Klassische Homöopathie

Pragmatismus – eine Form des Gesetzesbruchs?

Paradoxa, Dilemmata, Konflikte und Pathologien in ihrer Wirkung auf den klassisch-homöopathischen Arbeitsprozess

Henning Marx

Zusammenfassung:
In einer konkreten Behandlungssituation können Einflussfaktoren wirksam sein, die einen klassisch-homöopathischen Arbeitsprozess zur Arzneimittelfindung be- oder verhindern. Werden in diesen Konstellationen die Forderungen Hahnemanns als unumstößlicher Imperativ betrachtet, können sich daraus Paradoxa, Dilemmata, Konflikte und Pathologien entwickeln, die Behandlungserfolge auch langfristig reduzieren. Ein pragmatisches Vorgehen im Sinne eines Abweichens von einer vollumfänglichen Anamnese und Fallanalyse im Sinne eines idealen Arbeitsprozesses stellt eine mögliche Lösung für den Therapeuten dar, sich diesen Einflussfaktoren mit ihren ungünstigen Folgen zu entziehen (bzw. effizienter damit umzugehen). Das Abweichen von der „reinen“ Lehre Hahnemanns bedarf allerdings der Rechtfertigung, die über eine erweiterte Sicht des Organon-§ 2 erreicht werden kann. Die scheinbare Missachtung der theoretischen Grundlagen durch einen (auf spezifische Situationen beschränkten) Pragmatismus kann damit unter bestimmten Umständen, als mit der Lehre Hahnemanns als nicht im Widerspruch stehend angenommen werden, d. h. allgemein formuliert, dass positive Einschränkungen letztlich durchaus zu einer Erweiterung normativer Regelungen führen können.
Schlüsselwörter
Idealer Arbeitsprozess, Paradoxa, Dilemmata, Konflikte, pathologische Arbeitsprozesse, Pragmatismus, Organon-§ 2.
Fallbesprechungen
Gastritis, Atemnot, Arbeitsunfall, Trigeminusneuralgie, Dornwarzen, Ischialgie.


I. Zielsetzung

Im Folgenden soll das Handeln des klassisch-homöopathischen Therapeuten im Rahmen der Arzneimittelfindung bezogen auf verschiedene Behandlungssituationen analysiert werden, die mehr oder weniger häufig in der täglichen Praxis wirksam sind. Es wird hinsichtlich der Relevanz kein Anspruch der Allgemeingültigkeit in dem Sinne erhoben, dass jeder Therapeut die beschriebenen Situationen in gleicher Weise als schwierig bewerten müsste, da dies entscheidend von den unterschiedlichen persönlichen Eigenschaften und fachlichen Kompetenzen jedes einzelnen abhängt. Dennoch scheint eine derartige (hier nicht notwendig abschließende) Analyse sinnvoll, weil Faktoren betrachtet werden, die ebenfalls auf das Ergebnis in Form der Arzneimittelwahl Einfluss nehmen können. Die Analyse derartiger Situationen erlaubt nicht nur, die Reflexion hinsichtlich des eigenen Vorgehens zu verbessern, sondern auch eine mentale Vorbereitung des Therapeuten, so dass er auf das Auftreten dieser Schwierigkeiten vorbereitet ist. Insofern wurden die Fallbeispiele als Projektionsfläche für das Handeln des Lesers gewählt, anhand dessen er sich sein Vorgehen in den entsprechenden Handlungsbeispielen transparent machen kann. Sie wurden aber auch gewählt, um dem routinierten Anwender der klassischen Homöopathie eine gewisse Kurzweil zu bieten.

II. Idealer Arbeitsprozess

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III. Abweichung vom idealen Arbeitsprozess

