Nerven

Baldrian

(Valeriana officinalis)

Von der Signatur zur therapeutischen Anwendung

Margret Rupprecht

Halte den Sinn dir frei von allem, was war und geschehen, denn an Vergangenes denken, erweckt nur Gewissensplagen. Halte den Sinn dir frei von allem, was noch mag geschehen, denn an Zukünftiges denken, erweckt nur Unbehagen. Kommt Nahrung, so öffne den Mund; kommt Schlaf, so schließe die Lider - schreibt der chinesische Lyriker Po Chü-I im 9. Jh. nach Christus und beschreibt damit eine besondere Fähigkeit: die Kunst, ganz und gar im Hier und Jetzt zu sein.


Psychische Spannungen entstehen häufig aus einem Konflikt zwischen dem, was ist, und dem, was angestrebt wird. Wenn ein Mensch seine gegenwärtigen Lebensumstände als Belastung empfindet, beginnt er sich nach anderen, besseren zu sehnen. Das kann zu inneren und äußeren Verkrampfungen führen. Sie entstehen aus der Kluft zwischen Realität und Wunschvorstellung. Ist diese Kluft groß, resultieren daraus psychische Spannungen. Gibt es jedoch überhaupt keine Lücke, ist der Mensch zufrieden mit dem, was ist, und sehnt sich nicht nach Anderem. Dann ist er „Geistes“-gegenwärtig: Seine Aufmerksamkeit ist in völligem Einklang mit dem momentanen Augenblick und seine Psyche ist entspannt.

Lebensumstände lassen sich nicht durch zwanghafte Anstrengungen verändern, denn diese bewirken eher das Gegenteil. Patienten mit Schlafstörungen oder Übergewicht wissen, dass sich weder eine erholsame Nachtruhe noch eine Gewichtsabnahme mit bloßem Wollen erzwingen lassen. Erst im totalen Loslassen einer widrigen Situation im Sinne eines entspannten Akzeptierens entsteht ein Raum, in dem Veränderungen möglich werden.

Das Leben ist ein fließender Prozess. Das Sich-Einlassen-Können auf den Fluss des Seins ist Ausdruck von Gesundheit. Die Bejahung der Gegenwart, des individuellen Soseins und der momentanen Lebensumstände wird zum Moment der Heilung. Wer die Bereitschaft mitbringt, seine Krankheiten, Lebensangst, Unzufriedenheit, Abhängigkeitsgefühle und Strukturen, die ihn belasten, erst einmal zu akzeptieren und authentisch darauf zu antworten, braucht um eine Lösung seiner Probleme nicht mehr zu ringen. Sie wird sich von selbst ereignen. Diese Beobachtung, seit Jahrtausenden von vielen Weisen beschrieben, wird in der therapeutischen Praxis immer noch zu wenig vermittelt. Wer sagt schon einem Patienten, dass er in seine Krankheit hineingehen soll (statt sie zu bekämpfen), sie ausloten und akzeptieren soll – bis sie zum Motor wird für neue seelische Entwicklungen und weitere Schritte der Emanzipation? Das schließt notwendige Medikamente und Operationen nicht aus. Aber es ermöglicht ein tieferes Verstehen, setzt Lernprozesse in Gang und verbessert den Umgang mit dem eigenen Leben in der Zukunft.

Eine Heilpflanze, die den Prozess der Akzeptanz, der Erdung im Hier und Jetzt bei psychonervösen Störungen, Schlaflosigkeit und einem Übermaß an seelischen Spannungen gut unterstützt, ist Valeriana officinalis, der Baldrian.

