Alte Verfahren

„Wider allerlei krankheiten und gebrechen der zeen!“

Ernst-Albert Meyer

Bereits in der Jungsteinzeit vor 6500 Jahren bekamen Menschen Zahnfüllungen – vermutlich um Schmerzen zu lindern. Das zeigt ein Kieferknochen inklusive Zahn mit Bienenwachsfüllung, den Forscher in Slowenien gefunden haben. „Diese Entdeckung ist vielleicht das älteste Beweisstück für vorgeschichtliche Zahnmedizin in Europa und das früheste Beispiel für eine therapeutisch-schmerzlindernde Zahnfüllung“, sagte Federico Bernardini vom Internationalen Zentrum für Theoretische Physik in Triest. Er präsentiert den Fund in „Plos one“. Das Bienenwachs könne kurz vor oder kurz nach dem Tod des Menschen in den Zahn eingearbeitet worden sein. Wann genau sei aber unklar. Sollte der zahnmedizinische Eingriff erfolgt sein, bevor der Patient starb, habe die Füllung wohl Schmerzen lindern und einen Riss im Zahnschmelz schützen sollen. (aus „DIE WELT vom 20. Sept. 2012)


Wer über Zahnschmerzen klagt, hat meist das ungeteilte Mitgefühl seiner Mitmenschen. Das war zu allen Zeiten so! Der berühmte französische Chirurg Ambroise Paré (1517 bis 1790) schrieb: „Der Zahnschmerz ist der heftigste und grausamste aller Schmerzen, die nicht zum Tode führen.“(1) Die Zahnmedizin vergangener Zeiten basierte auf Aberglauben, Quacksalberei, aber auch handwerklichem Können und verlangte von den Kranken eine große Leidensfähigkeit.

Der „Zahnwurm“ – die Wurzel allen Übels

Es gibt sehr alte Aufzeichnungen, die sich mit der Behandlung von Zahnbeschwerden beschäftigen. Schon 2700 v. Chr. wird aus China berichtet, dass man mit Silber- und Goldnadeln in schmerzende Stellen des Zahnfleisches und des Kiefers stach, um die Symptome zu lindern. Ein Verfahren, das heute als Akupunktur bezeichnet wird. Über 3500 Jahre glaubten die Menschen, dass ein kleiner Wurm im Zahn die kariöse Zerstörung des Zahnes und Zahnschmerzen verursacht. Die erste Beschreibung des „Zahnwurmes“ finden wir um 1800 v. Chr. in der mesopotamischen Heilkunde. Hier ist die Entstehung des „Plagegeistes“ überliefert: „Als Anu den Himmel erschaffen, der Himmel die Erde erschaffen,…der Sumpf den Wurm erschaffen, da ging der Wurm weinend zu Schamasch (dem Sonnengott) …Hebe mich auf und laß mich zwischen Zähnen und Zahnfleisch wohnen! Der Zähne Blut will ich trinken, des Zahnfleisches Wurzeln will ich fressen!“(2) Dann folgt eine Beschwörungsformel, die den „Dämon Zahnwurm“ bannen soll: „Weil du dieses sagtest, Wurm, möge dich (der Gott) Ea schlagen mit seiner starken Hand!“(3) Dieser Text muss dreimal gesprochen werden. Anschließend wird eine schmerzlindernde Mischung aus verschiedenen Arzneien auf bzw. in den Zahn gelegt. Der Leibarzt des römischen Kaisers Claudius, Scribonius Largus empfiehlt im 1. Jahrhundert n. Chr., den Zahnwurm durch Räucherungen mit dem narkotisch wirkenden Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) abzutöten. Er beschreibt hier seine Erfahrungen: „Manchmal wird dabei etwas, was wie kleine Würmer aussieht, herausbefördert.“(3) Räucherungen gegen den Zahnwurm sind auch aus dem Mittelalter, z.B. bei Hildegard von Bingen, überliefert.

Was Hippokrates über die Karies schreibt

Der weit gereiste griechische Historiker Herodot (um 484 bis um 420 v. Chr.) lobte nach seiner Rückkehr aus Ägypten die hohe Spezialisierung der dortigen Ärzte: „Dieses Land ist voller Ärzte, es gibt solche für die Augen, den Kopf, die Zähne, den Mund und für die noch ungeklärten Krankheiten.“(4) Die Ärzte der Antike beschreiben in ihren Werken – was kaum bekannt ist – ausführlich die Zähne und ihre Erkrankungen.

Auch der berühmte griechische Arzt Hippokrates (460 bis 380 v. Chr.) beschäftigt sich ausführlich mit Zahnerkrankungen. Er scheint aber nicht an den Zahnwurm zu glauben. Denn er beschreibt erstmals äußere Faktoren als Ursache für die Karies: „Die Kälte ist ein Feind der Zähne, die wegen Schleimansammlungen unter den Wurzeln schmerzhaft werden. Karies tritt auf, weil die Zähne durch diesen Schleim und Nahrungsmittelüberreste angegriffen werden; dabei werden vor allem die schwächsten und die am wenigsten verwurzelten befallen.“(5) Seine Therapie ist vielfältig, aber auch eigenartig. Gegen Zahnfleischschwellungen und Zahnschmerzen empfiehlt der Arzt das Gurgeln mit Bibergeil (die getrockneten zwischen After und Geschlechtsteil des Bibers liegenden Drüsensäcke) und Pfeffer. Gegen Abszesse im Mund soll ein Sud aus getrockneten Linsen helfen. Einen Aderlass und Umschläge mit der Aloe-Pflanze rät er bei geschwulstartigen Entzündungen des Zahnfleisches.

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Urin zum Zähneputzen

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Was vor der Zahnbürste kam

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Celsus und Galen entwickeln die Zahnheilkunde weiter

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Zahnprothesen in der Antike?

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Heilige Appolonia hilf!

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Die „außbrechung der bösen zene“

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„Spucke gekaute Brotrind …!“

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Was die „Fachliteratur“ empfiehlt

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Die „Schattenseite“ des Sonnenkönigs

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In Frankreich entwickelt sich der Zahnarztberuf

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Literatur:
(1) (4) (5) (6) (7) (10) (11) Toellner, R.: Ilustrierte Geschichte der Medizin, Band 1, Andreas & Andreas, Verlagsbuchhandel Salzburg 1990
(2) (3) Schott, H.: Die Chronik der Medizin, Chronik Verlag Dortmund 1993
(8) (9) Karger-Decker B.: Von Arzney bis Zipperlein, edition q Berlin 1992
(12) Schauber V., Schindler H-M.: Die Heiligen im Jahreslauf, Pattloch Verlag Augsburg 1990
(13) (14) (15) (16) (17) (18) (19) (20) Fabich F.: Bauernmedizin, Rosenheimer Verlagshaus 1991
(21) (22) Zander H, C.: Napoleon in der Badewanne, Rowohlt Taschenbuch Verlag Hamburg 1979

Anschrift des Verfassers:
Ernst-Albert Meyer
Fachapotheker für Offizin-Pharmazie und Medizin-Journalist
Oldendorfer Str. 44
31840 Hessisch Oldendorf

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Naturheilpraxis 1/2013