Harald Herget
Hipprokrates und Paracelsus erwähnten schon in Wort und Schrift den Ähnlichkeitsgedanken. Besonders das isopathische Gleichheitsprinzip wurde von den alten Ärzten eifrig vertreten. Krankheitsbehandlung mit Verdünnungen der Mittel oder Noxen, durch die dieselben entstanden, war eine geläufige therapeutische Methode. In der modernen aktiven und passiven Immunisierung findet der isopathische Gedanke seinen wissenschaftlichen Ausdruck.
Hahnemann unterwarf das Ähnlichkeitsprinzip einer kritischen Prüfung und kann als der Gründer der exakten und wissenschaftlich fundierten Homöopathie angesehen werden. Similia similibus curentur  Krankheiten könnten durch Verdünnungen eines Stoffes therapeutisch beeinflusst werden, welcher im Vergiftungsfall dem Krankheitsbild ähnliche Symptome zeigt. Bisher unklare Vorstellungen wurden von Hahnemann durch seine exakten Arzneimittelprüfungen am gesunden Menschen beseitigt und ein übersichtliches Arzneimittelprüfungssystem geschaffen. In seiner reinen Arzneimittellehre beschreibt Hahnemann eine große Anzahl Arzneimittelwirkungsbilder, hervorgerufen durch Pflanzen, Mineralien, tierische Gifte und viele andere organische und anorganische Substanzen. Zirka 100 Prüfungen führte er am eigenen Körper durch, wahrhaftig eine heroische Tat! Wie üblich, wurde auch diese große Idee von den Vertretern der scholastisch starren Schulmedizin scharf angegriffen. Die Virchowsche Organ- und Zellular Pathologie ließ die Heilkunde vorübergehend in einem therapeutischen Nihilismus erstarren. Hier liegt der Beginn unserer heutigen bis ins Detail überspezialisierten und technisierten Medizin, die den Kontakt mit altbewährten humoralpathologischen Heilweisen und leider auch den Überblick über den ganzen Menschen im Sinne der Ganzheitstherapie zu verlieren droht. Erst die Entdeckung des biologischen Grundgesetzes durch den Greifswalder Pharmakologen H. Schulz und den Physiker R. Arndt Ende des letzten Jahrhunderts bewiesen die Arbeiten Hahnemanns als richtig und führten auf einen weiteren wichtigen Grundsatz: Kleine Reize fördern, große Reize hemmen, größte Reize lähmen. Die Voraussetzungen, um in der Einzelhomöopathie erfolgreich zu therapieren, waren groß und vielfältig. Nur ein gutes Gedächtnis, großes Wissen, lange Erfahrung in Verbindung mit „Fingerspitzengefühl“  dem so oft belächelten intuitiven Erfassen der Situation  ergaben die notwendige Sicherheit zur erfolgreichen Behandlung auch akuter Erkrankungen. Das Risiko für den Anfänger in der Simplexhomöopathie war schon damals groß.
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Literatur:
			1. Clerc, A.: Die vereinfachte Medizin oder die Complexe Homöopathie. H. Georg, Verlagsbuchhandlung Basel, 1892
			2. Droste, R.: Komplexmittelhomöopathie von Pastor Felke bis heute. Naturheilpraxis 3/2007
			3. v. Gerhardt, A.: Handbuch der Homöopathie, Verlag Dr. Willmar Schwabe, Leipzig 1882
			4. Herget, H. F.: Lehrbuch der Konstitutionsmedizin, 2. Auflage, wiss. Abteilung der Fa. Pascoe 1998 
			5. Jung, W.G.: Die Andere Medizin, 3. Jhg., 7/77 (1977) 
			6. Liebau, K. F.: Zur Komplexhomöopathie, Naturheilpraxis, 02/2003, 168-171
			7. Lutze, A.: Lehrbuch der Homöopathie, Köthen, 1860; Nachdruck: Heino Schirm (Hg.), München 1978
			8. Madaus, M.: Taschen  Rezeptierbuch zur Konstitutionsbehandlung, VII. Aufl. 1933
			9. Ritter, H.:  Homöopathie als Ergänzungstherapie, Hippokrates Verlag, Stuttgart, 1954
			10. Sahler, A. M.: Homöopathische Komplexmittel. Ihre historische Entwicklung, ihre Begründer und ihre gegenwärtige Bedeutung. Richard Pflaum Verlag, München 2003
			11.Schimmel, H. W.:  Die klinische Komplexhomöopathie. Der Versuch einer Definition, Acta Biologica XXX/1, 1991
			12.Schimmel, H. W.:  Ursprung und geschichtlicher Abriss der Komplexhomöopathie. Acta Biologica I/1, 1962
			13.Schimmel, H. W.:  Funktionelle Medizin, Teil 1, Karl F. Haug Verlag Heidelberg 1991 
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Harald Herget
Arzt  Naturheilverfahren
Grüningerstr. 13
35415 Pohlheim
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Naturheilpraxis 3/2011