Immunsystem

N-Acetylcystein – mehr als nur ein Mucolytikum

Neue Indikationen für ein antioxidatives Thiol

Jens Bielenberg

N-Acetylcystein (NAC) ist neben Ambroxol das meistverwendete Mukolytikum. 1963 konnte zum ersten Mal gezeigt werden konnte, dass NAC in vitro die Sputumviskosität deutlich reduzieren kann. Der Wirkungsmechanismus beruht auf der Spaltung der Disulfidbrücken hochmolekularer Glykoproteine im Mukus. Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, daß bei oraler Medikation NAC durch den sofort einsetzenden Metabolismus in sehr geringen Konzentrationen und nicht in unveränderter Form das Bronchialsekret erreicht, also über andere Mechanismen seine mukolytische Aktivität entfaltet. Heute weiß man, dass NAC gute antioxidative Eigenschaften besitzt und die bakterielle Kolonisation bei der chronischen Bronchitis reduzieren kann. Durch Hemmung proinflammatorischer redoxsensitiver Reaktionswege wirkt NAC- antiinflammatorisch mit Beeinflussung der Apotose, des Zellwachstums, der Transcription und der Zytokinantwort. Im folgenden Artikel werden neue interessante pharmakologische Effekte sowie weitere Indikation von NAC beschrieben.


Das NAC ist als Thiol ein Präkursor zur zellulären Bereitstellung von L-Cystein und Sulfhydrylgruppen. Es fördert damit die zelluläre Glutathionbildung und ist in der Lage, reaktive Sauerstoffmetabolite zu reduzieren. NAC hat eine weite Verbreitung in der Therapie der akuten und chronischen Bronchitis gefunden. Es wird ferner bei folgenden Erkrankungen als Therapeutikum eingesetzt:

NAC als Mucolyticum

Verbesserung des gestörten mukoziliären Clearence

In-vitro-Studien der mukoziliären Clearence, die unter einer oralen Therapie mit 6oo mg NAC durchgeführt wurden, zeigten besonders bei Patienten mit primär gestörter mukoziliärer Funktion (slow clearers) oder Personen mit erworbener Störung durch aktives Rauchen günstige Effekte. Bei starken Rauchern konnte nachgewiesen werden, dass der mukoziliäre Transport von bronchoskopisch eingebrachten Teflonscheiben unter der Therapie mit NAC signifikant gesteigert wurde.(4) Auch gegenüber der durch Ozon und Schwefeldioxid induzierten Verlangsamung der trachealen Mucusgeschwindigkeit beim Schaf zeigte NAC einen günstigen Effekt(5), während NAC auf die gesunde Tracheobronchialschleimhaut keine steigernde Wirkung auf die Zilienfunktion und die mukoziliäre Clearence entfaltet.

An Ratten konnte gezeigt werden, daß die durch Zigarettenrauch induzierte Mukus-hypersekretion und Mucuszellhyperplasie sowie die Epithelhypertrophie durch die orale Behandlung der Tiere mit NAC signifikant reduziert werden konnten im Vergleich zu exponierten Ratten ohne Medikation.(6)

Glutathion–Pro-drug–Wirkung

Eine intravenöse Gabe führt zu Blut-NAC-Konzentrationen, die kurzfristig mikromolare Konzentrationen erreichen. Systemisch appliziertes NAC wird überwiegend in der Leber deacetyliert, wobei das freiwerdende Cystein für die zelluläre Glutathionproduktion zur Verfügung steht. Glutathion ist ein wichtiges körpereigenes Antioxidans.

Redoxsensitive biologische Reaktionen und deren Inhibition durch Thiole

Das NAC-Molekül verfügt über eine SH-Gruppe, die leicht oxidiert werden kann, wobei sich dann über die sich bildende Disulfid-Brücke eine Verbindung von zwei NAC-Molekülen ergibt. Dabei werden reaktive Sauerstoffmetabolite (ROS) reduziert und verlieren ihre Reaktivität. NAC reduziert vorzugsweise Wasserstoffperoxid (H2O2), Hydroxylradikale (OH-) und unterchlorige Säure (HOCL). Die Reaktionsfreudigkeit unterscheidet sich in der Lunge wie folgt:

OH –> HOCL –> H2O2

ROS werden im Rahmen von Entzündungen sowohl in den Atemwegen im Rahmen einer unspezifischen Abwehrreaktion als auch im Lungengewebe freigesetzt.

