FACHFORUM

Dosierung und Sicherheit homöopathischer Komplexmittel

Sandra Würtenberger, Jan-Christoph Wollmann

Homöopathische Komplexmittel stellen eine Erweiterung der von Hahnemann initiierten Einzelmittelhomöopathie dar; sie können mittlerweile auf eine eigene lange Erfahrungstradition verweisen. Die Wirkstoffe ergänzen sich im Komplexmittel in Bezug auf bestimmte Indikationen oder bestimmte Krankheitsbilder und sind in vielen Fällen auch dementsprechend behördlich zugelassen. Oft sind die in der täglichen Praxis angewandten oder empfohlenen Dosierungen zugelassener Komplexmittel höher als bei homöopathischen Einzelmitteln, was zuletzt die Frage nach deren Sicherheit aufkommen ließ.


Hintergrund

Die Häufigkeit von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) im Zusammenhang mit der Therapie durch homöopathische Komplexliquida ist äußerst gering. In der Wahrnehmung der meisten Therapeuten treten UAW nach Anwendung von homöopathischen Arzneimischungen extrem selten auf.*1 Dieser Sachverhalt wird gestützt durch die Auswertung entsprechender Arzneimittelsicherheitsdatenbanken19 sowie durch die ebenso geringe Zahl der im Rahmen der UAW-Spontanerfassung an verschiedene deutsche Arzneimittelhersteller gemeldeten Fälle.20

Die deutsche Zulassungsbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), forderte im Rahmen der sogenannten „Nachzulassung“ homöopathischer Arzneimittel die Herstellerfirmen dazu auf, die jeweilig beantragte Dosierung entweder durch präparatespezifisches Erkenntnismaterial (also zum Beispiel durch entsprechende Arzneimittelstudien) zu belegen oder aber die Dosierungsangaben pauschal an die Dosierungsempfehlung der Kommission D*1 von 1993 (akut: max. 12 x 5-10 Tropfen, chronisch: 1-3 x 5-10 Tropfen) anzupassen.9

Im Jahr 2002 wurde diese, für Therapeuten noch annehmbare, Dosierungsempfehlung der Kommission D aber geändert und für Tropfenpräparate pauschal auf die Hälfte bis auf ein Viertel reduziert (akut: max. 6 x 5 Tropfen, chronisch 1-3 x 5 Tropfen).8 Als Begründung wurden „Risiken“ im Bereich der Selbstmedikation aufgeführt, genauer gesagt „Homöopathie spezifische Risiken“, nämlich Erstverschlimmerungen sowie Arzneimittelprüfsymptome. Dagegen haben zahlreiche deutsche Hersteller homöopathischer Arzneimittel geklagt – eine erhebliche Anzahl an Verfahren liegt derzeit bei den Verwaltungsgerichten vor.6 Aus diesen wurde ein Verfahren herausgegriffen, das seither als sogenanntes „Musterklageverfahren“ geführt wird und dessen Ergebnis für alle anderen Verfahren entsprechend richtungweisend sein wird.

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in diesem Musterklageverfahren zuletzt entschieden, dass die „Homöopathie spezifischen Risiken“ der Komplexarzneimittel durch eine Verminderung der Dosierung herabgesetzt werden können, ohne dass sich deren Wirksamkeit verringere.7

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es nun, anhand publizierter Daten eine medizinisch-wissenschaftlich fundierte und nachprüfbare Aussage zur Häufigkeit aufgetretener UAW zu treffen und diese in Bezug auf die verabreichten Tagesdosen zu setzen. Da sich die im Musterklageverfahren aufgeworfenen Fragestellungen auch auf die Phänomene Erstverschlimmerung und Arzneimittelprüfsymptomatik beziehen, wurde außerdem überprüft, inwieweit veröffentlichte Studien diese überhaupt erwähnen (also als relevant ansehen) und von „normalen“ UAW differenzieren.