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Anmerkungen
1 Hahnemann, S., Organon, 1842, S. 75.
2 Vgl. Hahnemann S., Organon, 1842, S. 127.
3 Hahnemann, S., Organon, 1842, S. 127.
4 Hahnemann, S., Organon, 1842, S. 160.
5 Zur detaillierten Aufschlüsselung insbesondere der Fallanalyse vgl. auch Genneper, T./Wegener A., Homöopathie, 2001, S. 73 ff; vgl. Marx, H., Heilige Ordnung, 2011, S. 546 ff.
6 Vgl. Hering, C., Leitsymptome unserer Materia medica, 1997, Bd. 6, S. 406.
7 Vgl. Morrison, R., Handbuch der Leitsymptome, 1997, S. 365.
8 Hahnemann, S., Reine Arzneimittellehre, 1825, S. 5.
9 Diese Lösung kann auch ohne Alkoholanteil 6 Tage im Kühlschrank aufbewahrt werden.
10 Wenn nicht Umstände vorliegen, die den Behandlungsverlauf oder die Wirksamkeit der Arzneien stören.
11 Hahnemann, S., Reine Arzneimittellehre, 1825, S. 5.
12 Vgl. Neuberger, O., Führen, 2002, S. 362.
13 Hahnemann, S., Organon, 1842, S. 176 ff.
14 Hahnemann, S., Organon, 1842, S. 167.
15 Hier stellt sich die Frage, ob das hätte vermieden werden können, wenn nur 1 Globulus verabreicht worden wäre.
16 Vgl. auch Bleul, G., Verwandtschaftsbeziehungen, 2009, S. 98.

Verwendete Literatur
Bleul, G. (Verwandtschaftsbeziehungen, 2009): Verwandtschaftsbeziehungen von Arzneimitteln, in Bleul, G. (Hrsg.): Weiterbildung Homöopathie, Band D: Chronische Krankheiten – Verlaufsbeobachtung und zweite Verschreibung, 2. überarbeitete Auflage, Stuttgart 2009, S. 86-99.
Fontin, M. (Dilemmata, 1997): Das Management von Dilemmata, Wiesbaden, 1997.
Gabler (Hrsg.): Gabler Wirtschaftslexikon online im Internet.
Genneper, T./Wegener, A. (Homöopathie, 2001): Lehrbuch der Homöopathie, Haug, Heidelberg 2001.
Hahnemann, S. (Organon, 1842): Organon, 6. Auflage, 1842, textkritische Neuausgabe, Haug, Heidelberg 1999.
Hahnemann, S. (Reine Arzneimittellehre, 1825): Reine Arzneimittellehre, Band 3, 2. vermehrte Auflage 1825, typographische Neugestaltung, Haug, Heidelberg 1995.
Hering, C. (Leitsymptome unserer Materia medica, 1997): Leitsymptome unserer Materia medica, Bd. 6; deutsche Übersetzung, Verlag Renée von Schlick, 1. Aufl., Aachen 1998.
Kets de Vries, M.F.R./Miller, D. (Organization, 1986): Personality, culture, and organization, in Academy and Management Review 11/1986, S. 266-279.
Marx, H. (Leitsymptome, 2007): Leitsymptome bei der klassisch-homöopathischen Behandlung, in NHP 03/2007, S. 385-390, fortgesetzt in NHP 04/2007, S. 561-565.
Marx, H. (Inneres Gericht, 2010): Das Innere Gericht – Rationalität in der homöopathischen Behandlung, in NHP 08/2010, S. 959-964.
Marx, H. (Heilige Ordnung, 2011): Heilige Ordnung – Orientierung im Dschungel der Symptome, in NHP 05/2011, S. 546-552.
Morrison, R. (Handbuch der Leitsymptome, 1997): Handbuch der homöopathischen Leitsymptome und Bestätigungssymptome, deutsche Übersetzung, Kai Kröger Verlag, 2. überarbeitete Auflage, Wittensee 1997.
Neuberger, O. (Führen, 2002): Führen und Führen lassen, Stuttgart, 6. Aufl., 2002.
Rissel, R. (Miasmensalat, 2010): Wege aus dem Miasmensalat, in NHP 05/2010, S. 603-608, fortgesetzt in NHP 06/2010, S. 732-736.
Scholl, W. (Informationspathologien): Informationspathologien, in Frese, E. (Hrsg.): Handwörterbuch der Organisation, 3. Aufl., Stuttgart 1992, Sp. 900-912.
Simbürger F.: Repertorisationssoftware ComRep Expert, Eching.
Werpers, K. (Konflikte, 1999): Konflikte in Organisationen: Eine Feldstudie zur Analyse interpersonaler und intergruppaler Konfliktsituationen, Münster 1999.

Anschrift des Verfassers:
Henning Marx
Schloßstr. 20/I
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Naturheilpraxis 5/2012