Bei folgenden Lungenerkrankungen wurde NAC eingesetzt:

Schutz des Gefäßendothels

...

Entzündungshemmung – Nephro- und Hepatoprotektion

...

Verbesserung der bakteriellen Eradikation von Antibiotika in Verbindung mit NAC

...

N-Acetylcystein und die chronische Bronchitis

...

Das oxidative Gleichgewicht in der chronischen Bronchitis

...

Weitere interessante Perspektiven über neue Indikationen von NAC:

* Prävention von Vorhofflimmern bei Herzoperationen

* Prävention diabetischer Komplikationen bei Hyperglykämie

...


Literaturverzeichnis:
1 Jaworska M, Gillissen A, Schärling B, et al. N-Acetylcystein: ein funktioneller Sauerstoffradikalfänger in vitro und exvivo in Monozyten und neutrophilen Granulozyten bei Patienten mit einer COPD. Pneumologie 1995; 49:539-545.
2 De Rosa SC, Zaretsky MD, et al. NAC; replenishes glutathione in HIV-infections Eur J Clin Invest 2000; 30:915-929
3 Sadowska AM, Manuel-y-Keenoy, De Backer WA. Antioxidant and antiinflammatory efficacy of NAC in the treatment of COPD: Discordant in vitro and in vivo doese-effects: A review Pulmonary Pharmacology & Therapeutics 2007; 20:9-22
4 Parr GD, Huitson A. Oral Fabrol (NAC) in chronic bronchitis; Br J Dis Chest 1987; 81: 341-8
5 Abraham WM, Allegra L, Phillips RJ. Eur J. Resp Dis 1986; 69:117-27
6 Sheffner AL. The reduction in vitro in viscosity of mucoprotein solutions by a new mucolytic agent, N-acetyl-L-cysteine, Ann New York Acad Sci 1963; 106: 298-310
7 Gillissen A. Grundlagen der antiinflammatorischen Wirkung von N-Acetylcystein und dessen therapeutische Einsatzmöglichkeiten. Pneumologie 2011; 65:549-557
8 Meister R. Bronchopulmonale Protektion, In: Das Glutathion System Crystal RG, Nolte D: Excerpta medica 1992
9 Oberpichler-Schwenk H. Acetylcystein vermindert Exazerbationen, Med MO Pharm 2000; 23(8): 276-7
10 Pamnu N, Manns B, Lee H. Systemic review of the impact of N-Acetylcysteine on contrast nephropathy. Kidney Int. 2004; 65; 1366-74.
11 Aslanger E, et al. Intrarenal application of N-acetylcysteine for the prevention of contrast-medium induced nephropathy in primary angioplasty. Coron Artery Dis 2012; Feb 16, Epub ahead of print).
12 Repine JE. Mögliche antioxidative Wirkungsmechanismen von N-Acetylcystein bei chronischer Bronchitis In: Das Glutathion System
13 Riise GC Larsson S, Larsson P, et al. The intrabronchial Microbial flora in chronic bronchitis patients: a target for NAC Therapy? Eur Resoir J 1994; 7:94-101
14 Stey C, Steurer J, Bachmann S et al. The effect of oral N-Acetylcysteine in chronic bronchitis: a Quantitative Systemic review. Eur Respir J 2000; 16: 253-262
15 Gu WJ, et al. N-acetylcysteine supplementation for the prevention of atrial fibrillation after cardia surgery: a meta analysis of eight randomized controlled studies. BMC Cardiovasc Disord 2012; 12(19):10
16 Lei S, et al. Effects of N-acetylcysteine on nicotinamide dinucleotide phosphate oxidase activation and antioxidant status in heart, lung, liver and kidney in streptozotoci –induced diabetic rats. Yonsei Med J 2012; 53(2):294-303.

Anschrift des Verfassers:
Jens Bielenberg
Apotheker
Raphael-Apotheke
Bahnhofstr. 53
25364 Westerhorn

weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)


Zum Inhaltsverzeichnis

Naturheilpraxis 6/2012