Methodik

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Einschlusskriterien

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Ausschlusskriterien

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Berechnungen

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Ergebnis

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Patienten und Tagesdosen

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Unerwünschte Ereignisse und Arzneimittelwirkungen

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Dosisabhängigkeit der Ereignisse

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Erstverschlimmerung und Arzneimittelprüfsymptome

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Diskussion

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Zusammenfassung

Durch die Auswertung von klinischen Studien zu komplexmittel-homöopathischen Tropfenpräparaten sollte die Häufigkeit von unerwünschten Arzneimittelwirkungen untersucht und in Bezug zur Höhe der Dosierung gesetzt werden.11 klinische Studien wurden hierzu analysiert. Abzüglich aller Patienten, welche die jeweilige Studie abgebrochen haben bzw. wegen anderer Protokollverletzungen (z.B. Einnahme unerlaubter Begleitmedikation) ausgeschlossen wurden oder nicht ausgewertet werden konnten, kann von einer verabreichten Anzahl von 32.275 Tagesdosen ausgegangen werden. Die Tagesdosen lagen mehrheitlich weit über der durch die Kommission D 2002/2004 empfohlenen Tageshöchstdosis – sowohl für die Akutbehandlung als auch für die Therapie bei chronischen Erkrankungen. Der errechneten Anzahl an Tagesdosen steht eine Anzahl von nur 11 aufgetretenen UAW mit als wahrscheinlich oder möglich angesehenem Kausalzusammenhang gegenüber. Das heißt, es kommt durchschnittlich zu einer unerwünschten Arzneimittelwirkung je 2.934 eingenommener Tagesdosen. Keines der dokumentierten Ereignisse wurde als schwerwiegend eingestuft. In keiner der Studien, in der UE bzw. UAW aufgetreten waren, klassifizieren die Autoren die beobachteten Vorkommnisse als Erstverschlimmerung oder Arzneimittelprüfsymptome des homöopathischen Komplexmittels. Dies spricht für deren medizinische und zahlenmäßige Irrelevanz.

Diese Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass Tiefpotenzen enthaltende Komplexmittel auch bei deutlich höherer Dosierung als durch die Dosierungsrichtlinie der Kommission D von 2002/20048 vorgesehen als sehr sicher einzustufen sind.

Dies entspricht auch internationalen Einschätzungen zur Sicherheit von Homöopathika, wie sie beispielsweise im ECCH-Report von 20095 getroffen werden. Nach ausführlicher Analyse von 5 systematischen Reviews zu Nebenwirkungen von Homöopathika sowie nach weiterer Auswertung von 20 Beobachtungsstudien resümieren die Autoren des Reports abschließend, dass es sich bei der Homöopathie aus dem Blickwinkel der Arzneimittelverträglichkeit um eine sehr sichere Methode handelt im Vergleich zu konventioneller Behandlung.

Weshalb der Risikobegriff in Deutschland nun durch die Einschätzungen der Kommission D um das vermeintliche Gefährdungspotenzial durch Erstverschlimmerungen und Arzneimittelprüfsymptome ausgeweitet wird, ist deshalb nicht nachzuvollziehen.

*1 Die Kommission D ist eine Zulassungskommission nach § 25, Abs. 6 & 7 AMG, die aus ausgewiesenen Experten der besonderen Therapierichtung Homöopathie besteht, und bei Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung in der Nachzulassung vom BfArM zu beteiligen ist.
*2 Nach Inkrafttreten der Neufassung des AMG am 01.01.1978

