Gefäße - Herz - Kreislauf

Rosskastanie und Esskastanie- zwei Stachelfrüchte zwei Welten

Bernd Hertling

Die Rosskastanie ist uns als Venenmittel bekannt. In meinem Beitrag zum Thema Kastanie habe ich die beiden Kastanien Rosskastanie (Aesculus) und Esskastanie (Castanus) – zwei Stachelfrüchte aus zwei Welten – verglichen! Letztere lag mir vor allem wegen der faszinierenden Baumsaurier, die ich in Italien angetroffen habe, am Herzen.


I. Aesculus hippocastanum – Rosskastanie

Wer sich, den Herbststürmen zu Trotz, in einem Biergarten niederlässt, den Kragen hochschlägt und sich unter einem der vorgeblich schützenden Bäume behaglich einrichtet, sollte auf keinen Fall vergessen, das Denkgehäuse mit einer geeigneten Schutzbedeckung zu versehen. Genauso sollte der Bierfilz umgewidmet werden und besser auf als unter das Glas gelegt werden, denn manche Bäume werden erst im Herbst „gefährlich“. Die meisten schlagen ja, Mozart hat’s verniedlichend vertont, im Mai aus, doch die klassischen Jupiterbäume, Eiche und Kastanie, bombardieren im Herbst mit den Erzeugnissen des Bienenfleißes bzw. der ehedem lieblichen Frühlingswinde. Eine Kastanie im Weißbier kann den Genuss trüben oder, je nach Einfallswinkel, den Gast wie einen Bayerntrainer nach Saisonende aussehen lassen. Dass das nicht immer so war, weiß man spätestens seit meinem Beitrag über die Linde aus dem Jahr 2011, da früher viele Wirte diese harmlosere Schattenspenderin als Gartenbaum gepflanzt hatten, da aber die Kastanie sich an unschöne Voralpengebräuche – es sei hier wiederholt, dass früher das „Bieseln“ unter den Tisch entlang eines Stockes nicht sittenwidrig war und die hohen Harnstoffkonzentrationen im Boden den Linden nicht so behagten – besser anpasste, dominiert sie heute, Darwin lässt grüßen, die Biergartenkultur Bayerns.

Geschichte:

Der aufmerksame Spaziergeher oder Wanderer wird bemerken, dass man diesen schönen, imposanten Baum selten außerhalb der bewohnten Bereiche und nur sehr vereinzelt in einem Wald antrifft. Meist findet er sich solitär oder in kleinen Gruppen, es sei denn, es wurde von vorneherein eine Allee oder ein Kastanienhain angelegt.

Um gleich mit der Ausnahme zu beginnen: Sogar der Kastanienbaum mitten im Wald ist in der Regel vom Menschen dorthin gebracht worden. Man spricht hierbei von „Anti-Rheuma-Bäumen“. Einem alten (Aber?)Glauben zufolge tragen Männer Kastanien in der Hosentasche, um sich damit gegen den Rheumatismus oder die Gicht, jedenfalls das „Reißen“ in den Gliedern, zu schützen. Doch meist findet man irgendwann schönere und wirksamere und wirft die schon vorhandenen weg. Da die Kastanie ja nichts anderes ist als ein Same, kann sie dort u.U. noch keimen und so wächst auch mal außerhalb des Weichbildes von Ortschaften so ein „Gichtbaum“1 heran.

Diese Gebundenheit an Ortschaften hat ihre Ursache darin, dass fast immer der Mensch für die Ausbreitung der Kastanien sorgt. Sie ist nämlich ein Kulturfolger, wenn nicht gleich ein reiner Kulturbaum. Es geht die Sage, die Römer hätten die Kastanie importiert, doch muss man dies tatsächlich in den Bereich der Fabel verweisen, da die Kastanie, die ursprünglich auf dem östlichen Balkan (Nordgriechenland, Bulgarien) beheimatet war, erst mit der Expansion des Osmanenreiches im sechzehnten Jahrhundert nach Mitteleuropa kam. Vermutlich gingen schon aus dieser Zeit vereinzelt Bäume hervor.

II. Castanea sativa – Esskastanie / Edelkastanie

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Anmerkungen
1 Einer der vielen Volksnamen der Kastanie.

Literatur:
Bäumler, Siegfried: Heilpflanzen Praxis Heute, I Arneipflanzenporträts, Jena und München U&F, 2012.
Beuchert, Marianne: Symbolik der Pflanzen, Frankfurt /M., 2004.
Brosse, Jaques: Mythologie der Bäume, Olten u. Freiburg, 1989.
Karl, Josef: Phytotherapie, München, 1978.
Ders.: Neue Konzepte für die Praxis der Naturheilkunde, München, 1995.
Hegi, Dr. Gustav: Illustrierte Flora von Mitteleuropa Bd. V/1, München, 1906.
Müller, Irmgard: Die pflanzlichen Heilmittel bei Hildegard von Bingen, Freiburg/Basel/ Wien, 1993.
Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (Hg.): Der Wald, seine Bäume und Sträucher, München, o.J.

(Fotos: B. Hertling)

Anschrift des Verfassers:
Bernd Hertling
Nettelkofenerstr. 1
85567 Grafing

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Naturheilpraxis 10/2013