FACHFORUM

Die Esche – die Kriegerin unter den Bäumen

Bernd Hertling

Nachdem wir die letzte Betrachtung der Linde als dem Baum der (ehelichen) Liebe gewidmet haben, wollen wir nun einen Blick auf ihren Gegenpol werfen, die höchst vitale, in unseren Breiten häufige Esche. Zur Botanik: Dieser lichte, mit seinen Blättern wenig Sonneneinstrahlung abschirmende dabei stark in die Höhe hinorientierte Baum gehört zu den in unseren Breiten eher selten anzutreffenden Ölbaumgewächsen. Außer ihr finden sich hier nur noch Flieder und Liguster aus dieser Familie.


„Die Feindschaft gegen den Baum ist ein Zeichen von Minderwertigkeit eines Volkes und von niederer Gesinnung des Einzelnen“.
Alexander v. Humboldt

Lange ehe die Belaubung einsetzt, brechen im Frühjahr aus regelrecht schwarzen Knospen, die den Baum im Winter kenntlich machen (zumindest, da wo man an Eschenzweige in Augenhöhe herankommt), die dicht beieinanderstehenden Blüten in büscheligen Rispen hervor. Diese sind winzig, kelch- und kronenblattlos, wobei in ein und demselben Blütenstand männliche, weibliche und zwittrige Blüten vorkommen. Dass die Blätter zu diesem Zeitpunkt noch nicht entwickelt sind, dient vor allem der effektiven Bestäubung der Blüten durch den Wind.

Ähnlich der ebenfalls windbestäubten Eiche lässt sich die Esche länger Zeit mit dem Laubaustrieb, erst wenn sie der Bestäubungsaufgabe nicht mehr im Weg stehen, entfalten sich allmählich die unpaarig gefiederten, länglichovalen Blätter. Entlang einer Rhachis stehen vier bis sechs Paare mit einem längeren Tropfblatt an der Spitze. Mit der Eiche wetteifert die Esche auch um die Gunst des Wetters für den Sommer, was sich in dem Sprichwort niederschlägt; „kommt die Eiche vor der Esche, gibt es große Wäsche, kommt die Esche vor der Eiche, gibt es große Bleiche“. Für die mit dem Landleben weniger Vertrauten: Kommt die Esche zuerst, gibt es einen heißen, sonnenreichen (Bleiche) Sommer, andernfalls wird es kalt und regnerisch (Wäsche), doch meist kommen die beiden relativ zur gleichen Zeit, so dass das Wetter wieder einmal „durchwachsen“ wird.

Die einsamigen schmal-ovalen Samen mit einem originellen leicht gedrehten Einzelflügel, die an geflügelte Riemenzungen erinnern, entwickeln sich schon vor den Blättern und hängen in dichten Paketen bis in den Herbst hinein an den Bäumen. Und es sind Stürme nötig, die höchst widerwilligen Semines dann von den Bäumen herunterzureißen, die dann weit verstreut werden. Eine derartige Ausbreitung von Samen nennt man anemochor (aus griech. hó anemos, der Wind, hè chorá das flache Land). Die Esche ist, wie viele Gartenbesitzer, die einen derartigen Baum besitzen oder in der Nähe haben, wissen, eine extrem fruchtbare Zeitgenossin, so dass sich in kürzester Zeit ein Eschenwald entwickeln würde, wehrte man nicht den Anfängern.

Es ist anzunehmen, dass sich die hohe Reproduktionsrate auf die für Bäume relativ kurze Individuallebenszeit, die mit 120 bis 200 Jahren angegeben wird, zurückführen lässt. Eschen können, je nach Standort bis zu 35 m hoch werden, stehen oft solitär, doch finden sie sich auch gerne in Feldgehölzen oder als Waldrandbäume zusammen.

Im zurückliegenden Jahr (2011) wurden sie epidemisch europaweit von einem neuen Krankheitsbild betroffen. Die neuentwickelten Triebe starben plötzlich ab, wodurch die Bäume aussahen, als wenn sie teilweise erfroren wären, was auch ihr physiologisches Wachstum verhinderte. Hymenoscyphus albidus, ein weißlicher an den Rinden sichtbarer für Eschen pathogener Pilz, ist schon seit einiger Zeit bekannt, doch wird nun auch vermutet, dass er zusammen mit anderen Faktoren, wie hohe Ozonbelastungen, das neuartige Eschentriebsterben, vor allem bei nahe am Wasser stehenden und „unterdrückten“ Individuen, mitverursacht.

Etymologie

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Signatur

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Die Esche im Mythos

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Die Meliai – kriegerische Nymphen der antiken Griechen

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Yggdrasil – Wotans Weltenesche und Gungnir, sein Speer

Eine Esche weiß ich, Yggdrasil heißt sie,
Die hohe, umhüllt von hellen Nebeln.
Von dort kommt der Tau, der in die Täler fällt,
Immer grün steht sie am Urdbrunnen …

… singt die Seherin in der Wöluspaa, einem Lied aus der Edda-Sammlung.

Neun Nächte hing ich im windigen Baume,
Wotan dem Wotan,
Ich selbst mir selbst geweiht,
Und ersann der Runen zauberkräftige Zeichen.

„Schaurig ist die Zeit,
Wo Bruder des Bruders finstrer Feind,
Wo Sippe rast wider Sippe,
Schwertzeit, Beilzeit!“

heißt es weiter im Lied der Seherin Wala.

„Wolltest du Weib in der Feste mich fangen
Mir Manne musst du’s schon gönnen,
Dass ich von außen gewinne die Welt,
Wandel und Wechsel liebt, wer lebt,
Das Spiel drum kann ich nicht sparen!“

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Anschrift des Verfassers:
Bernd Hertling
Nettelkofenerstr. 1
85567 Grafing

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Naturheilpraxis 1/2012