Bernd Hertling
Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht -dichtete einst Heinrich Heine. Auch wenn diese zwei Zeilen ihre Entstehung damals einem aktuellen politischen Umstand verdanken, haben sie offenbar eine fast schon als zeitlos zu bezeichnende Gültigkeit. Wirklich Sorgen machen sollten wir uns allerdings um das „köstlichste Gut“, wie der Text des Grundgesetzes die Kinder nennt, und ihre Zukunft. So leiden denn an der Volkskrankheit Schlaflosigkeit leider überdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche. Im Vorschulalter sind ca. 20%, im Schulkindalter etwa 10% betroffen. Schlaf ist Erholung und wer sich nicht erholen kann, wird unweigerlich krank!
Schlaf ist ein Grundbedürfnis des Menschenwesens, es braucht ihn wie etwa Nahrungsaufnahme oder Atemluft, um leben zu können. Dabei kommt es, wie bei den anderen Grundbedürfnissen übrigens auch, nicht nur auf die Masse, sondern auch, oder vielmehr auf die Qualität an.
Statistiker haben herausgefunden, dass die bürgerliche Durchschnittsnacht von 23.04 Uhr bis 06.18 Uhr dauert, was mit sieben Stunden Durchschnittsschlaf gleichzusetzen wäre. Dies entspricht auch der von Schlafforschern ermittelten optimalen Schlafzeit. Dabei gibt es, um dieses Bedürfnis gesellschaftspolitisch gewährleisten zu können, sogar den gesetzlichen Schutz der Nachtruhe, zwischen 22 Uhr abends und sechs Uhr morgens. Insofern wäre es also sinnvoll, eben diese geschützten Stunden auch dem Schlaf zu widmen, denn der Rechtsschutz gilt nur der Nachtruhe, nicht dem individuellen Schlafbedürfnis. Wer also mittags schlafen will, muss selbst sehen, wo er bleibt. Lediglich die VR China gewährt ihren Bürgern den gesetzlich verbrieften Luxus von 1 ½ Stunden Mittagsschlaf. Die hora sexta, die Siesta, ist keine Erfindung der „faulen Mittelmeeranrainer“, sondern Produkt aller Ackerbauernkulturen und fördert ganz allgemein die Rekreation, vor allem dann, wenn Nachtschlaf fehlt. Nomadische Kulturen hingegen kennen den Brauch des Mittagsschlafes nicht. Offenbar brauchen sie ihn eben nicht. Doch wie sagt Pascal2: Es gibt keine wahre Befriedigung ohne ein wahres Bedürfnis. Dies missversteht so mancher, vor allem jugendliche Mensch, der „zur rechten Zeit“ ins Bett sollte und just zu diesem Zeitpunkt „überhaupt nicht müde“ zu sein vorgibt, weshalb er dann auch keinen Schlaf bräuchte. Dabei ahmt er unter Umständen nur die Elterngeneration nach. Wer kennt das nicht? Was seine Bedürfnisse angeht, unterliegt der Mensch gerne der Selbsttäuschung.
Literatur:
Steinbrecht-Baade, Chr. und Wensauer, J (Hgg.): Das Kind in der naturheilkundlichen Praxis, München 2006, (Neuauflage 2013)
Tomatis, Alfred A.: The Ear and Learning Difficulties, o.O. 1979
Werner, Monika u. Ruth von Braunschweig: Praxis Aromatherapie, Stuttgart 2006
Zulley, Jürgen: Mein Buch vom guten Schlaf, 2005
Zulley, Jürgen und Knab: Unsere innere Uhr, Natürliche Rhythmen nutzen, Mabuse Verlag 2009
dto: Die kleine Schlafschule, Wege zu gesundem Schlaf, Herder Verlag 2002
Anschrift des Verfassers:
Bernd Hertling
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Naturheilpraxis 9/2013