Phytotherapie

Phytotherapie im Wandel der Zeit

oder: Die Arzneipflanze zwischen Magie und Moderne

von Josef Karl

Immer wieder beschäftigt die Frage, wie der Mensch zu den Indikationen der Heilpflanzen gekommen ist – und man kann annehmen, dass die bewegte Geschichte der Arzneipflanzenkunde auch eine Historie des menschlichen Bewusstseins in seinem Wandel ist. Es wird vielleicht schwer fallen – vor allem, wo sich viele Menschen für ausschließlich rational und aufgeklärt halten, auch wissenschaftsgläubig sind – dass im Menschen keineswegs nur moderne Dimensionen des Denkens vorhanden sind, eben auch nicht beim Bürger des 21. Jahrhunderts.


I.

Auch heute noch sind mehrere Schichten der Wahrnehmung vorhanden, solche, die von Anfang an da waren und jene, die im Laufe der Evolution dazugekommen sind. Im folgenden Modell möchte ich diese Bewusstseinsstrukturen erläutern (im Anklang an den Paläontologen E. Dagué):

Der Mensch dürfte durch alle diese Seinsweisen gegangen sein, natürlich in seiner Frühzeit vorwiegend archaisch determiniert, mit Übergängen zur etwas späteren Phase der magischen Natursicht – weiter in der vorchristlichen Zeit der Götter- und Mythenwelt – also mythologisch im Denken und Fühlen bestimmt – schließlich in einer besonders ausgeprägten Phase, die sich im Abendland während des Hochmittelalters als mystische Weltsicht äußerte: Es sei hier lediglich Hildegard von Bingen erwähnt.Dann folgte weitgehend an der Nahtstelle zur sog. Neuzeit, (Paracelsus dürfte dafür stehen) das rationale „aufgeklärte“ Weltbild der Renaissance bis wir schließlich in der heutigen Zeit des naturwissenschaftlichen und experimentellen Denkens und Handelns landen.

Immer aber wird vorausgesetzt, dass in jedem Menschen alle diese Bewusstseinszustände mehr oder weniger stark vorhanden sind. Wenn man sich dies vergegenwärtigt, wird einem klar, dass jeder Therapeut stärker oder schwächer aus diesen Kategorien handelt. (Dass es hier Merkwürdigkeiten gibt, veranschaulicht ein Bild der Gegenwart, auf dem eine Anzahl von Chirurgen bei einer Operation am offenen Herzen abgebildet ist, auf deren grünen Mänteln ein vierblättriges Glücksklee-Design gedruckt ist!)

Überheblichkeit ist somit fehl am Platz und wer denkt, was früher gedacht wurde, sei heute überholt: Der Mensch hätte kaum überleben können, wenn er nur mit den wissenschaftlichen Denkprozessen der Jetztzeit, die er eben früher nicht gehabt hat, hätte existieren sollen. Alles mag zwar für uns in einem anderen Licht erscheinen – aber kennen wir die Wurzeln? Ein Forscher, der zwar von Haus aus Paläontologe war, Edgar Dagué, beschreibt in allen seinen Büchern, z.B. auch in „Das verlorene Paradies“, die Bewusstseinsentwicklung des Menschen und erklärt das Wissen des prähistorischen Menschen mit „Naturheilsichtigkeit“.

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Literatur
Bernus, A. v.: Alchemie und Heilkunst. Hans Carl Verlag, Nürnberg 1969
Daqué, E.: Das verlorene Paradies. R. Oldenburg Verlag, 1953 Natur und Seele. R. Oldenburg Verlag 1926
Fritsche, H.: Der Erstgeborene. S. Fischer Verlag, Berlin 1940
Gabler-Almoslechner, H. – R.: Wer-Was-Wie bin Ich, Eigenverlag, Neuler-Ramsenstrut 1979
Heinisch, K. –J.: Kaiser Friedrich II. – Sein Leben in zeitgenössischen Berichten. München 1977
Hertzka, G. und Strehlow, W.: Handbuch der Hildegard-Medizin. Bauer Verlag, Freiburg/Brsg. 1987
Karl, J.: Phytotherapie. Marczell Verlag, München 1970
Müller, L : Die pflanzlichen Heilmittel bei Hildegard von Bingen. Otto Müller Verlag, Salzburg 1982
Pelikan, W.: Heilpflanzenkunde Band 1 und 11. Philosoph, –anthroposoph. Verlag, Dornach 1958
Schlegel, E.: Religion der Arznei. Arkana Verlag, Ulm 1960
Simonis, W. Ch.: Die unbekannte Heilpflanze. Vitt. Klostermann Verlag, Frankfurt/M., 1955

Anschrift des Verfassers:
Josef Karl
Heilpraktiker
Alpenstr. 25
82377 Penzberg

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Naturheilpraxis 1/2011