Mensch und Heilpflanze

Wolfstrapp (Lycopus europaeus)

Von der Signatur zur therapeutischen Anwendung

M. Rupprecht

Im Zusammenhang mit Schilddrüsenerkrankungen ist die Betrachtung des Begriffs Homöostase sehr erhellend. Die Medizin versteht darunter ein Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen. Das Wort leitet sich von den beiden altgriechischen Vokabeln homoios – gleich und stasis – Stand, Zustand ab. In Bezug auf die Schilddrüse kann man unter Homöostase die Herstellung einer Ausgewogenheit zwischen Energiebedarf und Energieverbrauch verstehen.



In einer ausgeglichenen Lebenssituation, wenn ein klarer Rhythmus den Alltag bestimmt, ist auch der Energiebedarf klar begrenzt. In der Regel wird ein hoher Effizienzgrad erreicht: Der Mensch ist mit einem fest umrissenen Maß an Energie zu einem hohen Maß einer Leistung fähig. In Stresssituationen sieht das ganz anders aus: Wenn man zu viele Dinge gleichzeitig erledigen muss, die Konzentration nachlässt und sich das Gefühl einstellt, die Aufgaben aufgrund von Zeitdruck nur zur Hälfte zu schaffen, dann ist der Wirkungsgrad gering: Man braucht viel Energie für wenig Leistung. In solchen Zeiten arbeitet die Schilddrüse auf Hochtouren, doch interessanterweise ist der Betroffene dadurch nicht leistungsfähiger, sondern eher geschwächt: Sein System ist „überdreht“, er fährt zu hochtourig. Was schon den meisten Automotoren nicht gut bekommt, ist für lebende Systeme erst recht kaum zu schaffen. Echte Leistungsfähigkeit und ein hoher Effizienzgrad sind dann nicht mehr gewährleistet. Wer sich zu sehr verausgabt, kann letztlich nicht mehr substantiell etwas hergeben. Goethe hat dieses Phänomen mit einem humorigen kleinen Gedicht auf den Punkt gebracht:

  Ein Kaiser hatte zwei Kassiere,
einen zum Nehmen, einen zum Spenden;
diesem fiel´s nur so aus den Händen,
jener wusste nicht, woher zu nehmen.
Der Spendende starb; der Herrscher wusste nicht gleich,
wem das Geber-Amt sei anzuvertrauen.
Und wie man kaum tät´ um sich schauen,
so war der Nehmer unendlich reich;
Man wusste kaum vor Gold zu leben,
weil man Einen Tag nichts ausgegeben.
Da ward nun erst dem Kaiser klar,
was schuld an allem Unheil war.
Den Zufall wußt´ er wohl zu schätzen,
nie wieder die Stelle zu besetzen.

 

Das Gedicht schildert anschaulich ein Problem, das auch in der Therapie einer Schilddrüsenüberfunktion eine Rolle spielt: Wie kann es gelingen, den Patienten in eine Homöostase zurückzuführen, dahingehend, dass er seine Energie sparen und sich vor allzu großer Verausgabung schützen lernt? Das Wiederfinden eines klaren Lebensrhythmus mit hohem Effizienzgrad ist ein Prozess, der von der Heilpflanze Lycopus (Wolfstrapp, Wolfsfuß) wirkungsvoll unterstützt wird.

Hochstrukturiert

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Eine junge Heilpflanze

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Pharmakologie

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Literatur:
Goethes Gedichte in zeitlicher Folge. Insel Verlag, Frankfurt 1999
Roger Kalbermatten: Wesen und Signatur der Heilpflanzen. Die Gestalt als Schlüssel zur Heilkraft der Pflanzen. AT Verlag, Aarau (Schweiz) 2002
Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Band 8. Mediamed Verlag, Ravensburg 1989
Artur Burger, Helmut Wachter: Hunnius – Pharmazeutisches Wörterbuch. Walter de Gruyter, Berlin 2004
Mannfried Pahlow: Das Grosse Buch der Heilpflanzen. Bechtermünz Verlag, Eltville 2001
Hildebert Wagner, Markus Wiesenauer: Phytotherapie. Phytopharmaka und pflanzliche Homöopathika. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2003
Volker Kaeppel, Joachim Weiß: Wörterbuch Medizinischer Fachausdrücke. Dudenverlag, Mannheim 2007
Fotos Wikipedia

Weitere Quellen:
Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage, 2001, de Gruyter;
Volker Fintelmann/Rudolf Fritz Weiss, Lehrbuch Phytotherapie, 12., überarbeitete Auflage, 2009, Hippokrates Verlag, Stuttgart.
Dr. med Gisela Pfister-Hotz, Phytotherapie in der Geriatrie, Tagungsbericht 11. Schweizerische Tagung für Phytoherapie, Forsch Komplementärmed 1997;4:134-135; S. Karger GmbH, Freiburg.

Anschrift der Verfasserin:
Margret Rupprecht
Heilpraktikerin und Medizinjournalistin
Hohensalzaer Str. 6a
81929 München

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Naturheilpraxis 9/2013