Akupunktur/TCM

Der San Jiao in Ost und West

Nicht unsichtbar, sondern allgegenwärtig

Christina Eul-Matern

Als wenn es für unser westlich-kausal geschultes Hirn nicht schon kompliziert genug wäre die Komplexität der Chinesischen Medizin mit all ihren Verknüpfungen und Aktivitäten zu erfassen. Jahre lang plagten wir uns auch noch mit dem Zuordnen eines Organs herum, das gar keines ist. Das also eigentlich nur Funktion bedeutet, aber keine Struktur hat, keinen Körper, keine Form. Nur tun tut es etwas und das ganz deutlich. Es geht um den San Jiao.


Vor allem das Nanjing, Huang Di Nei Jing (ca. 2500 v. Chr.) und Jin Gui Yao Lue (ca. 250 n. Chr.) beschreiben ein komplexes Gefüge, das sie San Jiao nennen. Diesen Texten zufolge, die auch die Grundlage dieses Artikels bilden, ist der San Jiao das umfassendste aller sechs Fu. Dies sowohl bezüglich seiner Ausdehnung, als auch seiner Funktion. Er ist ein Organ ohne eine stoffliche Entsprechung, zu dem es in der westlichen Anatomie keine Struktur gibt. Das „einzigarte Fu“, der San Jiao (Ling Shu) hat laut dem Klassiker der Schwierigkeiten Kapitel 38 einen Namen, aber keine Form. Der dreifache Erwärmer ist außerdem ein zusammenfassender Begriff für den oberen, den unteren und den mittleren Erwärmer (Jiao-shang = verbrennt oben; jiao-xiao = verbrennt unten; jiao-zhong = verbrennt Mitte).

Die Komplexität des Begriffs San Jiao erkennt man schon an seinem Namen: „San“ heißt übersetzt „drei“. Die drei Striche stehen für das Ganze: Himmel, Mensch, Erde. Wörtlich übersetzt heißt „San Jiao“ „drei, die brennen“ oder „drei, die versengen“. Das ist zu verstehen im Sinne von verändern, umwandeln, bereitstellen.

Es gibt drei Ansätze zu seiner Definition

  1. Eigenes Organsystem mit definierter Funktion aber ohne Struktur.
  2. Zusammenspiel der Zang Fu im Körper und darüber hinaus.
  3. Ein Aspekt von drei Aufgaben des Magens und der Milz.

Seiner Lokalisation nach, stellt der San Jiao nicht nur ein Röhrensystem dar, welches alle drei Körperhöhlen miteinander verbindet, sondern er ist ein komplexes Hüllen- und Beutelsystem, das alle Zang Fu umschließt und verbindet sowie auf bzw. in Tai Yin und/oder Yang Ming Leitbahn wirkt. Damit wirkt der San Jiao mit den in ihm zirkulierenden Substanzen über Haut, Muskeln, Faszien, Nervengewebe und Blutgefäße bis in die Zang Fu, Körperhöhlen und die Extremitäten.

Westlich betrachtet würde das die Annahme unterstützen, dass wir ihn nicht als „Organ“ mit eng umrissener Aufgabe, sondern als übergeordnetes Konzept des körperlichen Metabolismus und endokrinologischen Systems verstehen können. Es gibt Theorien, dass die Funktion des San Jiao der Pankreasfunktion oder dem Endokrinium entspräche, doch zu einem klaren Konsens kommt man nicht.

Was aber sagt die chinesische Medizin dazu?
Im San Jiao beginnt und endet das Qi!
Energetisch betrachtet hat er folgende Eigenschaften:
Er ist ein Nebel „wu“, Zersetzung „ou“ und Drainagekanal „du“.

Die Funktionen des San Jiao umfassen:

Yuan Qi und Zhen Qi bringen via San Jiao funktionelle Aspekte des Jing vom Ming Men zu den Körpergeweben und den Zang Fu.

Zhen Qi, das vor allem auch in den Leitbahnen fließt, verbindet und sorgt für Informationsfluss zwischen den Zang Fu. Damit leistet es auch einen Beitrag im Widerstand gegen pathogene Faktoren.

Yuan Qi als Lebensquellenergie stimuliert die Zang Fu und wirkt in den Höhlen, Gräben und Muskeln gegen pathogenes Qi. Wenn also das Zheng (aufrechte) Qi nicht alleine zu Recht kommt im Kampf gegen pathogene Energie, dann kommt das Yuan Qi zum Einsatz. An den Transport-Shu-Punkten jedes Hauptmeridians sammelt sich das Yuan Qi und tritt hier gesammelt an die Oberfläche, so dass der San Jiao kurz „verharrt“. Aus diesen Punkten sprudelt förmlich die Energie des Yuan Qi.

Beide, Yuan und Zhen Qi sind ein Teil des Zheng Qi.

Wei Qi ist das Abwehr Qi, fließt unter der Haut nah an der Oberfläche zwischen Muskeln und Gewebe und ist hauptsächlich mit dem Kampf gegen eindringende pathogene Faktoren beschäftigt. Daher ist es besonders schnell und flexibel und hält den Körper beweglich, indem es Muskeln wärmt, Zwischenräume und Gewebe nährt und verdichtet sowie die Haut stabilisiert. Wenn eindringende pathogenen Faktoren das Wei Qi blockieren, kann es zu Kribbeln und Taubheitsgefühl kommen. Schwellungen der Muskeln bzw. Zubildungen im Muskel können die Folge sein (Nei Jing). Akupunkturpunkte auf dem San Jiao Meridian können da Abhilfe schaffen.

Der San Jiao ist der Manager dieser drei Qi

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Die Wirkung der einzelnen Punkte ist vielfältig:

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Zusammenhang der Funktionen des San Jiao mit dem Ming Men und Pericard und deren Einfluss auf endokrinologische Störungen

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Vier Typen von Mechanorezeptoren in der Faszie sind bekannt:

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Die Faszie ist also intensivstes Sinnesorgan, formgebender Halteapparat, Immunsystem, Transportsystem in einem!

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Anschrift der Verfasserin:
Dr. Christina Eul-Matern
Meilbachstr. 11
65510 Idstein

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Naturheilpraxis 10/2013