SPEZIAL

Adipositas durch Bisphenol A

Jens Bielenberg

Die chronische Erkrankung Adipositas hat weltweit epidemische Ausmaße angenommen. Der Anteil übergewichtiger Kinder hat sich in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren mehr als verdoppelt. In Deutschland sind etwa 15 % der 3- bis 17jährigen Kinder übergewichtig und rund sechs Prozent adipös. Mangel an Bewegung und falsche Ernährung werden als Auslöser diskutiert. Aber es verdichten sich nun die Anzeichen dafür, dass es auch eine andere Ursache gibt: Wissenschaftler der New Yorker Universitätskinderklinik haben vor kurzem entdeckt, dass die Urin-Konzentration von Bisphenol A (BPA) signifikant mit Übergewicht bei weißen Kindern im Alter von 6 bis 19 Jahren assoziiert ist. Eine chinesische Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass Bisphenol A die Adipogenese durch Erhöhung der Konzentration der 11b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase1 (11b-OHSD1) im Fettgewebe von Kindern erhöht.


Aufsehen erregt haben neuere Untersuchungen über den Bisphenol A-Gehalt von Papierwaren. Der tägliche Umgang mit Papiergeld sowie Rechnungsrollen führte zu einer dermalen Absorption von Bisphenol A von einigen Nanogramm pro Tag.

Welche Rolle spielen Umweltschadstoffe, bei dem immer größer werdenden Problem „Adipositas“? Welchen Anteil an der Bisphenol A-Belastung haben Papierprodukte?

Bisphenol A war eine der ersten synthetischen Substanzen, von der bekannt wurde, dass sie das natürliche weibliche Sexualhormon Östrogen in der Wirkung nachahmen kann. Die britischen Biochemiker Edward Charles Dodds und Wilfrid Lawson suchten 1936 nach Chemikalien, die in der Lage waren, in der medizinischen Therapie das natürliche Östrogen zu ersetzen. Dieses weibliche Hormon war extrem teuer, da es bis dahin aufwändig aus dem Urin schwangerer Stuten aufbereitet werden musste. In noch heute ähnlich durchgeführten Tierversuchen mit Ratten, denen die Eierstöcke entfernt wurden, identifizierten sie Bisphenol A als Substanz mit schwacher östrogener Aktivität. Trotzdem machte Bisphenol A keine Karriere in der Pharmazie, da die gleichen Forscher bald darauf sehr viel potentere synthetische Östrogene identifizierten, zu denen vor allem Diethylstilbestrol (DES) gehörte, das in den nächsten Jahrzehnten als Arzneimittel angewendet wurde. Alternativ machte Bisphenol A eine Karriere als Industriechemikalie.
Bisphenol A (BPA) ist Grundstoff zur Herstellung des Kunststoffes Polycarbonat sowie von Epoxidharzen. Es verleiht dem Kunststoff eine hohe Festigkeit, Zähigkeit, Steifheit und Härte sowie gute elektrische Isolierfähigkeit. Bisphenole sind entflammbar, brennen aber nach Entfernen der Zündquelle nicht weiter. Sie sind enthalten in vielen Alltagsgegenständen:
• Babyschnullern
• Plastikgeschirr
• Konservendosen
• Thermopapier
• Medizinischen Geräten (z.B. zur Dialyse)
• Gehäusen von Computern

BPA konnte neuerdings auch im Hausstaub von Kindertagesstätten nachgewiesen werden. Es gehört zu den hormonellen Schadstoffen, die bereits in winzigen Mengen in unseren Hormonhaushalt eingreifen können. Innerhalb Deutschlands werden jährlich ca. 41.0000 t vermarktet. Weltweit werden mehr als sechs Milliarden Pfund pro Jahr produziert mit einer Wachstumsrate von 6 bis 10 % pro anno.1 Der mittlere Gehalt an Bisphenol A ist mittlerweile höher als die Konzentration, die in Mäusen zur Beeinträchtigung der Sexualfunktion führen kann.

