Augendiagnose

Neurologische Erkrankungen: Kann die Augendiagnose Hinweise geben?

Hermann Biechele

Mit dem Begriff „Neurologische Erkrankungen“ wird eine Vielzahl verschiedener und sehr komplexer Krankheiten zusammengefasst, die das zentrale oder periphere Nervensystem betreffen. Auch ist nicht immer eine klare Grenze zwischen der Neurologie und anderen Krankheitsbereichen zu ziehen. Gerade die Abgrenzung zu psychischen Erkrankungen ist oft schwierig. Häufigere neurologische Erkrankungen sind z. B. Morbus Parkinson, Epilepsie, Multiple Sklerose, Alzheimer-Demenz, Schlaganfall und weitere Störungen wie Migräne, Tinnitus, Schlafstörungen und Depressionen. Da in jedem Fall ein möglichst frühzeitiger Therapiebeginn anzustreben ist, stellt sich die Frage, welchen Beitrag die Augendiagnose zur Frühdiagnostik leisten kann.


Die letzten „weißen Flecke auf der Landkarte“ der Iridologie betreffen die Gehirnfelder. Strukturelle Atrophie und funktionelle Asthenie des Zentralnervensystems setzen hier ihre Zeichen. Einig ist man sich zwar über die Ausdehnung des Sektors, der in beiden Iriden von 55‘ bis 5‘ reicht und damit den relativ größten Raum unter den Organplätzen einnimmt.

Schwieriger wird es schon, die einzelnen „Funktionseinheiten“ topografisch genau zu lokalisieren. Das liegt sowohl an der komplexen Vernetzung der funktionalen Zentren, wie an der Größe und Ausdehnung der in diesem Sektor auftretenden Phänomene. Wir sehen hier alle Arten von iridologischen Zeichen: Strukturzeichen, reflektorische Zeichen, Pigmente, Gefäßbilder ...

Typische Zeichensetzungen, die der Hypophyse zugeordnet werden können, finden sich häufiger. Aber schon eine Unterscheidung zwischen Thalamus und Hypothalamus ist eher nicht mehr möglich. Legt man die Regeln der Zeichenlehre zugrunde, wird man bei Strukturzeichen eher an hirnorganische Veränderungen und Schäden denken.

Reflektorische Zeichen und Pigmente weisen dann auf funktionelle Störungen der nervalen und hormonellen Steuerung hin. Ein auffälliges Gefäßbild (Vaskularisationen, Leitgefäße, episklerale und konjunktivale Gefäße) lässt an die vielfältigen vaskulär bedingten („Durchblutungs“-)Störungen denken. Berücksichtigt man weiter, dass das Gehirn einen erheblichen Sauerstoff- und Energieverbrauch hat, sollten auch Aufhellungen, Abdunkelungen und (radiäre) Furchen eine besondere diagnostische Bewertung erfahren. Dazu kommen Hinweise in der Hornhaut (Arcus lipoides) und im Augenweiß (Pinguekula) auf Störungen im Lipid- und Eiweißstoffwechsel. Nicht zu vergessen sind Auffälligkeiten der Pupille (Entrundungen, Abflachungen, Pupillotonie) und des Pupillensaums.

Ein Fall aus der Praxis

Die 65jährige Patientin stellte sich vor mit „chronischen Rückenschmerzen“. Weil der Vater Mb. Parkinson hat, ist sie klinisch bestens untersucht und der bereits lange gehegte Krankheitsverdacht hat sich bei ihr leider ebenfalls bestätigt. So gesehen also eine „einfache Übung“. Eine solche Ausgangslage (mit klinisch gesicherter Diagnose) hilft aber bei der Suche nach typischen augendiagnostischen Befundmustern, was letztlich zu einer Art Früherkennungs-Screening führen könnte. Wichtige Vorarbeiten zur Klärung der Zusammenhänge in der „kortikalen Vernetzungsebene“ haben Josef Deck und später Willy Hauser geleistet. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind ein wichtiger Beitrag in der gegenwärtigen iridologischen Forschung.

