FACHFORUM

Träume – Spiegel der Gefühle

Der Traum in der Anamnese der Naturheilpraxis

Teil 1: Die Psychologische Deutung von Träumen

Von Reinhard Müller

Träume spielen in der Anamnese und Behandlung in der Naturheilpraxis eine wesentliche Rolle, vor allem, wenn es um die Erfassung des Persönlichkeits- und Konstitutions-Typus (z.B. in der klassischen Homöopathie), die tieferen Hintergründe aktueller persönlicher Konflikte vor allem im Hinblick auf lebensgeschichtliche Ursachen und ihre Verbindungslinien sowie die aktuelle Befindlichkeit des Patienten in ihrer gefühlsmäßigen Bedeutung geht. Träume haben sehr viel mit inneren unbewussten Prozessen zu tun, deren Aufdeckung, Bewusst-Werden und Bearbeitung sehr wesentlich für das persönliche Wachstum, die Weiterentwicklung und ganzheitliche Gesundung des Patienten ist.

Unbewusste Prozesse und deren innere Bearbeitung nehmen auch im normalen Lebensrhythmus zeitlich einen viel größeren Raum ein, als dies zuweilen bewusst ist:
Das menschliche Leben ist von einer Vielzahl periodisch wiederkehrender Rhythmen und Zyklen geprägt, die sich in regelmäßiger Folge wiederholen und die verschiedenen Pole des menschlichen Seins ansprechen. Hiervon ist der Wach-Schlaf-Rhythmus einer der wichtigsten rhythmischen Schwankungen.

Der Mensch verbringt durchschnittlich 30 – 40% seiner Lebenszeit im Schlaf. Dessen Aufgabe ist nicht nur die körperliche Regeneration, die mit einem Abschalten der Organe auf ein Minimum ihrer Aktivität verbunden ist. Der Schlaf hat vor allem psychische Ausgleichsfunktion: Im Wachzustand erleben wir eine Fülle von Sinnes-Eindrücken und emotionalen Erfahrungen. Ein großer Teil hiervon verbleibt unterhalb der Bewusstseins-Schwelle. Ein anderer Teil löst mitunter einen zuweilen nicht unerheblichen Problemdruck aus, der im bewussten Zustand teilweise unbewältigt bleibt, teilweise in Form von Kampf- oder Flucht-Reaktionen (also: in Form von Abwehr, Verdrängung oder Projektion) ausgelebt wird. Im Traum verarbeiten wir diese ins Unbewusste gedrängten emotionalen Konflikte, inneren Spannungen und Widersprüche.

Vor allem kommen hier die unterschiedlichen Teil-Persönlichkeiten zu Wort: In einem Erlebnis-Zustand, der die Grenzen von Raum und Zeit überwindet, verdeutlichen unsere inneren Bilder symbolisch unsere tiefen Emotionen und ihr – zum Teil konträres – Zusammenwirken und Widerstreiten.

C.G. Jung definiert den Traum als „Versuch, uns das psychische Gleichgewicht wiederzugeben, indem sie (die Träume, R.M.) Traummaterial produzieren, das auf subtile Weise die gesamte psychische Balance wieder hergestellt... Der Traum kompensiert die Mängel ihrer Persönlichkeit und warnt sie gleichzeitig vor den Gefahren ihres gegenwärtigen Kurses“ (1).

Jung weist dem Traum somit 2 Funktionen zu:

a) die komplementäre oder kompensatorische Funktion.
Hier geht es um die Wiederherstellung der psychischen Balance und die Zentrierung auf die eigentlichen seelischen Belange und Anliegen der Ich-Entwicklung. Wieweit habe ich mich mit meinen Wünschen, Begierden, Phantasien, Projektionen und Ängsten von meinem natürlichen seelischen Entwicklungs-Zyklus entfernt?

b) die Schutz- und Warn-Funktion im Hinblick auf zukünftige Gefahren, durch gefühlsmäßige Zustände ausgelöst.
Hiermit sind unbewusste psychische Dispositionen gemeint, die aus eher unbewussten, lebensgeschichtlich gewachsenen Konflikten und der Umgangsweise mit ihnen resultieren.

c) das Bewusst-Machen unbewusster Vorgänge, prägkognitiver Träume.
Auch Einstellungen und Verhaltensweisen, die mit einer unbewusst disponierten Self-Full-Filling-Prophecy verbunden sind, kommen hier zum Ausdruck. Des Weiteren macht der Traum Dinge bewusst, die unbewusst registriert, aber nicht bewusst wahrgenommen wurden. Dies kann kleinere Alltagsangelegenheiten (z.B. der zu locker sitzende Blumenkasten am Balkon; Traum: Der Balkonkasten fällt herunter und verletzt einen Passanten), aber auch tiefere emotionale Themen (z.B. die Vorahnung einer bevorstehenden Trennung, die man verstandsmäßig nicht wahrhaben will) betreffen. Aber auch wurden in seltenen Fällen präkognitive Träume (Träume von Situationen, die später tatsächlich eintrafen) beobachtet.

Träume treffen fundamentale Aussagen über den gegenwärtigen emotionalen Zustand eines Menschen, seine tiefsten inneren Gefühle sowie deren lebensgeschichtliche Ursachen und Zusammenhänge. Da das Bewusst-Werden traumatischer Ursprungs-Situationen damit verbunden ist, dass uns schmerzhafte Gefühle aus der Vergangenheit konfrontativ und teilweise mit großer Macht gegenübertreten, führt uns der Traum auf verschlüsselte Weise in unsere Gefühlswelt.

Sigmund Freud erwähnt u.a. zwei Traum-Mechanismen:

...

Wie können wir Traum-Symbole deuten?

...

Personenzentrierte Gesprächs-Psychotherapie besteht aus folgenden Merkmalen:

...

Das Modell der Meta-Schlussbemerkung

...

Anmerkungen:
1. vgl. Carl Gustav Jung: Symbole und Traumdeutung. Düsseldorf: Walter, 1998, S. 45
2. Dies ist die erweiterte Definition des Verdichtungs-Begriffes bei Schellenbaum, vgl. Peter Schellenbaum: Träum Dich Wach. Lebensimpulse aus der Traumwelt. Hamburg: Hoffmann und Campe 1998, S. 49
3. vgl. Peter Schellenbaum: Träum Dich Wach. Lebensimpulse aus der Traumwelt. Hamburg: Hoffmann und Campe 1998, S. 55
4. vgl. Carl Gustav Jung: Symbole und Traumdeutung. Düsseldorf: Walter, 1998, S. 103
5. vgl. Carl Rogers: Therapeut und Klient – Grundlagen der Gesprächspsychotherapie. Frankfurt (Main) 1990, S. 136
6. vgl. Klaus Sander: Personzentrierte Beratung Köln, Weinheim, Basel: GwG-Verlag, Beltz 1999, a.a.O., S. 62
7. vgl. Klaus Sander: Personzentrierte Beratung, a.a.O., S. 63

Anschrift des Verfassers:
Dr. phil. Reinhard Müller
Heilpraktiker
Berliner Allee 134
13088 Berlin-Weißensee
Tel. 0177 / 22 22 103

weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)


Zum Inhaltsverzeichnis

Naturheilpraxis 12/2010