JUBILÄUM

Phytotherapie in Lehre und Forschung – Symposium anlässlich des 40jährigen Bestehens der Gesellschaft für Phytotherapie e.V. in Köln

Traditio et Innovatio – dieser Leitgedanke der Universität Rostock lasse sich durchaus auf die Phytotherapie übertragen, so Präsidentin der Gesellschaft für Phytotherapie e.V. Professor Dr. Karin Kraft, bei ihrer Begrüßung der etwa 100 Teilnehmer zur Jubiläumsveranstaltung dieser vor 40 Jahren in Köln gegründeten wissenschaftlichen Fachgesellschaft.

PD Dr. Werner Knöss, Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Bonn und Leiter der (jetzigen) Abteilung 4 „Besondere Therapierichtungen“ im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie des Herbal Medicinal Products Committee (HMPC) der europäischen Zulassungsagentur EMA, beschrieb die Bedeutung der Phytotherapie in der universitären Lehre innerhalb der Pharmazie. Die Phytotherapie sei nach der Approbationsordnung fester Bestandteil der Apothekerausbildung, in der seit langem Arzneipflanzen, biogene Arzneistoffe und phytochemische Untersuchungen verankert sind. Er wies allerdings auch darauf hin, dass neue Initiativen in Forschung und Lehre, aber auch Fragen der Abgrenzung z.B. zu Nahrungsergänzungsmitteln für die zukünftige Entwicklung der Phytotherapie essentiell sind.

An den medizinischen Fakultäten ist die Phytotherapie Teil der Pflichtveranstaltungen des Querschnittsbereichs 12 „Rehabilitationsmedizin, Physikalische Medizin und Naturheilverfahren“ sowie im Wahlfach „Naturheilverfahren“ wie Professor Dr. Karin Kraft erläuterte. Die Lehrverantwortlichen könnten jedoch sehr unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte setzen, da es keine bundeseinheitliche Ausgestaltung in Curricula gebe. Betrachte man die Lehrpläne der einzelnen Universitäten, so zeige sich, dass die Phytotherapie nur etwa an einem Viertel der deutschen Universitäten angeboten wird und die Ausgestaltung zudem sehr heterogen sei.

In der sehr angeregten Diskussion wurde deutlich, dass die phytotherapeutische Forschung an den Universitätsinstituten heutzutage nur noch rudimentär vorhanden ist. Hier müssten neue Wege gesucht und Überzeugungsarbeit geleistet werden, Lehrende und Studierende motiviert und überzeugt werden. Auch in der Schweiz und in Österreich gebe es zum Teil recht unterschiedliche Erfahrungen wie Dr. Beatrix Falch, Vizepräsidentin der Schweizerischen Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP) und Univ.-Dozent Dr. Heribert Pittner, Wien, aufzeigten.

Dass gelebte Phytotherapie eine gezielte Ausbildung auf allen Bildungsstufen benötigt, verdeutlichte Professor Dr. Andreas Hensel am „Münster-Konzept Arzneipflanzen“. Da das Wissen über Pflanzen überwiegend bei der Bevölkerung lückenhaft ist, werde angestrebt, solche Kenntnisse bereits im Kindesalter durch Einladungen an Schulklassen zu vermitteln, so beispielsweise durch Projekttage über Giftpflanzen oder psychotrope Pflanzen unter Einbeziehung von universitärem Labor und Arzneipflanzengarten. Im Sinne der Förderung der Phytotherapie müsse ein ganzheitliches Konzept etabliert werden, um alle Interessierten auf ihrem jeweiligen Kenntnisstand abzuholen, und auch eine Kommunikation zu Qualitätsaspekten und zu möglichen Risiken erfolgen, um eine Abgrenzung zu ungeprüften Produkten zu erreichen. Eine ähnliche Initiative stellte Professor Dr. Marcus Hammann, Münster, mit dem Projekt „Heilpflanzen im Biologieunterricht: Von der Pflanze zum Arzneimittel“ vor, das Unterrichtsmaterialien für den Biologieunterricht entwickelt, botanische, physiologische und neurobiologische Kenntnisse vermittelt und ein „Lernen mit allen Sinnen“ ermöglicht. Erste Evaluationen haben bereits gezeigt, dass großes Interesse an solchen Lernkonzepten besteht, die einen vielversprechenden und zukunftsweisenden Ansatz darstellen könnten.

