmedizin. Grundlagen, Theorie und Praxis. Aus der wissenschaftlichen Abteilung der Pascoe Pharmazeutische Präparate GmbH, Gießen 11996.
Herget, H. F.; Schimmel, H. Grundsätzliches zu Zeichen und Pigmenten in der iris und deren physiologische Zusammenhänge. Rezept aus dem Auge. Aus der wissenschaftlichen Abteilung der Pascoe Pharmazeutische Präparate GmbH, Gießen 51982.
Hogan, Michael J.; Alvarado, Jorge A.;Weddel, Joan. Histology of the Human Eye. W.B. Saunders Company Philadelphia, London, Toronto 1971.
Kabisch, E. H. Die Irispigmente. Versuch der Erforschung ursächlicher Gegebenheiten. Herausgegeben vom Uslarer Kreis 1981.
Karl, Josef. Ein Irispigment und der “Faktor Zeit”. In: Naturheilpraxis. Fachzeitschrift für Naturheilkunde, Erfahrungsheilkunde und biologische Heilverfahren. 6/2006.
Lang, Walter. Die anatomischen und physiologischen Grundlagen der Augendiagnostik. Haug Verlag Ulm 1954.
Lindemann, Günther. Augendiagnostik-Lehrbuch. Befunderhebung aus dem Auge. Richard Pflaum Verlag, München 41997.
Rehwinkel, Jürgen; Wenske, Sigolt. Augendiagnose. Iris-Konstitution – Iris-Strukturen – Iris-Pigmente. Erhältlich beim Uslarer Kreis.
van den Toorn, Piet. Methoden und Grenzen der Augendiagnostik. Gedanken zu den Irispigmenten I: Drei Autointoxikationspigmente: In: Naturheilpraxis. Fachzeitschrift für Naturheilkunde, Erfahrungsheilkunde und biologische Heilverfahren. 4/1999.
van den Toorn, Piet. Methodik und Grenzen der Augendiagnostik Gedanken zu den Irispigmenten II: Lipochrome und Melanine. In: Naturheilpraxis. Fachzeitschrift für Naturheilkunde, Erfahrungsheilkunde und biologische Heilverfahren. 8/1999.

Anschrift des Verfassers:
Hermann Biechele
Kaiserstr. 51
80801 München

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Naturheilpraxis 11/2013

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