Heute spielt die Behandlung von Schmerzen aller Art in meiner Praxis eine hervorragende Rolle. Oft haben die Patienten eine lange Therapiegeschichte mit recht unbefriedigenden Erfolgen hinter sich. Mein Weg zur Behandlung hat etliche Wendungen genommen und dabei habe ich von sehr unterschiedlichen Lehrern Strategien übernehmen dürfen.

1989 war ich zum ersten Mal in China zu Gast. In Tianjin besuchte ich mehrere Krankenhäuser und wurde Zeuge zahlreicher Behandlungen. Da ich selber nicht tief in die Materie eingedrungen war, nahm ich natürlich auch nur das wahr, was ich erkennen konnte. Auf einem Flur sah ich einige Patienten mit etlichen Nadeln im Gesicht sitzen. Sie litten an einer Gesichtslähmung und kamen jeden Tag zu Akupunktur. Der Versuch die Punkte zu qualifizieren zeigte, dass es eher um die betroffene Region ging und dann bekannte Punkte auf den Meridianen gestochen wurden. An Händen und Füßen fielen mir keine Nadeln auf. Die sogenannten antiken Punkte spielten also in dieser Behandlung keine Rolle. Mein Übersetzter wies daraufhin, dass die Krankheit auch psychische Ursachen haben könnte. Selbst mit dieser Erkenntnis wurde die Störung lokal behandelt.

Die Strategie: behandle, was du siehst, dort wo du es siehst, ist auch heute noch eine interessante und erfolgreiche Herangehensweise. In der Rheumaabteilung der Klinik in Tianjin war ich 1989 längere Zeit zu Besuch. Zunächst war ich fast benebelt von der Intensität des Qualms der Moxabehandlungen. Besonders lokale Nadelungen, mit Stücken von Moxazigarren auf die Nadeln gedrückt, brachten beeindruckende Erfolge. In Fernsehberichten wird diese Behandlung immer wieder gerne gefilmt. Da passiert wenigstens was bei der sonst eher unauffälligen Nadelung. Hier bekam ich aber auch schon andere Punkte in den Blick. Der betroffene Meridian wurde nicht nur im Schmerzbereich gestochen, sondern auch distal. Der wichtigste Punkt in meiner Erinnerung war der Shu-Bach Punkt, der Dritte der antiken Punkte, wurde oft hinzugenommen, besonders wenn die vier Extremitäten betroffen waren. Ich bitte immer zu beachten, dass ich damals mit recht geringen Kenntnissen beobachtete und die tieferen Konzepte mir nicht bekannt waren. Es geht hier um meine Lerngeschichte und nicht um eine Beschreibung der Krankenhauspraxis.

In den Anfängen meiner Praxis habe ich nach diesen Erkenntnisse gerne und intensiv behandelt. Es gab auch etliche gute Erfolge. Aber auch recht unbefriedigende Situationen. Entweder taten die Einstiche zu weh oder es gab zu viel Schmerzbereiche, die nicht gleichzeitig alle genadelt werden konnten. Irgendwo habe ich die Erkenntnis aufgeschnappt: Ohne Yangming keine Rheumabehandlung. Das war der Einstieg in die Syndrome. Die Erkenntnis, dass Feuchtigkeit, Kälte und Wind nur eindringen können, wenn Qi und Blut schwach sind, brachte mich weiter. Also ist es logisch, diese beiden Meridiane immer mit ein zu beziehen, besonders Ma 36, zusanli, ist unverzichtbar. Bei Deadman im Handbuch der Akupunktur kann man zu den Wirkungen lesen: „Kräftigt die Milz, löst Feuchtigkeit auf,… tonisiert Qi und nährt Blut und Yin…, aktiviert die Leitbahn und lindert Schmerz. “ (Seite 168)
..........................

Literatur
Lee, Miriam: Master Tong`s Acupuncture, Boulder (USA): Blue Poppy Press, 5. Aufl. 2002
Legge, David: Die Behandlung von muskuloskelettalen Störungen mit TCM, Kötzting: VGM, 2003
Maciocia, Giovanni: Die Praxis der Chinesischen Medizin, Kötzting: VGM, 1997
Ross, Hans-Georg; Sulistyo Winarto, Fransiscus: Die Balance-Methode in der Akupunktur, München: Müller & Steinicke, 2008
Seem, Mark: Akupunktur und myofasziale Lösung, Uelzen: MLV, 1999
Tan, Richard Teh-Fu: Acupuncture 1, 2, 3, San Diego (CA), 2007
Tan, Richard Teh-Fu: Die Balancemethode und Dr.Tan`s Strategie der Zwölf Magischen Punkte, San Diego (CA), 2006
Tan, Richard Teh-Fu; Rush, Stephen: Twelve & Twelve in Acupuncture, San Diego (CA), 2. Aufl. 1996
Tan, Richard Teh-Fu; Rush, Stephen: Twenty-Four More in Acupuncture, San Diego (CA), 1994

Anschrift des Verfassers:
Walter Karius
Heilpraktiker, Diplomtheologe
Am Tennisplatz 11
49134 Ibbenbüren
Email: wkhkarius@aol.com

weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)

Zum Inhaltsverzeichnis

Naturheilpraxis 5/2011