Der Kopf

Das Auge – einmal anders betrachtet

Jochen Schleimer

Sehstörungen sind in unserer Gesellschaft extrem häufig; so häufig, dass sie oft nicht einmal als von der Norm abweichend empfunden werden. Dazu gehören vor allem die Fehlsichtigkeiten. Kurzsichtigkeit wird – wenn überhaupt – als Bindegewebsschwäche des Augapfels interpretiert, was dazu führt, dass sich die Lichtstrahlen vor, anstatt auf der Netzhaut treffen und mittels einer Brille korrigiert werden. Auf die gefährliche Sonderform der Kurzsichtigkeit – die Myopia maligna – mag das zutreffen, die meisten anderen Formen der Fehlsichtigkeit verdienen eine andere Betrachtungsweise.


Hilfreich ist hier die TCM:
Die Augen gehören zum Element „Holz“, das auch für den Funktionskreis der Leber und für die Muskeln zuständig ist. Bei fast jeder Funktionsstörung der Augen findet sich zum Beispiel in der Bauchdiagnostik ein positiver Leberbefund. Augenerkrankungen sind Erkrankungen des Funktionskreises Leber. (1)

Zum Element „Holz“ gehört als Emotion „unterdrückte Wut“ als Zeichen eines nicht kompensierbaren Stress. So findet man Kurzsichtigkeit in hoch sozialisierten Gesellschaften sehr häufig. In Japan zum Beispiel (der wohl am stärksten sozialisierten Gesellschaft) sind 25% der Bevölkerung kurzsichtig, in Brasilien, ein Land in dem kaum eine Emotion zurückgehalten wird, sind es nur 2%.

Kurzsichtigkeit und Weitsichtigkeit sind also primär psychosomatische Störungen – bedingt durch eine dauerhafte Anspannung der Augenmuskeln – und lassen sich als solche behandeln

(Abb. Augenmuskulatur)

Nach meiner Erfahrung bietet „Hypnovision“ von Lisette Scholl (2) die besten Ergebnisse, weshalb ich die Methode auch in meinen Hypnosekursen vermittle. Sie funktioniert zudem bei anderen – auch degenerativen Augenerkrankungen.

Eine gute Methode, um schnelle Ergebnisse zu erzielen (Hypnovision braucht einige Wochen), ist Kawarzhan(3):

„Man sitzt bequem auf einem Stuhl, blickt geradeaus in die Ferne und denkt an nichts. Die Augen entspannen sich dabei und richten sich parallel aus, weil sich der Blick dem fernsten Punkt anpasst ...

Wenn sich keine Möglichkeit bietet, in die Ferne zu blicken, schaut man auf zwei Punkte an der Wand, die ungefähr acht Zentimeter auseinander liegen sollten. Der Zwischenraum muss sich verwischen, während man sich darauf konzentriert, den linken Punkt mit dem linken Auge und den rechten mit dem rechten Auge anzuvisieren ...

Man behält den Parallelblick bei und legt den Kopf um etwa dreißig Grad in den Nacken. Der Blick bleibt in die Ferne gerichtet (oder auf die Wand), wobei die Augen sich noch mehr entspannen, weil sie nicht horizontal festgehalten werden, sondern der Schwerkraft abwärts folgen können. Den Unterkiefer lässt man hängen, um der Gravitation überhaupt keinen Widerstand zu bieten. Wie mit Zauberschlag glätte sich das ganze Gesicht merkbar. Man bleibt in dieser Stellung zehn Sekunden lang.

Nun schließt man die Augen und lässt den Kopf sachte vorwärts sinken, wobei der Unterkiefer herabhängt ... So bleibt man fünf Sekunden lang.“

Häufiger als erahnt, hängen Sehstörungen mit Problemen der Halswirbelsäule zusammen:

Aus den elektrischen Impulsen der Netzhaut werden im sogenannten visuellen Cortex „Bilder gemacht“. Der visuelle Cortex befindet sich im hinteren Drittel des Gehirns und wird überwiegend von der A. basilaris (aus ihren zwei Ästen der A. vertebralis) mit Blut versorgt.

Degenerative Veränderungen der HWS aber auch Fehlhaltungen können die Durchblutung kritisch beeinflussen (4). Eine besondere Rolle spielt dabei das Segment HWK 2. Störungen in diesem Segment führen zu Fusionsschwächen, d.h. das Bild ist immer irgendwie unscharf und kaum mit Sehhilfen zu korrigieren. Eine Behandlung der Halswirbelsäule (z.B. mit der Methode „Strain – Counterstrain“) bringt dann weitaus bessere Ergebnisse.

Haltungsanomalien der HWS werden durch Arbeiten am Computer begünstigt, weil der Bildschirm in der Regel zu weit seitlich oder in einem ungünstigen Winkel (meist zu steil) aufgestellt ist. Am Laptop treten solche Störungen seltener auf.

In der Homöopathie findet sich bei fast allen Augenerkrankungen Phosphor als Hauptmittel. Besonders die Retinitis pigmentosa (aber auch die Makuladegenerationen) gibt fast nur Phosphor (den „Lichtträger“) im Repertorium an. Neben Hypnosvision sollte bei degenerativen Augen- erkrankungen unbedingt ein homöopathischer Behandlungsversuch unternommen werden. Oft sind die Ergebnisse günstiger, wenn das homöopathische Medikament in den Akupunkturpunkt injiziert wird. Bewährt hat sich dem Autor die Injektion in die Punkte für Leber, Augr und für den N. ophtalmicus (5). Als Nebenwirkung finden sich häufig Hämatome, besonders, wenn der Patient gerinnungshemmende Medikamente einnimmt. Sie sind fast immer harmlos, erfordern jedoch umständliche Erklärungen.

Zum Element Holz und dem Funktionskreis Leber gehört die Farbe Grün und tatsächlich gibt es für das menschliche Auge (neben dem Schlaf) kaum etwas Erholsameres als den Anblick grüner Pflanzen. Grün ist (im Islam) die Farbe Gottes, die den Augen so wohl tut und das Herzchakra (Anahatta-Chakra) besänftigt. „Kranken Herzen sende Ruh, nasse Augen schließe zu, halte du im Himmel Wacht und schenk uns eine gute Nacht“ (6)
...

Literaturverzeichnis:
1. Yamamoto, T et al.: Yamamoto Neue Schädel Akupunktur YNSA, Verlag für Ganzhitliche Medizin Kötzting, 2005
2. Scholl, L: Hypnovision, Westwood Publ., Glendale, CA
3. Young, F.R.: Yoga für Männer, Albert Müller Verlag, Zürich, 1973
4. Netter, F.H.: Neurologie, Thieme, Stuttgart, 2001
5. Dosch, P.: Lehrbuch der Neuraltherapie, Haug Verlag, Heidelberg, 1973
6. Hänsel, L.: Evangelisches Kirchengesangsbuch


Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Jochen Schleimer
Waltramstr. 3
81548 München



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Naturheilpraxis 8/2011