(Quelle:
Bund für Umwelt- und Naturschutz
www.bund.net/themen)

Wie gelangt Bisphenol A in den menschlichen Körper?
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Bisphenol A in Papierwaren und Geldscheinen
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Die Wirkung von BPA auf Präadipozyten
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Bisphenol A und männliche Infertilität
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Fazit:

Wir sind in vielfältiger Weise mit dem Umweltschadstoff Bisphenol A konfrontiert. Hauptquelle sind Nahrungsmittel, doch es gibt auch andere Wege der Kontamination, wie Papierprodukte. In der internationalen medizinischen Literatur häufen sich Meldungen, dass Bisphenol A biochemische Veränderungen im zentralen Nervensystem, Auswirkungen auf das Immunsystem und eine erhöhte Prädisposition gegenüber Brustkrebs verursachen kann. Neuerdings wird auch ein Zusammenhang zwischen männlicher Infertilität und BPA diskutiert. Die neuere Untersuchung aus China und den USA geben Anlass zu der Besorgnis, dass auch Adipositas zum Symptomspektrum einer Bisphenol A-Belastung gehört. Nach DDT und polychlorierten aromatischen Biphenylen scheint der dritte „apokalyptische Reiter“ am Horizont aufzuziehen. Wann lernen wir aus unseren Fehlern? War nicht schon lange bekannt, dass Bisphenol A eine hormonelle Aktivität besitzt? In Frankreich soll ab 2015 Bisphenol A aus allen Lebensmittelverpackungen verbannt sein. Ein sofortiges Verbot weltweit ist mit Nachdruck zu fordern. Bei der Diskussion um die Bedenklichkeit von Bisphenol A sollte nicht zu viel Zeit verloren werden. Es gibt zurzeit ca 30.000 alte Stoffe auf dem Markt, von denen in den letzten zehn Jahren ca. 100 endgültig bewertet wurden, so dass eine endgültige Risikoabschätzung möglich wird. Der Rest gelangt unkontrolliert in die Umwelt. Ein neuer Anfang in der Chemikalienpolitik ist die Auflage für die Produzenten, eigenverantwortlich Risikoeinschätzungen zu machen, die von den Behörden nur noch überprüft werden müssen. Immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.

Literatur:
1 Meeker J.D., et al.: Semen Quality and sperm DNA damage in relation to urinary Bisphenol A among man from an infertile clinic, Reprod Toxicolgy 2010, 3041:532-9
2 Liao C., Kannan K.: High levels of Bisphenol A in paper currencies from several countries, and implications for dermal exposure, Environ Sci Technol 2011,4(16) : 6761-8
3 Liao C., Liu F., Kannan K.: Bisphenol S, a new bisphenol analogue, in paper products and currency bills and its association with bisphenol A residues, Environ Sci Technol 2012, 46(12): 6515-22
4 Geens T., Goeyens L., Kannan K., Neels H., Covaci A.: Levels of bisphenol A in thermal paper from Belgium and estimation of human exposure, Sci Total Environ. 2012 Okt., 435-6:30-3
5 Tomlinson J.W., Stewart P.M.: The Functional Consequences of 11b-Hydroxysteroid Dehydrogenase Expression in Adipose tissue
6 Mansuno H. et al.: Bisphenol A in combination with Insulin can accelerate the conversion of 3T3-La –fibroblasts to adipocytes, J Lipid Res. 2002, 43: 676-684
7 Trasande L., Attina T.M., Blustein J.L.: Association between urinary bisphenol A concentration and obesity prevalence in children and adolescents, Jama 2012 Sept.19, 308(11):1113-21
8 Wang J., Sun B., Hou M., Li X.: The environmental obesogen bisphenol A promotes adipogenesis by increasing the amount of 11b-Hydroxysteroiddehydro-genase type1 in the adipose tissue of children, International J of Obesity (23.Oktober 2012)doi:10.1038/ijo.2012.173
9 Wong E.W., Cheng Cy.: Impacts of environmental toxicants on male reproductive dysfunction, Trends pharmacol Sci 2011,32(5).290-9

Anschrift des Verfassers:
Jens Bielenberg
Apotheker
Bahnhofstr.53
25364 Westerhorn

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Naturheilpraxis 5/2013