FACHFORUM

Bäume und das Heilige

Bernd Hertling

Bäume sind für mich immer die eindringlichsten Prediger gewesen. Ich verehre sie, wenn sie in Völkern und Familien leben, in Wäldern und Hainen. Und noch mehr verehre ich sie, wenn sie einzeln stehen. Sie sind wie Einsame. Nicht wie Einsiedler, die aus irgendeiner Schwäche sich davongestohlen haben, sondern wie große, vereinsamte Menschen, wie Beethoven oder Nietzsche. In ihren Wipfeln rauscht die Welt, ihre Wurzeln ruhen im Unendlichen; allein, sie verlieren sich nicht darin, sondern erstreben mit aller Kraft ihres Lebens nur das Eine: Ihr eigenes, in ihnen wohnendes Gesetz zu erfüllen, ihre eigene Gestalt auszubauen, sich selbst darzustellen.
Hermann Hesse


Dass sich über dieses Thema natürlich ein Buch schreiben ließe, versteht sich von selbst, ebenso, dass hier nur einige wenige Aspekte dargestellt werden können. Im letzten Beitrag (Naturheilpraxis 5/2011, S 558 f) versuchte ich dem Ganzheitssymbol Baum auf die Spur zu kommen, wobei schon deutlich wurde, dass dieses wesentliche Ur-Erlebnis ‚Baum‘ nicht umsonst als Ganzheitssymbol gilt. Auch wenn sich leider der Eindruck aufdrängen will, der Baum stehe gegenwärtig überall im Weg, vor allem, wenn er am Weg steht, genoss er früher – und genießt er glücklicherweise ja auch heute noch stellenweise eine gewisse – Verehrung.

Anders als in Abbildung 1, wo das Baumindividuum als solches verehrt wird, sozusagen der Baum selbst mit Haut und Haaren, sprich mit Laub, Wurzeln, Rinde und Holz als sakrosankt, als heilig und unverletzlich, gilt, markieren ‚heilige Bäume‘ oftmals einen besonderen Platz, einen Ort, wo der Mensch mit dem Numinosen, in prähistorischen Zeiten meist mit ‚den Göttern‘, noch früher mit den Ahnengeistern oder Naturdämonen assoziiert, in Kontakt treten konnte. Auch dieser heilige Baum schützt gewissermaßen so eine Stelle, die durch einen geweihten Stein markiert ist: Unter dem Baum meditieren Yogis und legen sich Erleuchtung Suchende zum Schlafen nieder, um mit dem Herrn der Schlangen, Shiva, im Traum in Kontakt zu kommen. Unabhängig von der Verehrung, die diesem besonders heiligen Baumindividuum zukommt, herrscht im vedischen Hinduismus von vorneherein eine positive Haltung dem Baum gegenüber, so etwa, wenn es heißt:

„Mit deinem Wipfel trägst du den Himmel, deine Mitte füllt die Luft und mit deinem Fuß festigst du die Erde.“

Anders die Offenbarungsreligionen, die bekanntlich allesamt aus der Wüste kamen, hatten immer ein gestörtes Verhältnis zu Natur und Vegetation – und somit ‚natürlich‘ auch zum Baum. Gott beauftragt den Menschen, sich die Erde zu unterwerfen – die Umsetzung ist hinlänglich bekannt. So etwas wie „heilige Bäume“ gibt es bei ihnen nicht, läge ihre Verehrung doch viel zu nahe am heidnischen Götzenkult.

Im Christentum darf das Baumsymbol zunächst nur im Zusammenhang mit dem Erlöser verehrt werden. So wird ja der Kreuzestod Jesu-Christi als Sühne für die Ursünde gesehen, Gott-Vater überlässt seinen Sohn zur Hinrichtung den Menschen, die ihn nicht etwa enthaupten oder dem Feuer überantworten, sondern ans Holz des Baumes der Erkenntnis nageln! So zum Träger der Heilsgeschichte geworden, wird (wenn schon nicht der Baum selbst so doch) das Holz durch die Kreuzesgestalt erhöht. Auch an anderer Stelle in der Bibel erscheint der Baum als Heilssymbol: Als Stamm-Baum des Menschengeschlechts von Adam bis Jesus-Christus. Eine schöne Darstellung findet sich in Arezzo in der Franziskanerkirche, wo der Maler des Quatrocento, Piero della Francesca, in einem Freskenzyklus die Geschichte vom Holz des Kreuzes als des dem Leichnam Adams entsprießenden Baumes, der auf den Erlöser hin angelegt ist, schildert. Wenn also der Baum im christlichen Rahmen als heilig gilt, dann nie eo sipso, sondern immer nur als Vehikel des Heils oder Teil eines Kultensembles.

Der Baum als Abbild von Kosmos und Universum
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Der Baum als Sitz von Wissen und Weissagung
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Mit dem Fällen des ersten Baumes begann die Kultur, mit dem Verschwinden des letzten wird sie (spätestens) enden.


Die Linde als Baum der Zuflucht.
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Das Lindenblatt als tödliche Herzensbotschaft
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Anschrift der Verfasserin:
Bernd Hertling
Heilpraktiker
Nettelkofener Str. 1
85567 Grafing

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Naturheilpraxis 10/2011