Heilmittel der Sonne

Gelb wie die Sonne und schön wie die sagenumwobene Helena: Alant – Inula helenium L.

Claudia Ritter

Volksnamen: Alantwurz, Altwurz, Brustalant, Darmwurz, Edelharzwurz, Edelherzwurz, Edelwurz, Elfenampfer, Glockenwurz, Gottesauge, Helenenkraut, Odinsauge, Odinskopf, Olat, Schlangenwurz, Sonnenwurz, Weihrauchwurz, Wodanshaupt.


Gehe am Donnerstagabend,
wenn die Sonne untergegangen ist, dahin,
wo du Alant stehen weißt;
singe das Benedicite und Paternoster und die Liternei,
und stecke dein Messer an das Kraut...
Laß es liegen, bis die Sonne auf ist...
sing ein Paternoster und Credo und
Gloria in excelsis Deo darüber...
und trinke den Trank,
dann wird ihm bald wieder besser sein.“

Auszug aus dem angelsächsischen Neunkräutersegen des 11. Jahrhunderts, zitiert nach Marzell, 1963

Etymologie, Symbolik und Signatur

Der stattliche Alant wirkt mit seinen goldgelben Blüten wie eine von Kinderhand gezeichnete Sonne. Gelb wie die Sonne und schön wie die sagenumwobene Helena – so könnte man das Erscheinungsbild der Alantblüte zusammenfassen. Darauf spielt auch die botanische Artbezeichnung helenium an. Schon in antiker Zeit wurde das griechische helénion auf die schöne Vegetationsgöttin Helena bezogen, aus deren Tränen die Pflanze entsprossen sein soll als diese den Tod des sagenhaften Canopus / Kanôbos betrauerte. Dieser war als Schiffskapitän auf der Suche nach ihr, nachdem sie von Paris entführt wurde. Canopus, der zweithellste Stern am Nachthimmel, überstrahlt bis auf Sirius alle anderen Sterne und dient noch heute als Navigationshilfe.

Auf den ersten Blick scheint es keine Verbindung zwischen dem griechischen helénion und der deutschen Bezeichnung Alant zu geben, die sich schon in Dokumenten des 11. Jahrhunderts findet. Der Name der Heilpflanze soll jedoch aus dem althochdeutschen alan(t) aus dem mittellateinischen elen oder elna, dessen Wurzeln das griechische helénion ist, entstanden sein. Die Volksnamen Odinskopf, Odinsauge und Wodanshaupt kann man als Metapher des Gottes Wodan, Wotan oder Odin verstehen, der als Gott des Tages nur ein Auge, nämlich die Sonne, hat. Das gilt ebenso für die volkstümliche Bezeichnung Gottesauge.

Insgesamt ist Alant mit seiner majestätischen Gestalt, dem scheibenförmigen Blütenboden, den strahlenförmig angeordneten Zungenblüten und der leuchtend gelben Blütenfarbe als Sinnbild der wärmenden Sonne zu verstehen. So finden wir in den Kräuterbüchern der Renaissance auch Indikationen wie „Altantwurzel erwärmet die kalten Glieder und Magen“ (Lonitzer, 1679). Noch heute wird die Alantwurzel in der Traditionellen Chinesischen Medizin zur Behandlung von chronischen Lungen-Kälte-Syndromen eingesetzt. Gelb ist die strahlendste aller Farben. Es hebt die Stimmung bei Melancholie, Mutlosigkeit und seelischen Tieflagen und lässt uns im wahrsten Sinne wieder durchatmen. In Form des Alantweins war Alant im Mittelalter das Universalheilmittel schlechthin gegen verschiedenste körperliche Beschwerden, aber auch gegen Zorn und Traurigkeit. Seine imposante Größe zeugt von Stärke, Kraft und Mut, die in den depressiven Phasen des Lebens wieder aufatmen lassen.

Die feinen und dichten Haarborsten an der Unterseite der Laubblätter und Stängel lassen an die Flimmerhaare der Atemwege denken, deren Hauptaufgabe es ist, durch stetes Schlagen Schleim und eingeatmete Fremdstoffe aus den Lungen zu transportieren. Zudem zeigt das weiße, schwammige Mark der Stängel eine Signatur zu dem Lungengewebe. Tatsächlich hat der „Brustalant“ als auswurfförderndes, schleim- und krampflösendes Heilmittel eine lange Heiltradition. So mag es auch nicht verwundern, dass Alant in der christlichen Symbolik für Er-Lösung steht.

Brauchtum und Sagenhaftes

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Heilanwendung

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Rezepte

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Wildkräuterküche

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Räucherwerk

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Literatur:
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http://de.wikipedia.org/wiki/Echter_Alant

Anschrift der Verfasserin:
Claudia Ritter
Heilpraktikerin
Im Obstgarten 12b
92637 Weiden
www.heilpraktikerin-ritter-claudia.de

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Naturheilpraxis 6/2013