Wie viel Kraft man dieser Heilpflanze zutraut, verrät schon ihr Name: Er leitet sich vom lateinischen valere – gesund sein, stark sein ab. Der deutsche Name Baldrian ist entweder eine Ableitung aus dem mittelalterlichen Valeriana oder geht auf den Lichtgott Baldur zurück. Der Volksmund kennt die Pflanze auch als Bullerjahn, Balderbusch, Wielandswurzel, Hexenkraut oder Katzenkraut. Die 25 bis 100 cm hohe Staude ist im Mittelmeerraum ebenso beheimat wie in Mittel- und Osteuropa oder in Skandinavien. In der Symbolik steht Baldrian für die Abwehr von Hexen, Teufeln und allem Bösen überhaupt. Der indische Nardenbaldrian lieferte das in der Antike sehr geschätzte Nardenöl, mit dem Maria Magdalena Christus die Füße gesalbt haben soll. Baldrian sieht man daher auf vielen Tafelbildern der Renaissance, oft sogar sehr exponiert im Zentrum.

Avena sativa comp. – Mischung (Weleda)
Pflanzliche Kombination aus den Urtinkturen
von Avena sativa, Humulus lupulus, Passiflora incarnata
und Valeriana, ergänzt von Coffea tosta Dil. D 60
Anwendungsgebiete gemäß
der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis:
Einschlafstörungen, Nervosität
Avena sativa comp. – Streukügelchen (Weleda)
Pflanzliche Kombination aus Avena sativa,
Humulus lupulus, Passiflora incarnata und Valeriana,
ergänzt von Coffea tosta Dil. D 60
Anwendungsgebiete gemäß
der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis:
Einschlafstörungen, Nervosität

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Signaturenlehre und Anthroposophische Medizin

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Valeriana in der Anthroposophischen Medizin

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Valeriana in der Medizingeschichte

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Pharmakologie und Indikationen

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Literatur
Marianne Beuchert: Symbolik der Pflanzen. Insel Verlag, Frankfurt 2004
Ursel Bühring: Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde. Sonntag Verlag, Stuttgart 2005
Theodor Dingermann, Dieter Loew: Phytopharmakologie. Experimentelle und klinische Pharmakologie pflanzlicher Arzneimittel. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2003
Volker Fintelmann: Intuitive Medizin – Anthroposophische Medizin in der Praxis. Hippokrates Verlag, Stuttgart 2007
Friedemann Garvelmann: Pflanzenheilkunde in der Humoralpathologie. Pflaum Verlag, München 2000
Roger Kalbermatten: Wesen und Signatur der Heilpflanzen. Die Gestalt als Schlüssel zur Heilkraft der Pflanzen. AT Verlag, Aarau 2002
Roger und Hildegard Kalbermatten: Pflanzliche Urtinkturen. Wesen und Anwendung. AT Verlag, Baden und München 2005
Rudolf Klußmann: Psychosomatische Medizin. Springer Verlag, Berlin und Heidelberg 1998
Gerhard Madaus: Lehrbuch der Biologischen Heilmittel. Band 11. Mediamed Verlag, Ravensburg 1989
Hermann Menge: Langenscheidts Großwörterbuch Lateinisch – Deutsch. Unter Berücksichtigung der Etymologie. Langenscheidt Verlag, Berlin und München 1979
Mannfried Pahlow: Das große Buch der Heilpflanzen. Gräfe und Unzer Verlag, München 1993
Wilhelm Pelikan: Heilpflanzenkunde. Band III, Verlag am Goetheanum, Dornach 1999
Heinz-Hartmut Vogel: Wege der Heilmittelfindung. Menschenkunde und Heilmittelerkenntnis. Natur-Mensch-Medizin-VerlagsGmbH, Bad Boll 2000
Hildebert Wagner, Markus Wiesenauer: Phythotherapie. Phytopharmaka und pflanzliche Homöopathica. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2003
Rudolf Fritz Weiß: Lehrbuch der Phytotherapie. Hippokrates Verlag, Stuttgart 1991
Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002

Anschrift der Verfasserin:
Margret Rupprecht
Hohensalzaer Straße 6a
81929 München

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Naturheilpraxis 12/2011