Literatur

1 Adler, M., Diefenbach, M.: Dosisstrategien für die Therapie mit homöopathischen Komplexmitteln. NaturaMed 2006;21(6):30-4
2 Anonymus. http://altmed.creighton.edu/Homeopathy/Clinical%20Trials%20on%20Homeopathy%20Published%20from%201998%20to%202002.htm, Zugriff Juni 2012
3 Anonymus. http://altmed.creighton.edu/Homeopathy/Clinical%20Trials%20on%20Homeopathy%20Published%20from%202003%20to%202007.htm, Zugriff Juni 2012
4 Anonymus. Klinische Studie Antimigren. Doppelblind, placebo-kontrolliert, randomisiert (1999/2000). www.pascoe.de
5 Anonymus. The Safety of Homeopathy. An ECCH Report. 2009
6 Aptheke AdHoc-Nachrichten: http://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/wissenschaft/fuenf-tropfen-vor-dem-bundesverwaltungsgericht, Zugriff Juni 2012
7 Aptheke AdHoc-Nachrichten: http://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/wissenschaft/homoeopathie-nur-in-kleinen-mengen, Zugriff Juni 2012
8 BfArM: Neufassung der Dosierungsempfehlungen der Kommission D für homöopathische Arzneimittel 2005. http://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/2_zulassung/zulArten/besTherap/amAnthropo/neufass-dos-empfehlung.html?nn=1014478, Zugriff Juni 2012
9 Bundesanzeiger Nr. 177 vom 21.09.1993, S. 9097-9102.
10 Cummerow, Ralf: Doppelblinde, plazebokontrollierte, randomisierte Phase-III-Studie zur Wirksamkeit und Verträglichkeit des homöopathischen Kombinationspräparates metaF-R201 Tropfen in der peri- und postoperativen Wundbehandlung. Inaugural-Dissertation. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br., 2006
11 Dean, Michael Emmans: The Trials of Homeopathy. Origins, Structure and Development. Essen: KVC-Verlag, 2004
12 Diefenbach M., Schilken J., Steiner G., Becher H.J.: Homöopathische Therapie bei Erkrankungen der Atemwege. Zeitschrift für Allgemeinmedizin 1997;73:308-14
13 Ernst E., Saradeth T., Resch K.L.: Complementary treatment of varicose veins – a randomized, placebo-controlled, double-blind trial. Phlebology 1990;5:157-63
14 Gaus W., Wiesenauer M.: Wirksamkeitsnachweis eines Homöopathikums bei chronischer Polyarthritis – Stellungnahme zur Kritik und Ausblick. Aktuelle Rheumatologie 1993;18:159-62
15 Gerhard I., Patek A., Monga B., Blank A., Gorkow C.: Mastodynon® bei weiblicher Sterilität. Randomisierte, plazebo-kontrollierte, klinische Doppelblindstudie. Forschende Komplementärmedizin / Research in Complementary Medicine 1998;5:272-8
16 Heidbreder D., Gerster G., Gracza E.: Sinusitis: Klinische Prüfung verschiedener homöopathischer Medikamente in unterschiedlichen Potenzen. Therapeutikon 1980;12:701-6
17 Kirchhoff E., Niehaus V., Schnitzlein U., Schulte H.: Therapieerfolg bei degenerativen Gelenk- und Wirbelsäulenleiden. Dokumentation über eine kontrollierte Praxisstudie. Natura-med 1989;4(9):506-16
18 Kleijnen J., Knipschild P., ter Riet G.: Clinical trials of homoeopathy. Brit Med J 1991;302:316-23
19 Matthes H.: Zur Häufigkeit von Erstverschlimmerungen und Arzneimittelprüfsymptomen bei der ärztlichen Anwendung von Komplexmittel-Liquida auf Basis der pharmako-epidemiologischen Datenbank EvaMed. –unveröffentlicht- Gutachten für die Hevert Arzneimittel GmbH & Co. KG. 15.08.2011
20 Mündliche Mitteilung an Hevert & Rechtliche Stellungnahme Hevert Arzneimittel an das OVG NRW vom 12.05.2011
21 Schmidt W.: Zur Therapie der chronischen Bronchitis. Randomisierte Doppelblindstudie mit Asthmakheel. Therapiewoche 1987;37:2803-9
22 Stippig S.G.: Homöopathische und konventionelle Behandlung gleich gut. Der Allgemeinarzt 1996;18:2-8
23 Strösser W., Weiser M.: Lebensqualität bei Patienten mit Schwindel – Homöopathikum im Doppelblind-Vergleich. Biologische Medizin 2000;29(5):242-7
24 Wein C.: Qualitätsaspekte klinischer Studien zur Homöopathie. Essen: KVC-Verlag, 2002
25 Weiser M., Strösser W., Klein P.: Homeopathic vs Conventional Treatment of Vertigo. A Randomized Double-blind Controlled Clinical Study. Arch. Otolaryngol Head Neck Surgery 1998;124:879-85
26 Wiesenauer M., Gaus W.: Wirksamkeitsnachweis eines Homöopathikums bei chronischer Polyarthritis. Eine randomisierte Doppelblindstudie bei niedergelassenen Ärzten. Aktuelle Rheumatologie 1991;16:1-9

Anschrift der Verfasser:
Sandra Würtenberger
Dr. med. Jan-Christoph Wollmann
Hevert-Arzneimittel GmbH & Co KG
In der Weiherwiese 1
55569 Nussbaum

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Naturheilpraxis 8/2012