Rechte Iris

Die rechte Iris weist neben den großen lakunären Strukturen (15‘, 28‘, 50‘) zahlreiche Kleinstlakunen, Krypten und Defektzeichen im gesamten zerebralen Sektor (55‘ – 5‘) auf: Hinweis auf eine genetisch angelegte strukturelle Atrophie. Erschwert wird dieser Befund durch die Pigmentierung der humoralen Zone, die im Sinne einer toxischen Imprägnation die Mitbeteiligung der Leber signalisiert. Die Iriskrause mit ihrem insgesamt recht unregelmäßigen Verlauf ist frontal stark aufgequollen – ein zuverlässiger Hinweis auf die „Adaptionsanomalien des zentralen und vegetativen Nervensystems“ (Willy Hauser). Bei genauerem Hinsehen erkennt man (bei geeigneter Beleuchtung!) dann auch einzelne aufgehellte Reizfasern, die den Aktivierungszustand deutlich machen. Wenn wir das Leit- bzw. Tangentialgefäß als sektorales Hinweiszeichen ernst nehmen, werden wir schließlich auch auf das kleine Pigment bei 5‘ in der mittleren Ziliarzone aufmerksam. Es kann als Hinweis auf die Chronizität des Geschehens gelten.

Linke Iris

Die linke Iris bietet ein ähnliches Bild. Stärker noch stellt sich aber die frontale Heterochromie dar, die auch die Krausenzone mit einschließt. Die Pupillenabflachungen und der partiell verdickte Pupillensaum als Hinweis u.a. auf das zerebrospinale System sind genauso gut zu sehen wie die Konzentration der multiplen Fremdpigmente (Dyskratische Diathese nach Deck) in der unteren Irishälfte.

Eine Zwischenbilanz

Hinweise auf neuroanatomische und –biologische Verhältnisse, die nicht mit der klinischen Diagnostik verwechselt werden dürfen, kann die Augendiagnose (im Rahmen ihrer systemimmanenten Grenzen) zweifellos geben. Ob sie aber auch für die so außerordentlich vielfältigen Varianten der psychischen, seelischen und geistigen Persönlichkeitsstrukturen (in Bezug auf Ratio, Emotio, Religio) oder Gedächtnisleistungen (individuelle und kollektive Erfahrung, Abstraktionsvermögen, assoziatives Denken) ein geeignetes Diagnostikum darstellt? Diesbezügliche Hinweise finden wir bereits in der frühen augendiagnostischen Literatur und verstärkt haben sich Rudolf Schnabel und vor allem Josef Angerer damit beschäftigt. Dass und wie sehr im Organismus allgemein und im Gehirn im besonderen Struktur und Funktion zusammenhängen, bestätigt auch die noch relativ junge Disziplin der Psychoneuroimmunologie. Aber schon gibt es auch den interdisziplinären Austausch zwischen den traditionellen Natur- und Geisteswissenschaften – und es wird immer fraglicher, ob eine solche Trennung im Zeitalter der Quantenforschung überhaupt noch Sinn macht. Die Anpassungsfähigkeit des Gehirns wird ja bislang meist in Bezug auf „Umwelt“veränderungen untersucht. Es gibt aber neuerdings bereits Forschungsansätze, die den Einfluss mentaler und kontemplativer Techniken auf die (Weiter-)Entwicklung der Gehirnfunktionen in einem ganz umfassenden Sinn im Blick haben. Die Grenzen zwischen Physik und Metaphysik verschwimmen unter diesem Aspekt ähnlich wie zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos oder Innenwelt und Außenwelt. Wenn wir das Auge aber nun als eine der vielen Übergangsstellen in einem multilateralen Informationsfluss begreifen, dann sollte doch auch die Augendiagnose einen Beitrag zu dieser Thematik leisten können.

Der „Arbeitskreis für Augendiagnose und Phänomenologie Josef Angerer“ hat sich diese Aufgabe zu Eigen gemacht und referiert die Zwischenergebnisse entsprechender Forschungsvorhaben regelmäßig bei seinen Veranstaltungen – die nächste findet übrigens statt am 2./3. Juli in München

Wenn es auch gelegentlich den Eindruck macht, dass die Augendiagnose momentan nicht gerade „en vogue“ ist, möchten wir doch alle Interessenten ermutigen, mit ihr anzufangen und die Erfahrenen motivieren, „dran“ zu bleiben. Die Methode ist faszinierend, effektiv – und die Themen sind längst noch nicht alle ausgereizt: es bleibt spannend!

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Anschrift des Verfassers:
Hermann Biechele
Kaiserstr. 51
80801 München

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Naturheilpraxis 6/2011