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Augenmuskeln und ihre Bedeutung – Abstufungen der Qualität des binokularen Sehens

Abstufungen der Qualität des binokularen Sehens

Margret Rupprecht

Augenmuskeln haben eine übergeordnete Bedeutung, sie nehmen beim Menschen eine dominante Stellung ein. Keine andere Muskelgruppe wird mit vergleichbarer Präzision gesteuert. Die zwölf Augenmuskeln, sechs an jeder Seite, müssen die optischen Achsen mit einer Genauigkeit von 0,29 mm auf 0,4 m auf den Punkt steuern. Beim Lesen oder Arbeiten in der Nähe ist diese präzise Zentrierung nicht nur auf einen Punkt, sondern auch bei Augenbewegungen im gesamten Blickfeld zu halten.


Da die Anatomie nicht immer so präzise ist, wie dies von der Optik und der Orthoptik her notwendig wäre, werden Abweichungen mit höchster Genauigkeit kompensiert. Nur so kann das binokulare Einfachsehen und die Stereopsis (räumliches Sehen) aufrechterhalten werden. Gelingt dies aber motorisch nicht mehr, wird zuerst der Panumbereich erweitert und über die Sensorik werden bestimmte Areale unterdrückt. Denn mit Doppelbildern, die bei schlechter Zentrierung auftreten würden, kann der Mensch auf Dauer nicht leben.

Der Thalamus (Hirnstamm) ist die zentrale subkortikale Sammel- und Umschaltstelle des Zentralnervensystems für alle der Großhirnrinde zufließenden Erregungen aus der Umwelt und der Innenwelt. Hier ist der Empfindungsbereich für Sehnerv, Temperatur und Berührung, das so genannte Tor zum Bewusstsein. Es handelt sich entwicklungsgeschichtlich um den ältesten Teil unseres Gehirns. Die Kerne der Augenmuskulatur, der Irismuskeln, des Gleichgewichtsorgans, des Innenohrs, des Geschmacks und der Kaumuskulatur, der Eingeweidemuskulatur HWS- und BWS-Muskulatur sind miteinander verschaltet.

Kleinste Winkelfehlsichtigkeiten (Heterophorien) können Auslöser für verschiedene Beschwerden und Ursache von Therapieresistenzen in unterschiedlichsten Bereichen sein. Jeder Mensch reagiert bevorzugt an seinen Schwachstellen. Zum typischen Bild der asthenoptischen Beschwerden, die meist mit Winkelfehlsichtigkeiten gepaart sind, zählen Kopfschmerzen bis hin zur Migräne, Lichtempfindlichkeiten, nächtliches Zähneknirschen, Kiefergelenksverspannungen, Schmerzen in der Hals- und Rückenmuskulatur sowie auch krampfartige Bauchschmerzen. Der Verdacht, dass Winkelfehlsichtigkeiten auch Ohrgeräusche (Tinnitus) auslösen können, wird diskutiert, konnte aber noch nicht bewiesen werden.

Bei allen chronischen Kopfschmerzen oder therapieresistenten Problemen in der gesamten Orthopädie, wie im HSW-, BWS- und LWS-Bereich sowie Abdomen sollte eine Augenglasbestimmung mit genauer orthoptischer Untersuchung erfolgen. Bekannt ist auch der Belastungskopfschmerz, der beim Lesen oder Arbeiten in der Nähe auftritt. Wir kennen auch den Entlastungsschmerz, der morgens, in den Ferien, oder besonders an den Wochenenden auftritt.

Wir haben in der Netzhautgrube (Fovea centralis), deren Durchmesser ca. 0,3 mm beträgt, das Zentrum des schärfsten Sehens. Diese kleine Vertiefung, in der wir die höchste Sehleistung haben, liegt in der Mitte der Macula, die ca. 3 mm Durchmesser hat. Vom Zentrum bis zum Rande hin fällt der Visus von 100 bis auf ca. 10% ab, am Rande des Gesichtsfeldes geht er auf ca. 3% zurück.

In der Macula sind fast ausschließlich die farbempfindlichen Rezeptoren, die Zäpfchen. In den extrafovealen Bereichen, zunehmend zum Rand hin, überwiegen die sehr lichtempfindlichen Stäbchen für Schwarz-Weiß-Sehen. Wir haben zwei Augen, deren Bilder in Deckung gebracht werden müssen – denn mit Doppelbildern können wir nicht leben. Die Natur ist aber nicht immer so genau, wie dies von optischer Seite her wünschenswert wäre. Abweichungen in jeder Richtung müssen kompensiert werden. Die auftretenden Schwierigkeiten steigen nicht proportional mit der Größe der Winkelfehler an. Die Beschwerdebilder von kleinen Parallaxenfehlern sind teilweise sogar ausgeprägter. Die Erklärung dazu mag sein, dass hier meist noch gutes räumliches Sehen (Stereopsis) vorhanden ist. Bei großen Winkelabweichungen, die in der Regel angeboren sind, wird das räumliche Sehen nur schwach entwickelt.

Höhenfehler und Esophorie (Winkelfehler nach innen) verursachen meist ausgeprägte asthenopische Beschwerden als Exophorie (Winkelfehler nach außen).

Wir bewegen die Augen im Blickfeld gleichsinnig, nur beim Lesen stellen wir die optischen Achsen konvergent auf den Punkt in der Nähe ein. Daher sind kleine Winkelfehler nach außen leichter zu kompensieren als Fehler in der Höhe, oder nach innen.

Die Abstufungen der Qualität des binokularen Sehens

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Anschrift des Verfassers:
Peter Gsinn
Augenoptiker- und Akustikermeister
Heilpraktiker
Hauptstr. 26
82327 Tutzing
Tel. 08158-2077
Internet: www.hoeren-und-sehen.de
E-Mail: info@hoeren-und-sehen.de

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Naturheilpraxis 9/2012