Welchen Stellenwert Phytopharmaka in der Apotheke haben, untersuchte Dr. Sebastian Hose anhand der Erfahrungen in seiner Apotheke im fränkischen Hammelburg. Obgleich pflanzliche Arzneimittel von vielen Kunden als besonders verträgliche und nebenwirkungsarme Produkte geschätzt werden, habe die weitgehende Herausnahme aus der Erstattungsfähigkeit durch die gesetzlichen Krankenversicherung ihrem Ansehen sehr geschadet. Wichtige Anwendungsgebiete sind aus Sicht des Referenten die Kinderheilkunde und chronische Erkrankungen, aber auch Stresssymptome und allgemeine Präventivmaßnahmen. Die Stärkung der Beratungskompetenz des Apothekers sei erforderlich, um einerseits die Grenzen der Phytotherapie in der Selbstmedikation aufzuzeigen, andererseits aber auch Risikoquellen wie ungeprüfte Nahrungsergänzungsmittel mit unbelegten Anwendungsaussagen auszuschließen.

Dass Lehr- und Schaugärten eine zeitgemäße Phytotherapie fördern können, erläuterte Dr. Alexander Schenk als Professor der Ovidius-Universität Constanta/Rumänien, der selbst in der Vergangenheit 30 Apothekergärten gestaltet hat. Anders als bei den historischen Klostergärten z.B. in St. Gallen, Eichstätt oder Reichenau, die der landwirtschaftlichen Nutzung der Pflanzen, aber auch der Wissensbewahrung dienten, handele es sich heute um moderne, für die Öffentlichkeit zugängliche „Edutainment-Konzepte“, aber auch Orte kontemplativer Ruhe mit einer Einheit von Mensch und Natur.

Am Festabend der Jubiläumsveranstaltung wurde Professor Dr. Dr. h.c. mult. Fritz Hubertus Kemper für seine über viele Jahrzehnte erworbenen Verdienste um die Phytotherapie geehrt. In ihrer Laudatio betonte Prof. Dr. Karin Kraft, dass Prof. Kemper, 1927 in Köln geboren, sich als einer der ersten Mediziner in der Phytotherapie habilitiert hat und 1970 Direktor des Institutes für Pharmakologie der Universität Münster wurde. Nicht zuletzt dank seiner politischen Talente habe er viele leitende Funktionen in verschiedenen Fachgesellschaften innegehabt, so von 1992 bis 2010 als Präsident der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) und von 1993 bis 2007 als Präsident der GPT. Dabei habe er entscheidend dazu beigetragen, die Wissenschaftlichkeit der Phytotherapie zu stärken und eine Herabstufung pflanzlicher Arzneimittel in andere Produktkategorien zu verhindern.

Dr. Hubertus Cranz, Direktor des europäischen Verbandes der Selbstmedikations-Hersteller, AESGP, lobte Kempers Engagement in verschiedenen wissenschaftlichen Gremien auf europäischer Ebene sowie beim Setzen weltweiter Standards durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Es sei sein Verdienst, dass das Vertrauen in die wissenschaftliche Phytotherapie auf europäischer Ebene wiederhergestellt worden sei und nicht zuletzt mit der Gründung eines eigenen Ausschusses bei der EMA ein enormer Durchbruch erzielt worden sei.

Anlässlich des Jubiläums der GPT blickte Dr. Carl Schneider, Köln, als langjähriges Mitglied der Fachgesellschaft auf deren 40jährige Historie zurück, die von begeisternden, aber auch enttäuschenden Ereignissen geprägt war. Die Phytotherapie, die häufig zu Unrecht zusammen mit alternativen Therapierichtungen genannt worden sei, habe sich zusehends zu einer naturwissenschaftlich-schulmedizinischen Pharmakotherapie gewandelt, lediglich charakterisiert durch deren pflanzliche Wirkstoffprovenienz. Ein besonderer Verdienst der GPT habe darin gelegen, dass sie den bedeutungsvollen Weg der Qualitätsoptimierung hin zu wissenschaftlich modernen Produkten unterstützen konnte.

Eine Auszeichnung als Ehrenmitglied der GPT erhielt Professor Dr. Hildebert Wagner, München, für sein Lebenswerk einer wissenschaftlichen Phytotherapie verliehen, der als positiven Ausblick in die Zukunft trotz aller von gesundheitspolitischen und regulatorische Entwicklungen ausgelösten düsteren Stimmungen, ein Wiederaufstehen der Phytotherapie „wie Phönix aus der Asche“ prophezeite. In Abwesenheit wurde die Ehrenmitgliedschaft in der GPT Dr. Frauke Gaedcke, Koblenz, und Dr. Bernd Eberwein, Konstanz, verliehen, der auch lange Jahre Vizepräsident der Fachgesellschaft war und aus der Ferne seine Grüße übermittelte. Zusätzlich erhielten Professor Dr. Fritz H. Kemper und Professor Dr. Hans D. Reuter, Köln, für Ihre Verdienste die Ehrennadel der GPT.

Dr. Barbara Steinhoff, Bonn
Vizepräsidentin der GPT

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Naturheilpraxis 12/2011