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Wolf-Dieter Storl ist 70 geworden

Peter Germann

„Suchst du das Höchste, das Größte?
Die Pflanze kann es dich lehren.
Was sie willenlos ist,
sei du es wollend – das ist’s.“
(Friedrich Schiller)

Ausgerechnet an einer riesigen Fassade eines Geschäftsgebäudes in Yokohama las ich diese Zeilen. Dieser kurze Vers ist dermaßen tiefgründig, dass man es nur schwer in kürzerer Form so treffend ausdrücken könnte.

Ebenso fängt Wolf-Dieter Storl sein Buch „Die Seele der Pflanzen“ mit diesem schon als Koan zu bezeichnenden Text an. Es geht um tiefes Naturverständnis, denn erst dann ist der Naturheilkundige in der Lage, den Patienten möglichst allumfassend zu verstehen und zu therapieren.

Wolf-Dieter Storl konnte nun seinen 70. Geburtstag feiern. Er wurde am 1. Oktober 1942 in Sachsen geboren. Mit seinen Eltern flüchtete er Ende des Krieges nach Oldenburg, wo die Familie auch bis Anfang der fünfziger Jahre lebte. Dann erfolgte die Auswanderung nach Amerika. Dort, in seiner zweiten Heimat Ohio, verbrachte Storl als Junge die meiste Zeit in den Wäldern, wann immer die Umstände es zuließen. Nach der Schulzeit schrieb er sich als Botanikstudent an der Ohio State University ein. Vom Laborbetrieb dort angeödet, wechselte er in den Bereich der Anthropologie. Nach seinem Abschluss wurde Storl zunächst Assistent, dann Vollzeitdozent für Soziologie und Anthropologie an der Kent Stae University. Zurückgekehrt nach Europa, promovierte er 1974 zum Doktor der Ethnologie in Bern. Es folgten universitäre Lehrstellen in Wien, Oregon und Genf, Gastdozenturen in Bern sowie in Wyoming.

Doch der rein akademische Betrieb lastete Wolf-Dieter Storl nie aus. Er war und ist begeistert von anderen Ländern und Kulturen. Diese Reisen sowie ethnografische und ethnobotanische Feldforschungen prägten sein Denken, welches sich in seinen zahlreichen Publikationen niederschlägt. Er sammelte Erfahrungen in einer traditionellen Spiritistensiedlung in Ohio, als Gärtner in einer Camphill-Kommune südlich von Genf, bei alteingesessenen Bauern im Emmental, Medizinmännern der Northern Cheyenne sowie bei Shiva Sadhus in Indien und Nepal. Sein Interesse galt immer der wilden Natur, aber auch dem Gärtnern. Von all den traditionellen Völkern lernte er viel über das Wesen der Pflanzen, was sich dann mit seinen akademischen Erkenntnissen zu einem einzigartigen Konglomerat verband. 1988 zog er mit seiner Familie in das Allgäu, wo er bis heute schreibt und lehrt. Gegenwärtig interessieren ihn besonders die traditionelle Pflanzenheilkunde der indigenen europäischen Waldvölker und das frühchristliche Mittelalter.

Für unseren Fachkreis ist Wolf-Dieter Storl im Bereich der Pflanzenheilkunde im weitesten Sinne gar nicht weg zu denken. Die verbindenden ethnologischen und mystischen Aspekte mit der Humoralpathologie und Pharmakologie sind einzigartig. Nach Seminaren und Exkursionen eröffnen sich dem Therapeuten ganz neue Welten. Für sein bisheriges Wirken im Bereich der Naturheilkunde ist Wolf-Dieter Storl vom BDH mit der Clemens-von-Bönninghausen-Medaille ausgezeichnet worden. Wir von Phytaro können uns eine umfassende phytotherapeutische Ausbildung ohne ihn gar nicht vorstellen.

Peter Germann

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Naturheilpraxis 11/2012